~Seventeen~

Tyson begleitete mich in das achte Stockwerk, wo bereits ein junger Mann auf mich wartete, der mir nicht allzu fremd vorkam. Er trug wie alle in diesem Gebäude einen teuren Anzug, eine teure Uhr, aber erst seine nerdige Brille sagte mir, woher ich ihn kannte.

„Das darf ich jetzt wohl als Schicksal bezeichnen, oder?", fragte er ohne jegliche Begrüßung und mit freudestrahlendem Gesicht. Tyson warf mir nur einen kurzen Blick zu, da er es nicht verstand. Mr. Standall war der junge Mann, den ich bei meinem ersten Besuch in Nates Firma getroffen hatte. Er hielt mir die Tür auf und wartete wie ein Stalker, bis ich den Fahrstuhl betrat, um mich mit einem schlechten Spruch anzumachen.

„Ich bin wegen des Praktikums hier", erwiderte ich und ignorierte seinen Versuch mir schmeicheln zu wollen.

„Ist mir bekannt, Miss MacKenzie. Ich zeige Ihnen die Abteilung und führe Sie in die Aufgaben ihres Praktikums ein", sagte er zuvorkommend.

„Ich warte im Foyer", teilte Tyson mir mit, jedoch nicht ohne den Nerd vor uns mit einem abschätzigen Blick zu erdolchen. Standall richtete nervös seine Krawatte, ehe Ty das Blickduell beendete und ging.

„Ihr Freund ist ziemlich ... einnehmend."

„Er ist nicht mein Freund, sondern mein Bodyguard", erklärte ich sofort. „Und ihn sollte man niemals verärgern." Nervös schob er seine Brille höher, weshalb ich amüsiert in mich hinein grinste. Der kleine Nerd war schon niedlich, wie er so ängstlich versuchte meinem Blick zu entkommen.

„Danke für den Hinweis. Ich zeige Ihnen jetzt die Räumlichkeiten." Damit wendete er sich ab und ging voraus. Ich folgte ihm mit langsamen Schritten und schaute mich um. „Bei uns in der Abteilung lautet das Motto: Unsere Tür steht jedem offen", sagte er.

Mit gerunzelter Stirn ging ich an die verglasten Büros vorbei und stellte fest, dass es überhaupt keine Türen gab.

„Sehr einfallsreich", murmelte ich. Standall sah begeistert über seine Schulter zu mir und fand seine Aussage offenbar äußerst amüsant. Doch plötzlich gefror sein Blick, weshalb ich mich umdrehte und einen entschlossenen Yonathan auf uns zukommen sah.

Eine Hand hatte er in der Tasche seiner Anzugshose, während sein Gang so viel Dominanz ausstrahlte, dass meine Knie weich wurden. Wie schon vorhin, als er sein Meeting unterbrach, schaute er mich mit harter Miene an. Da war nichts weiches in seinem Gesicht. Nichts, dass darauf schloss, dass wir Verbündete waren.

Aber genau das liebte ich so sehr. Seine Präsenz, die einen ganzen Raum voller Menschen den Atem anhalten ließ. Voller Anmut kam er auf uns zu, woraufhin Standall erneut an seiner Krawatte zerrte, als bekäme er sonst keine Luft.

Yonathans eisblauen Augen schauten direkt in meine, aber nicht nur seine Überlegenheit spiegelten sich in seinen Iriden. Es loderte ein Feuer in ihnen, an das ich jederzeit bereit gewesen wäre, mich zu verbrennen. Es schlängelte um meinen Körper und setzte mich in Flammen. Verzehrte mich und brachte mein Inneres nur für ihn zum brennen.

Er strahlte so viel Macht aus, dass mir mein Herz bis zum Hals schlug. Vor zehn Minuten noch hatte er mich zurechtgewiesen und das in einem solch unmissverständlichen Ton, dass ich gezwungen war meinen Blick zu senken. Solch einen Ton schlug er nicht häufig bei mir an, aber wenn er es tat, entzündet er damit eine Leidenschaft in mir, die nur er zu bändigen wusste. Aber noch mehr forderte er meinen Widerstand heraus, der ihn an den Rand des Wahnsinns treiben wollte. Ich wollte dabei zusehen, wie er zwischen Wut und Lust zerging. Wie er mich herausforderte und mich nah an den Abgrund drängte. Ich wollte fallen, um dann mit neuer Stärke aufzustehen.

„Mr. Standall, ich muss Miss MacKenzie kurz für einige Formalitäten entführen", sprach Nate mit einer solchen Autorität in der Stimme, die keinerlei Widerstand gewährte.

„S-sicher, Mr. K-Kingsley. Solange Sie sie in einem Stück zurückbringen." Stotternd und mit zitternder Stimme schaute Standall zu mir und war sich seinen Worten anscheinend nicht bewusst. Seinen Lippen zierte ein schüchternes Lächeln, als wollte er mich warnen, dass mit dem Boss nicht zu scherzen war. Als ich zu Nate sah, erkannte ich das Aufblitzen seiner blauen Augen, als überlegte er, ob er dieser Bitte nachkommen konnte.

„Ich möchte die Praktikantin nur entsprechend in der Firma begrüßen. Und natürlich ihr das Reglement ans Herz legen, um eine gute Zusammenarbeit zu garantieren", erwiderte Yonathan. Seine Stimme klang rau und mir war nur allzu bewusst welches Reglement ihm im Kopf schwirrte. Sicher nicht die Vorschriften der Firma. Mir wurde heiß und kalt gleichermaßen.

Mit diesen Worten deutete er mit einer flüssigen Armbewegung, dass ich ihm folgen sollte. Würde ich den Mann vor mir nicht kennen, hätte ich mich spätestens jetzt an Standall geklammert und ihn angebettelt mich nicht mit dem Boss alleine zu lassen. Ein wissendes Schmunzeln zupfte an Yonathans Mundwinkeln, ehe ich die ersten Schritte ging.

„Warum habe ich das Gefühl, du würdest gerade lieber vor mir flüchten?", raunte Nate schräg hinter mir, sodass es keiner der Mitarbeiter hören konnte.

Ich hasste seine Arroganz, genauso wie ich seine Dominanz liebte. Dieser Mann war Segen und Fluch zugleich.

„Ich glaube, Sie leiden an Größenwahn, Mr. Kingsley", erwiderte ich, straffte die Schultern und ging mit selbstbewussten Schritten weiter.

„Sie wollen nicht herausfinden, wie groß mein Wahn wirklich ist, Miss MacKenzie." Er strotzte nur so vor Selbstbewusstsein, während wir durch die Rechtsabteilung liefen und alle Blicke auf uns zogen. „Ich war nie persönlich hier in der achten Etage. Interessant, dass Standall es wortwörtlich meinte, dass seine Tür jederzeit offen stehen würde."

Ich lachte, weil es genau mein erster Gedanke war. Zudem verstand ich, warum es beinahe totenstill in der Abteilung wurde, wenn Nate plötzlich auftauchte. Damit hatte er seine Angestellten eiskalt erwischt, wie man in den geschockten Gesichter sehen konnte.

Yonathan bugsierte mich zu den Fahrstühlen und plötzlich erfasste mich Nervosität. Ich hatte ihn zwar um das Gespräch gebeten, aber irgendwas sagte mir, dass er mich nicht nur deswegen abholte. Die Türen des Fahrstuhls glitten auf und er schob mich gnadenlos ins Innere. Ich flüchtete umgehend an die hintere Wand, um den größtmöglichen Abstand zwischen uns zu bringen. Obwohl es in dem Aufzug kaum möglich war seiner Präsenz zu entkommen.

Nachdem Nate den Knopf betätigt hatte, lehnte er sich lässig seitlich an die Wand. Nur ein Stockwerk später, hielt der Aufzug und die Türen glitten auf. Als Yonathan die Männer und Frauen vor sich sah, machte er ihnen Platz, indem er sich zu mir ans Ende des Fahrstuhls begab. Sofort überschlug sich mein Herzschlag, als er mir so nahe kam, dass unsere Arme sich berührten.

Der Aufzug setzte sich erneut in Bewegung, allerdings fuhr er nach unten, anstatt nach oben, weshalb ich meine angestaute Luft ausstieß. Jede Sekunde, die ich auf engsten Raum mit Nate verbrachte, sorgte dafür, dass ich Stück für Stück mehr den Verstand verlor. Die Widersprüchlichkeit, die ich ihm gegenüber verspürte, würde mich früher oder später umbringen.

Als wir unten ankamen, stiegen die Mitarbeiter aus und Yonathan und ich blieben allein.

„Wieso so angespannt?", fragte er raunend, sodass sein Atem meine Haare strich.

„Erste Male sind doch immer aufregend", wisperte ich erregt und ängstlich zugleich zurück. Ich sah schüchtern in sein Gesicht und erkannte Erinnerungen in seinem Gesicht widerspiegeln. Mit Nate hatte ich zu viele erste Male, um sie in Sekundenschnelle vor meinem geistigen Auge abzuspielen. Aber die Groben, die durchtrieben von Leidenschaft waren, waren in meiner Erinnerung die Präsentesten und die Schönsten.

Plötzlich schob Yonathan sich vor mir, beugte seinen Kopf zu mir herunter und keilte mich mit seinem strammen Körper ein.

„Warum fickst du meinen Kopf so sehr?", fragte er halb stöhnend und halb hauchend.

„Weil du dich so leicht ablenken und ficken lässt", antwortete ich frech. Sofort verspannte sein Körper sich. Auch sein Blick verklärte sich, weshalb ich es mir nicht nehmen konnte, noch einen drauf zu setzen und seine Kontrolle vollends herauszufordern.

„Warum so angespannt, Daddy?"

Der Fahrstuhl in seinem Rücken öffnete sich. Schnell nahm Yonathan Abstand und seufzte frustriert. Aus dem Augenwinkel sah ich auf seinen Schritt und erkannte, wie erregt er wirklich war, was auch zwischen meinen Beinen für ein elektrisches Kribbeln sorgte.

Mit einem überlegenen Grinsen auf den Lippen lief ich vor, begrüßte Rose, die uns zweifelnd betrachtete und wurde an der Tür zu Yonathans Büro plötzlich im Nacken gepackt. Unsanft wurde ich in den Raum geschoben. Die Tür flog mit einem lauten Knall zu, ehe mein Körper mit dem Gesicht voran gegen diese gepresst wurde.

„Du hast keine Ahnung, wie viel Beherrschung ich aufbringen muss, um nicht jedes deiner engen Löcher zu beanspruchen", knurrte Nate an meinem Ohr. „Und hätten wir nicht weitaus andere Probleme, würde ich dich genau jetzt – genau hier so tief ausfüllen, dass du mich anbetteln würdest aufzuhören."

Jedes seiner Worte brachte mich mehr zum Schmelzen. Ich wollte es so sehr, dass meine Mitte verlangend pochte. Doch gegen meine Erwartung riss Yonathan sich von mir los. Ich drehte mich herum, sah wie er zu seinem Schreibtisch ging, mit dem Rücken zu mir den Kopf hängen ließ und mehrfach tief einatmete.

Ich konnte beinahe seine körperlichen Schmerzen spüren. Nach einem weiteren tiefen Atemzug, drehte er sich zu mir herum und schien wie ausgewechselt. Da war keine Wärme mehr in seinem Blick, kein Verlangen. Keine Hingabe.

„Worüber wolltest du mit mir reden?"

Mich beschlich das Gefühl, dass ich mit meinem Verhalten nicht nur mich selbst brach, sondern auch ihn an seine psychischen Grenzen brachte.

„Werden wir hier –" Ich sah mich prüfend um und Nate verstand augenblicklich, was ich zu fragen versuchte.

„Nein."

„Gut. Mikhail hat einen Typen auf mich angesetzt, der mir eine Nachricht übermitteln sollte", begann ich ihm zu erzählen. Ich trat näher und setzte mich schließlich auf die schwarze Ledercouch. Yonathan tat es mir gleich und setzte sich mir gegenüber, ehe er eines seiner langen Beine ausstreckte und das andere mit dem Knöchel auf sein Knie ablegte. Unweigerlich blieb mein Blick an seinem Schritt hängen.

Bevor er dich nochmal vögelt, bringt er dich um, weil du ihn so sehr provoziert hast, verhöhnte meine innere Stimme mich.

Ein Schnippen vor meinem Gesicht riss mich aus meinen Gedanken. „Welche Nachricht?"

Mit erhitztem und gesenktem Gesicht erzählte ich Nate die ganze Geschichte. Wie Dylan mir auflauerte, mich bedrohte und letztendlich mir die Festplatte gab. Ich erzählte ihm von den Worten von Mikhail und was er von mir erwartete.

„Zeig mir die Festplatte", forderte Yonathan streng. Er mahlte mit dem Kiefer und wirkte extrem wütend. Ich wusste, dass die Wut nicht mir galt, dennoch zitterten meine Finger, als ich meine Tasche griff.

Als ich ihm das metallene Gehäuse mit dem Griff und einer Zahl darauf überreichte, drehte er es gedankenverloren und wippte mit dem Fuß.

„Sag mir, dass du irgendeinen Plan hast", forderte ich ihn auf.

„Nein", antwortete er knapp. „Ich kann dich die Festplatten nicht austauschen lassen. Weißt du, was das hier ist?"

Er hob das seltsame Metallgehäuse an und deutete auf diese, weshalb ich meinen Kopf schüttelte.

„Das ist eine Hauptserverplatte. Sobald du diese tauschen würdest, hätte er uneingeschränkten Zugriff auf die wichtigsten Daten, Verschlüsselungen und Informationen von der Firma."

„Aber wofür benötigt er all das?", fragte ich irritiert.

„Tut er nicht. Er will meine Existenz ruinieren. Er würde die Daten einfach vorbehaltlos löschen. Damit wäre meine komplette Firma zerstört", erklärte Yonathan. Er stand auf und ging zu dem Panoramafenster, um gedankenverloren daraus zu schauen.

„Aber irgendwie müssen wir ihn doch täuschen können!" Verzweiflung breitete sich in mir aus und ließ mich wie so oft hilflos fühlen.

„Das ist es doch, Skylar! Wir konnten ihn die ganze Zeit nicht täuschen! Er verlangt das von dir, weil er sehen will, ob du bereit dazu wärst, mich zu zerstören!"

Seine Resignation sprang auf mich über und ich spürte, wie sich, wie so oft, verräterische Tränen in meinen Augen bildeten. Ich konnte noch so gut Stärke vorspielen, im Innern würde ich es nie sein.

„Irgendwie müssen wir seine Forderung erfüllen, ohne der Firma zu schaden", sagte ich drängender.

„Sobald ich die Platte manipuliere, wird er wissen, dass du mich eingeweiht hast und das würde bedeuten, dass–"

„Stenja", brachte ich schluchzend hervor.

„Ja", erwiderte Nate niedergeschlagen. „Es tut mir leid, aber ich kann dir nicht helfen. So sehr ich es auch wollte, aber das übersteigt meine Fähigkeiten."

Seine Worte zogen jegliche Hoffnung aus mir heraus, weshalb ich den Boden unter den Füßen verlor und einfach nur noch kraftlos zusammensank.

Damit hatte Mikhail wohl gewonnen ...

______

So gut der Plan am Anfang auch klang, so niederschmetternd ist das Ergebnis 😪

Ob die beiden doch noch eine Lösung finden?

Findet ihr auch, dass Nate nicht langsam genug gelitten hat? 🤔😂

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top