~Twentynine~
Ich wurde wach und hatte fürchterliche Kopfschmerzen. Blinzelnd öffnete ich eines meiner Augen und stellte fest, dass ich mich zumindest in meinem Zimmer befand. All meine Gliedmaßen schmerzten, weshalb ich mich stöhnend zur anderen Seite wälzte.
Mir fiel auf, dass ich plötzlich etwas ganz anderes anhatte. Mit gerunzelter Stirn betrachtete ich die schwarze Leggings. Vermutlich hatte Nate mir diese angezogen, weil ich offenbar sturzbetrunken gewesen sein musste. Zumindest fühlte ich mich so. Aber wieso zog er mich an, als wäre ich eine Einbrecherin? So komplett in schwarz?
Erst da wunderte ich mich, dass ich überhaupt in meinem Zimmer war. Wieso war ich nicht bei Nate?
Plötzlich erfasste mich Panik und mein Herzschlag raste, sodass ich kaum Luft bekam. Mit wackeligen Beinen stand ich auf. Was, wenn ihm etwas zugestoßen war?
Mir wurde schlagartig kotzübel, weshalb ich in das angrenzende Badezimmer rannte und mich übergab. Die ganze Sache stank zum Himmel und krampfhaft versuchte ich mich daran zu erinnern, wie ich nach Hause gekommen war. Mein Kopf war wie leergefegt. Einzig an die Party konnte ich mich erinnern.
Nicht, wie ich beschloss zu gehen, oder wie Ty mich nach Hause gefahren hatte.
Ich fühlte, dass irgendwas nicht stimmte und mit flauem Magen verließ ich mein Zimmer. Das Penthouse war wie immer. Nichts hatte sich verändert. Nur zögerlich nahm ich eine Stufe nach der anderen, weil die Angst mich noch immer fest umklammerte.
Warum raste mein Herz so unnatürlich schnell? Schweiß stand mir auf der Stirn, obwohl ich fröstelte und mein Körper zitterte. Meine Fingerspitzen fühlten sich taub an und allgemein fühlte ich mich, als wäre ich krank.
Unten angekommen ging ich mit wackeligen Knien in die Küche, um mir etwas zu trinken zu nehmen. Vielleicht war mein Blutzucker einfach nur im Keller?
Plötzlich hörte ich Geräusche, weshalb ich aufsah und Demjan, Aljoscha, Maxim, Kirill und Stenja vor mir stehen sah. Bei dem letzten erfasste mich unglaubliche Erleichterung, weshalb ich sofort auf ihn zustürmte und ihn fest umarmte. Doch gegen meine Erwartung verkrampften all seine Muskeln, ehe er mich so fest von sich schubste, dass ich fiel.
Mein Steißbein und mein rechter Ellenbogen schmerzten, weshalb sich unmittelbar Tränen in meinen Augen sammelten.
„Stenja, was soll das?", schluchzte ich. Er sah mit harter Miene auf mich herab und seine eisblauen Augen durchbohrten mich regelrecht. Ich wollte mich aufrichten, als völlig unerwartet Kirill vor trat und eine Waffe an meinen Kopf hielt.
Ein Wimmern brach aus mir heraus und ich erstarrte. Was war nur in die Jungs gefahren?
„Was ist hier los? Wo ist Nate?", fragte ich mit brüchiger Stimme. Ich sah mich Hilfe suchend um und rutschte vor der geladenen Waffe vor meinem Gesicht weg.
„Andere Frage: Wo ist die Missgeburt von deinem Bruder?" Kirill kam näher und drückte mir in nächster Sekunde den Lauf der Waffe an die Stirn. „Sag es, oder ich vergesse mich!"
„Kirill!", ermahnte Demjan ihn. Ich hätte von Aljoscha oder Stenja erwartet, dass sie mich beschützten, aber niemals von Demjan. Er zerrte Kirill an der Schulter von mir weg, ehe er sich in die Hocke vor mir setzte und mich eingehend musterte.
„Ich will zu Nate", weinte ich, wie das kleine Mädchen, was ich im Herzen noch immer war. Ich hatte solche Angst, obwohl ich keine Ahnung hatte, wovor überhaupt.
„Sie weiß offenbar nichts", kam es von Stenja, dem ich nun endlich ansah, wie es ihn quälte mich so auf den Boden kauernd zu sehen.
„Du warst gestern in der Firma. Dämmert da was?", fragte Demjan. Ich schüttelte meinen Kopf und sah zwischen all den Russen hin und her. „Du hast die Serverplatten ausgetauscht und Yonathan angeschossen."
„Nate?", war alles, was über meine Lippen kam. „Wo ist er?"
„Die verarscht uns! Genauso, wie sie Jascha manipuliert hat!", brüllte Kirill aufgebracht. Er stieß Demjan weg und zerrte mich brutal am Arm nach oben. „Langsam habe ich wirklich die Schnauze gestrichen voll von dir!"
„Was-? Kirill! Ich habe nichts getan! Ihr müsst mir glauben!", schrie ich verzweifelt. Tränen überströmten mein Gesicht und ließen meine Sicht verschwimmen.
Wovon sprachen die überhaupt?
„Dir verlogenes Stück Scheiße glaube ich kein einziges Wort mehr", knurrte er, zerrte mich am Arm zu einem Stuhl und drückte mich fest auf diesen herunter. „Weißt du, was mich an der ganzen Sache am meisten aufregt? Dass selbst ich so dumm war und dir deine Lügen abgekauft habe!"
Ich musste noch immer schlafen und schlecht träumen. Anders konnte ich mir das nicht erklären. Wieso behauptete Demjan, ich wäre in der Firma gewesen und hätte sogar Nate angeschossen? Wo war er? Ging es ihm gut?
Warum konnte ich mich an nichts erinnern?!
Ich bekam seinen Arm gegriffen, klammerte mich schluchzend an ihn und schaute flehend zu ihm auf. „Du. Musst. Mir. Glauben."
Gewaltsam entzog er sich meinem Griff. „Bleib sitzen!" Ich hätte mich nicht mal im Traum getraut nur einen einzigen Muskel zu bewegen.
„Irgendwas stinkt doch gewaltig", hörte ich Aljoscha mit Demjan hinter mir reden.
„Jascha wird in einer Stunde ungefähr aus dem Krankenhaus entlassen. Ich finde auch, dass irgendwas komisch ist."
„Was ist mit ihrem Personenschützer?", fragte Aljoscha. „Der wird doch irgendwas wissen."
„Mit Sicherheit. Aber solange, müssen wir sie festhalten. Nicht, dass sie noch etwas Dummes anstellt."
Mein gesamter Körper zitterte und wurde immer wieder von meinem Schluchzen durchschüttelt. Schmerz breitete sich in jedem einzelnen Knochen aus und ich spürte, wie ich mit jeder Sekunde kraftloser wurde. Kirill kam zurück und band meine Hände hinter dem Rücken zusammen, als ob ich gegen fünf der Russen jemals körperlich angekommen wäre.
„Stenja", flüsterte ich wimmernd. „Bitte mach, dass das aufhört."
„Durchsucht ihre Sachen", befahl Kirill schroff, woraufhin Demjan und Aljoscha nach oben gingen. Nur Stenja verharrte an ein und derselben Stelle und starrte mich an.
Kirill verschwand ebenso, jedoch in die Richtung von Nates Büro, weshalb nur noch Stenja übrig blieb. „Wieso, Malyschka?"
Er kam auf mich zu, hockte sich vor mich und sah mich eindringlich an. „Wieso hast du das getan?"
„Ich weiß nicht, was du meinst", schluchzte ich. Er seufzte frustriert und ließ den Kopf hängen.
„Du hast ihn beinahe umgebracht, Sky. Lässt dich das wirklich so kalt?" Ich spürte, wie er wütend wurde, da seine Stimme lauter und drohender war.
„Ich hätte Nate nie etwas antun können. Ich liebe ihn!", sagte ich, sodass die Worte sich nur so überschlugen.
„Wieso lügst du selbst mich an, Malyschka. Wir haben dich letzte Nacht alle gesehen." Die Enttäuschung in seinem Blick brach mir das Herz und allmählich zweifelte ich selbst daran, was ich getan oder nicht getan haben könnte. Immerhin erinnerte ich mich nicht. Was war, wenn ich es doch war?
„Ich habe was gefunden", sagte Demjam und stolzierte erhobenen Hauptes die Treppe nach unten. Stenja stand zügig auf und vergrub seine Hände in die Taschen seiner Jeans.
„Was ist das?"
Demjan wedelte mit einer durchsichtigen Tüte herum und auf dem zweiten Blick erkannte ich das weiße Pulver.
„Kokain." Stenja nahm es ihm ab und schaute wieder mich an.
„Ich habe das nicht genommen", verteidigte ich mich umgehend.
„Warum solltest du uns auch endlich die Wahrheit sagen?", rollte Demjan genervt mit den Augen.
„Ich sage euch die ganze Zeit die Wahrheit!", schrie ich ausweglos. „Wenn ich es gewesen war, erinnere ich mich nicht mehr daran!"
„Vielleicht hat sie recht", meinte Aljoscha und tauchte plötzlich neben mir auf. „Wenn sie auf der Party war und sich dort richtig ein reingeholfen hat, kann sie sich vielleicht nicht mehr erinnern."
„Das ändert aber nichts an der Tatsache, was sie getan hat", knurrte Demjan.
„Leider nein."
„Wie hätte ich sturzbetrunken einen solchen Anschlag auf Nate verrichten sollen?", fragte ich und verlor allmählich die Geduld, es immer und immer wieder erklären zu müssen, dass ich nichts getan hatte.
„Damit", ergänzte Stenja und hielt mir das Kokain direkt unter die Nase. Die Unterhaltung von Zac fiel mir mit einem Mal wieder ein. Er erklärte mir, dass das weiße Pulver einen wacher und konzentrierter machte. Aber er sagte auch, dass man damit keinen Kater riskierte.
„Wieso fühle ich mich aber wie durchgekaut und ausgkotzt? Einer der Studenten hatte mir erklärt, dass man mit Koks keinen Kater am nächsten Tag hat!"
„Bljad, du bist so naiv! Manchmal frage ich mich, wie du so zwanzig Jahre allein überleben konntest!", meinte Demjan wütend. Er entriss Stenja das Kokain und kam mit diesen auf mich zu. „Jeder Idiot weiß, dass man erst kokst und dann trinkt. Bei dir kann ich mir gut vorstellen, dass du es andersherum getan hast."
„Würde zumindest den Blackout erklären", stimmte Stenja ihm zu. Ich biss meine Zähne fest aufeinander und beschloss, einfach gar nichts mehr zu sagen. Sie glaubten mir ohnehin nicht.
Ich glaubte mir ja mittlerweile selbst nicht mehr! Absolut nichts konnte die Situation noch schlimmer machen.
„Wo ist sie?", dröhnte Nates Stimme durch das gesamte Penthouse. Ohne ihn zu sehen und nur anhand seiner Stimme, wusste ich, dass er mich bluten lassen würde und ein eiskalter Schauer zog über meinen Rücken.
Er kam ins Wohnzimmer und tötete mich mit nur einem Blick. „Mach sie los, Demjan."
Meine Hände wurden befreit, aber mir wäre es lieber gewesen, hätte Demjan mich einfach gefesselt gelassen. Selbst Kirills Waffe an meiner Stirn wäre mir in dem Moment lieber gewesen.
In Nates Augen wütete ein tosender Sturm. Ich sah blanke Wut, aber auch wie verletzt er war. Da war Abscheu, aber auch Liebe. Entschlossenheit, aber auch Angst. Bewunderung, aber auch Verwirrung.
Seine Miene war steinhart, ebenso war sein Kiefer zum Zerreißen gespannt. Er war blass und sah mitgenommen aus. Ich öffnete meine Lippen und wollte bereits zum Sprechen ansetzen, als er mir jedoch zuvorkam.
„Verlass mein Penthouse!"
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Das sind irgendwie keine guten Aussichten 🫣
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