Kapitel 14
Lily wusste, dass es eine dumme Idee gewesen war, diese sogenannte "Party" zu starten. Es war spontan gewesen und spontane Dinge endeten bei ihr nie gut.
Sie hätte es sich vorher besser überlegen sollen, doch als Lily Potters Entschuldigung gehört hatte, wollte ihr dummes Herz ihm noch eine Chance geben.
Sie war einfach zu naiv. Als jedoch auch Marlene und Mary sich auf Potters Seite geschlagen hatten, war es Lilys Verstand schwergefallen, ihm ein eiskaltes "Nein" ins Gesicht zu klatschen.
Sie hatte sowieso keine große Wahl, wenn sie ehrlich war. Denn die Macht, Potter seines Amtes zu entheben, hatte sie nicht. Das hieß, sie wären so oder so wohl oder übel ein "Team", wie er es gerne nannte. Doch Lily war noch nie ein guter Teamplayer gewesen. Zwar war sie gerne für andere da und wollte niemandem im Stich lassen, aber die ganze Zeit mit jemand zusammen zu arbeiten war noch nie ihre Stärke gewesen. Vor allem nicht mit Potter, den sie noch nie gemocht, fast schon verabscheut hatte.
Mit Remus als Vertrauensschülerpartner war das irgendwie unkomplizierter gewesen. Sie hatte ihre Ideen eingebracht und Remus hatte nicht widersprochen. Auf ihn war Verlass gewesen.
Doch nun merkte Lily, wie sie Potter ansehen konnte, ohne dass die Wut nur so in ihr brodelte. Klar, momentan war sie sauer auf ihn wegen der Sache mit den Kürbissen, doch wenn sie wirklich in sich hörte und ehrlich zu sich war, konnte sie sich eine Zusammenarbeit wirklich vorstellen mit ihm. Lily wollte professionell sein, und professionell war es eigentlich, wenn sie mit Potter zusammenarbeiten würde, auch wenn sie ihn nicht ausstehen konnte.
Im Gegensatz zu ihr war Potter ein echter Teamplayer und offen gesagt bewunderte Lily die Loyalität, die er zu seinen Freunden pflegte. So etwas hatte sie noch nie erlebt, die vier Rumtreiber waren füreinander da und hielten stehts loyal zueinander.
Ein paar Stunden zuvor hatte Lily noch vor lauter Zorn Potter Dinge an den Kopf geworfen, die Sie eigentlich gar nicht so gemeint hatte. Dort war sie in Rage gewesen und wollte nichts mehr mit ihm zu tun haben. Doch nun hatte Lily sich größtenteils wieder beruhigt.
Seufzend umklammert die Rothaarige das Glas in ihren Händen und lehnte sich an die Wand der großen Halle.
Das Licht war abgedunkelt worden und viele Schüler tanzten zu der lauten Musik. Lily wünschte sich einfach nur in ihr Bett und nahm sich vor, nie wieder eine Party zu schmeißen. Denn als Gastgeber musste sie bis zum Ende dableiben.
Immerhin hatte sie so Zeit, über Potter nachzudenken, der anscheinend begriffen hatte, dass sie ihn mit dieser Party auf die Probe stellte. Denn er lehnte lässig wie immer an einem der Stehtische mit einem Getränk in der Hand und schien nicht kurz davor, etwas Dummes zu tun.
Aus der Entfernung in dem unvorteilhaften Licht konnte Lily ihn nur schlecht erkennen.
Allerdings sah sie, dass mit ihm am Tisch Remus stand. Wo Pettigrew und Black waren, konnte Lily nicht sagen. Da sie jedoch Remus am liebsten von den Rumtreibern hatte, konnte es auch nur von Vorteil für Potter sein, mit dem Vernünftigsten der Gruppe in so einer Situation zu sprechen.
Lily musste zugeben, dass Potter nicht schlecht aussah. Dank Mary, die sich in der vierten Klasse in Potter verguckt hatte, wusste Lily nun alles über sein Aussehen. Schmunzelnd dachte sie daran zurück, wie Mary ihn angehimmelt und im Mädchenschlafsaal von ihm geschwärmt hatte. Damals hatte es Lily als äußerst nervig empfunden, da sie nicht verstehen konnte, wie jemand so liebes wie Mary etwas an jemand so arrogantes und aufgeblasenes wie Potter finden konnte.
Heute fand Lily es amüsant. Was für Probleme sie damals gehabt hatten. Irgendwie wünschte sie sich die Zeit zurück, in der noch niemand an etwas anderes gedacht hatte als an Hausaufgaben, Jungs oder den nächsten Hogsmeade-Ausflug.
Doch von Jahr zu Jahr war die Lage in der Zaubererwelt angespannter geworden. Lily hatte das schon des Öfteren am eigenen Leib erfahren.
Sie schluckte und drängte schnell die Erinnerung an die ZAG-Prüfungen in der fünften Klasse zurück. Oder wohl eher, was danach geschehen war.
Auch heute bemerkte Lily immer wieder Blicke, vor allem von Slytherins, die sie und andere Muggelstämmige abwertend anschauten und schon oft war Lily mit dem Wort "Schlammblut" konfrontiert worden.
Mittlerweile prallte diese Beleidigung an ihr ab, doch noch vor zwei Jahren sah das ganze ziemlich anders aus.
Severus und sie hatten sich schon in der fünften Klasse nicht mehr so gut verstanden, wie als Kinder, doch sie hatten sich respektiert. Durch ihre unterschiedlichen Freundeskreise hatten sie immer weniger miteinander zu tun gehabt, denn Severus' Freundeskreis bestand aus Slytherins, die Lily als ein Schlammblut sahen und sich zu sogenannten Todessern zusammengeschlossen hatten.
Lilys Freundeskreis verabscheute Severus dafür, dass er Lily soetwas antat. Und natürlich, weil Severus alles andere als beliebt in Hogwarts war.
Zudem hieß niemand eine Freundschaft zwischen Gryffindor und Slytherin gut.
Als jedoch Severus selbst Lily als ein Schlammblut bezeichnet hatte, traf es sie wie einen Schlag ins Gesicht.
Damals war sie sechzehn Jahre alt gewesen und hatte sich in der Situation nichts anmerken lassen, doch danach im Mädchenschlafsaal hatte sie sich die Augen aus dem Kopf geheult.
Ab da war wirklich Schluss mit ihrer Freundschaft gewesen.
Als Lily so in die Menge sah, entdeckte sie wie durch Zufall Severus Snape, der ebenfalls demotiviert an einer Wand lehnte. Lily wunderte es schon, dass er überhaupt noch da war. Normalerweise war Snape nicht wirklich auf Partys vorzufinden. Er hatte eine Flasche in der Hand, machte jedoch nicht Anstalten, daraus zu trinken. Um ihn herum standen andere Slytherins, die Lily aus der Ferne allerdings nicht erkannte. Severus' Haare hingen ihm fettig in das blasse Gesicht mit der Hakennase und auch seine hagere Gestalt wirkte, als wolle sie überall anders sein, nur nicht hier. Seine schwarzen Augen blickten kalt in die Menge, doch plötzlich streiften sie Lilys Blick.
Lily erkannte, wie überrascht er war, auch wenn er versuchte, es zu verstecken. Sie wusste nicht, ob sie sich das nur einbildete oder ob sein Blick an Kälte verlor und weicher wurde.
Allerdings schien er sich zu freuen, sie zu sehen und diesen Ausdruck in seinen Augen hatte Lily schon lange nicht mehr gesehen. Zumindest nicht, wenn seine Slytherinkollegen dabei gewesen waren.
Ein kleines Lächeln bildete sich auf seinen Lippen und in Lily kam der Wunsch auf, sein Lächeln zu erwidern. Sein Gesichtsausdruck erinnerte sie so sehr an alte Zeiten, in denen sie sich in den Sommerferien getroffen hatten.
Das waren so schöne Zeiten gewesen. Doch bevor Lily ebenfalls ihre Mundwinkel anheben konnte, wurde sie aus dem Blickkontakt gerissen.
"Evans?"
Erschrocken sah sie zu ihrer Linken, dort stand Potter und sah sie vorsichtig an.
So hatte er sie noch nie angesehen, insgesamt zeigte er ihr schon den ganzen Abend eine komplett andere Seite von sich, die sie noch nie gesehen hatte.
"Potter!", sagte sie überrascht und strich sich das rote Haar hinters Ohr.
Er lächelte sie leicht an, sodass sich Grübchen in seinen Wangen bildeten. "Ich dachte, ich sage dir mal 'Hallo'."
Lily lächelte, diese Seite an ihm gefiel ihr sehr gut. "Hallo."
Potter lachte nervös. "Ehrlich gesagt wollte ich mit dir nochmal über...naja, uns reden. Also, damit meine ich-"
"Schon okay, James.", meinte Lily sanft. "Ich habe das Ganze auch nochmal überdacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass ich eventuell etwas überreagiert habe. Zwar hättest du mir das nicht antun dürfen, doch habe ich mich auch einfach viel zu sehr für etwas reingehängt, das es eigentlich nicht wert ist. Ich wollte nur, dass McGonagall zufrieden mit mir ist. Und da sieht man mal, wie egoistisch ich sein kann. Ich hätte dich mehr einbinden sollen, wir hätten einfach mehr als Team fungieren sollen. Und meine Vorurteile dir gegenüber konnte ich auch nicht ablegen. Das heißt, wir haben beide irgendwie Scheiße gebaut."
Erst nach ihren Redefluss sah sie wieder zu Potter hoch, der sie nur ungläubig anstarrte.
Lily lachte nervös. "Kannst du bitte etwas sagen, das wird sonst ziemlich peinlich."
Potter räusperte sich. "Du, ähm, was hast du da gesagt?"
Lily verdrehte die Augen. "Na schön, ich gönne dir die Genugtuung, dass ich nachgebe. Ich habe dir vergeben und ich fände es toll, wenn wir nochmal von vorne anfangen könnten. Jeder hat doch eine zweite Chance verdient, oder nicht?"
"Nein, nein, das meinte ich nicht.", meinte Potter grinsend. "Das, was du davor gesagt hast."
"Was habe ich davor gesagt?", wollte Lily verwirrt wissen.
"Bevor du gesagt hast, dass du mir vergibst, was ich übrigens sehr zu schätzen weiß und ich würde dich dafür gerne umarmen.", meinte er.
Lily wurde rot. "Du, äh, darfst mich umarmen, wenn du willst."
Und tatsächlich kam Potter grinsend auf sie zu und schlang seine Arme um sie.
Es fühlte sich verdammt gut an.
So eine schöne Umarmung hatte sie schon lange nicht mehr gehabt. Lächelnd legte auch Lily ihre Arme um seinen breiten Rücken.
Als sie sich lösten grinste Potter wie ein Honigkuchenpferd.
"Du weißt gar nicht, wie oft ich mir das vorgestellt habe."
"Wirklich jetzt?", fragte Lily erstaunt.
Potters Wangen färben sich rötlich. "Ach, vergiss, was ich gesagt habe. Viel wichtiger ist was du gesagt hast, Lily."
Und endlich verstand sie, worauf er hinaus wollte und riss erschrocken die Augen auf.
Die Hitze schoss ihr ins Gesicht.
"Oh, das. Ähm, naja, es ist mir einfach rausgerutscht. Ich dachte, da wir ja jetzt Partner sind, können wir uns doch auch mit dem Vornamen ansprechen, besonders jetzt, wenn wir von vorne anfangen. Also, nur wenn du das willst, natürlich."
James legte ihr lächelnd eine Hand auf die Schulter. "Sehr gerne, Lily."
Er räusperte sich und drehte sich etwas von ihr weg. Dann drehte er sich lächelnd wieder zu ihr hin und hielt ihr die Hand entgegen. "Freut mich, dich kennenzulernen, Schülersprecherin. Meine Name ist James Potter, meine Freunde nennen mich Krone, aber du kannst gerne James zu mir sagen."
Lily grinste und schüttelte seine Hand. "Die Freude ist meinerseits, James. Ich bin Lily Evans, für dich ab jetzt Lily."
"Ich freue mich auf unsere Zusammenarbeit, Partnerin.", meinte James zwinkernd.
Lily seufzte und sah ihn ernst an. "Du weißt, dass bald dieser Weihnachtsball ansteht, James."
Auch er wurde wieder ernst. "Ich weiß. Und ich werde dich dieses Mal nicht enttäuschen, Ev- ich meine natürlich Lily."
Sie nickte. "Das will ich hoffen."
Auf einmal tauchte Remus hinter James auf. "Krone, ich glaube, Tatze braucht deine Hilfe."
Die drei sahen in Richtung Tür, wo Black in irgendeinen Streit verwickelt war. James seufzte. "Ich komme gleich."
Remus nickte und lief wieder zurück zu Black.
"Na dann, es wird nach mir verlangt.", scherzte James.
Lily lächelte. "Geh schon, wir sehen uns."
James nickte. "Wir sehen uns, Lily."
Es schien, als koste er jeden Moment aus, ihrer Namen zu sagen. Und Lily gefiel es unglaublich gut. James ging und sie blickte ihm lächelnd hinterher. Lily wusste nicht, ob es schlau war, was sie gerade getan hatte oder ob es das Dümmste war, was sie hätte tun können. Allerdings war sie bereit, dieses Risiko einzugehen, auch wenn es gewaltig gegen ihre Prinzipien verstieß.
Dann bemerkte Lily plötzlich, dass sie durch diesen sehr ungewöhnlichen Moment mit James Severus ganz vergessen hatte. Als sie jedoch wieder zu dem Ort blickte, wo er gestanden hatte, war er verschwunden.
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