~Seven~
Ich spürte den schockierten Blick von Sky in meinem Rücken, als ich sie stehenließ, um meinen Pflichten als Boss nachzugehen. Mich hat am frühen Morgen die Nachricht ereilt, dass sechs unserer Lager zur selben Zeit in sechs unterschiedlichen Staaten hochgenommen wurden. Auch hier in Boston.
Ich hatte keinerlei Anhaltspunkte, wer das war, oder wie diese Person an die Koordinaten herangekommen war. Allerdings war ich nicht so dumm, um es als Zufall abzustempeln. Ich war mir 99 % sicher, dass das mit dem suspekten Download auf meinem PC zu tun hatte. Jedoch konnte ich mir noch keinen Reim darauf machen, wie der Unbekannte es geschafft hatte, auf die Daten zuzugreifen.
Aber das würde ich herausfinden und dann gnade ihm Gott, dass er nicht auch derjenige war, der Stenja festhielt. Mein Bauchgefühl sagte mir aber, dass beides miteinander zusammenhing. Wobei mir absolut unklar war, was dieses Vorgehen sollte. Es wurde noch immer keine Forderung gestellt, wozu hielten sie Stenja dann fest? Als Druckmittel? Zur Ablenkung?
Die ganze Sache stank gewaltig!
„Raya wird hierbleiben und dir Gesellschaft leisten", sagte ich, bevor ich mein Schlafzimmer verließ. Die beiden Frauen würden schon miteinander auskommen, vor allem weil ich Raya darum bat, ein Auge auf Sky zu werfen. Es missfiel mir, sie allein lassen zu müssen, gerade weil sie den Abend davor sich selbst verletzt hatte, aber ich traute niemanden in meinen Kreisen mehr. Ich musste allein nach Antworten suchen, da es zu gefährlich war meine Männer mit einzuspannen. Es musste jemand von denen geben, der mir in den Rücken fiel, anders waren die Anschläge auf die Lagerhallen nicht zu erklären.
„Nate!"
Ich war bereits an der Treppe angekommen, als ich innehielt und mich zu Sky herumdrehte, die unentschlossen und aufgelöst zugleich am Geländer stand. Ich wartete, dass sie etwas sagte und erkannte, wie sie haderte. Ihr brannte etwas auf der Seele und meine Neugier stieg ins Unermessliche, während ich sie einfach nur ansah.
„Bitte sei vorsichtig", sagte sie letztlich. Das war definitiv nicht das, was ich erwartet hatte. Vor allem verriet ihr Körper, dass es auch nicht das war, was sie ursprünglich sagen wollte.
„Bin ich immer", erwiderte ich, abwartend, ob sie noch etwas anderes sagen würde. Als sie jedoch stumm nickte, musste ich mich damit abfinden, dass sie mir nichts weiter zu sagen hatte. „Du kannst mich jederzeit anrufen, falls etwas ist."
Damit verabschiedete ich mich und ging die Treppe nach unten. Max wartete bereits am Fahrstuhl auf mich. Auch wenn man es ihm nicht ansah, wusste ich, dass er bis zu den Zähnen bewaffnet war. Aber genau das mochte ich an diesem unscheinbaren Mann. Er hatte in Pokerface wie kein anderer.
***
Wir kamen am Stadtrand von Boston an der Lagerhalle an, in der Waffen sowie Drogen gelagert wurden. Bereits aus der Ferne erkannte ich den dichten schwarzen Qualm. Die Halle war vollständig zerstört und zerfiel bereits in alle Einzelteile. In mir brodelte es lichterloh, so wie die Lagerhalle vermutlich noch vor einigen Stunden.
„Was wissen wir bisher?", fragte ich, als Max den SUV vor den Überresten parkte.
„Bisher konnten acht Leichen identifiziert werden. Alles Männer von uns. So wie es aussieht, wurde keine der Ware gestohlen, sondern lediglich mit verbrannt."
Dass sich somit über zehn Millionen in Luft auflösten, juckte mich dabei gar nicht.
Vor der Halle tummelten einige Beamten, die natürlich von der Bratva geschmiert waren. Sie übernahmen die Ermittlungen, womit ich auch sofort über alles Bescheid wusste.
„Dasselbe ist auch bei den anderen fünf Anschlägen der Fall. Bisher wurde keine Leiche gefunden, die nicht zur Bruderschaft gehörte. In Washington und Phoenix sind die Ermittlungen bereits abgeschlossen. Keiner von unseren Männern hat überlebt und kein uns unbekannter Mann war zu finden."
„Wir haben also gar nichts?", hakte ich übellaunig nach. Max schüttelte den Kopf. „Hättest dir deine zehnminütige Ansprache auch sparen können, wenn das Endergebnis so ernüchternd ist."
„Sorry, Boss."
Ich blies meine Wangen auf und ließ die angestaute Luft freien Raum. „Irgendwas werden sie hinterlassen haben und wenn es nur ein verficktes Haar ist!"
Entschlossen stieg ich aus dem Wagen und ging mit zielstrebigen Schritten auf die Ermittler zu.
„Mr. Kingsley. Wir hatten nicht erwartet, Sie persönlich anzutreffen", sagte ein blonder Beamter und reichte mir dabei seine mickrige Hand. „Officer Torres. Ich leite die Spurensuche."
Mit einem skeptischen Blick starrte ich den jungen Polizisten an und wusste nach nur wenigen Sekunden, wie er tickte. Er war Kettenraucher, das sah ich an seiner rechten Hand, da an dieser der Zeige- und Mittelfinger gelb waren. Somit schloss ich daraus, dass er Rechtshänder war. Er wohnte sicherlich noch bei Mutti, da seine Uniform für einen Anfang zwanzig jährigen viel zu ordentlich war. Es war vermutlich sein erster größerer Fall, denn ich sah das Zittern seines Körpers, als ich auf ihn herabsah.
„Tja wissen Sie, Officer Torres, da ich glaube, dass das hier etwas Persönliches ist, ist es schwer sich im Hintergrund zu halten."
„Verstehe. Entschuldigen Sie, ich bin ziemlich nervös. Bisher habe ich nur die Spuren von kleineren Männern der Bratva verwischt", erklärte er mir sein ohnehin auffälliges Verhalten. Ich schenkte ihm ein kleines Lächeln.
„Dann können Sie sich glücklich schätzen, endlich im großen Becken mit den großen Haien schwimmen zu können", zwinkerte ich und erkannte, dass ihn meine Aussage nur noch nervöser machte. „Tun Sie mir ein Gefallen, Officer Torres?"
„Sicher! Alles, was Sie verlangen", schoss es wie aus der Pistole aus ihm heraus. Es tat mir schon beinahe leid, dass sie so jemanden auf diesen Fall angesetzt hatten. Er war bei weitem nicht bereit, sich um eine solche Aufgabe zu kümmern. Ich ging einige Schritte und er folgte mir aufmerksam. „Halten Sie für mich die Augen offen. Wir benötigen irgendwas, dass uns eine Spur gibt. Durchsuchen Sie jeden Winkel des Geländes, drehen Sie jeden Stein um, durchforsten Sie alle Unterlagen, aber vor allem ..."
Ich blieb abrupt stehen, nahm meine Waffe und lud sie vor seinen Augen, um sie ihm dann fest unter den Unterkiefer zu drücken. „Verarschen Sie mich nicht!"
„D-das würde ich niemals, Mr. Kingsley", stotterte er und sah mich mit Schreck geweiteten Augen an.
„Gut. Ich will wissen, wer diese Wichser sind, die sich hier in meinem Gebiet befinden! Und glauben Sie mir, wenn ich Ihnen sage, dass ich Ratten hasse. Ich habe absolut kein Problem damit alle Ungeziefer zu vernichten, bis diese wie die Dinosaurier auf diesem Planeten ausgestorben sind, kapiert?"
Ich nahm meine Waffe von seinem Kiefer, tätschelte einige Male seine Wange und grinste ihn breit an, während er nur verstört mit dem Kopf nickte. Mein Grinsen erstarb und eine undurchdringliche Miene erfasste mein Gesicht. Er begriff augenblicklich, was ich verlangte.
„Verstanden, Mr. Kingsley. I-ich werde Sie nicht enttäuschen."
„Werden wir sehen", brummte ich zum Abschied und ließ den vor Angst schlotternden Beamten stehen, um mich den Überresten der Lagerhalle zu nähern.
Max kam auf mich zu und schaute über seine Schulter zu dem kalkweißen Torres. „Dafür, dass du diese Position nie einnehmen wolltest, bist du beinahe angsteinflößender als dein Vater."
Mit mahlendem Kiefer schaute ich über meine Schulter zu dem noch immer versteinerten Polizisten und dann direkt in Max' Gesicht. Seit der Sache in Russland hatten wir beschlossen, die Höflichkeiten abzulegen und uns zu duzen. Er arbeitete schon so viele Jahre für mich und war mittlerweile mehr Freund als Angestellter.
„Ich habe auch nie behauptet, es nicht zu können. Ich mag es nur nicht so mit Leuten zu reden", zuckte ich mit den Schultern. Als Boss einer so großen Organisation musste ich aufzeigen, wer das Sagen hatte. Wohingegen ich als Boss meiner Firma jeden auf Augenhöhe und niemals herablassend behandelte. Ich hatte zwar eine kühle Seite und war mir meiner Dominanz sehr wohl bewusst, aber ich bedrohte für gewöhnlich niemanden.
„Ich habe mit einen der Forensiker gesprochen", wechselte Max das Thema. „Die Opfer waren alle schon vor dem Feuer tot und wurden erschossen. Es gab offenbar keine Nahkämpfe, weshalb davon ausgegangen wird, dass mehrere Scharfschützen dafür verantwortlich waren."
„Und das Feuer? Das wurde gelegt, um die Spuren zu verwischen, die sie nicht hinterlassen haben?"
„Ergibt keinen Sinn, ich weiß. Die Ermittlungen laufen noch. Sobald diese abgeschlossen sind, wissen wir vielleicht mehr."
Ich schüttelte genervt den Kopf und betrat die Lagerhalle. Mir reichten diese Informationen nicht! Irgendwas musste doch darauf hindeuten, worauf unsere Gegner aus waren. Aktuell ergab das Bild keinerlei Sinn und ich befürchtete, dass das erst der Anfang war.
Mit langsamen Schritten ging ich über den Betonboden, bis ans andere Ende der Halle. Außer einigen verkohlten Überresten gab es nichts. Mein Handy klingelte. Der Ton hallte von den kahlen Wänden wider. Sofort nahm ich das Smartphone aus dem Jackett und flüchtete weitere schlechte Nachrichten. Vor allem als ich sah, wer anrief.
„Demjan", nahm ich den Anruf meines Bruders entgegen.
„Kaum überlässt man dir die Führung, werden mehrere Lager zerstört und etliche Männer getötet", verspottete er mich.
„Willst du was Bestimmtes von mir? Ich habe, wie du dir denken kannst, Besseres zu tun."
„Warum so schlecht gelaunt?", lachte er dreckig, weshalb ich das Handy fester umgriff. „Ach warte, liegt vielleicht daran, dass du auf ganzer Linie verkackst und ich weitaus mehr weiß als du."
„Die nächste Kugel, die ich in deine Richtung abfeuere, trifft deinen Kopf, wenn du nicht aufhörst, mich abzufucken", knurrte ich wütend in den Lautsprecher.
„Okay, zwei Worte und ich habe deine ungeteilte Aufmerksamkeit", meinte er selbstsicher, weshalb ich einfach nur wartete. „Scarlett MacKenzie."
Ich stieß laut die Luft aus, sah mich in der Lagerhalle flüchtig um und ging weitere Schritte von all dem Trubel weg.
„Was ist mit ihr?", fragte ich gedämpft. Zwischen all dem Chaos mit Sky und der Bruderschaft hatte ich die Suche nach ihre Mutter vernachlässigt. Aber offenbar war Demjan in der Hinsicht fleißiger als ich.
„Wusstest du, dass sie vor Sky bereits ein uneheliches Kind bekommen hatte?" In Gedanken beantwortete ich seine Frage mit Ja, denn Sky hatte mir am Tag zuvor davon erzählt. „Jetzt rate mal, bei wem dieses Kind groß geworden ist. Bei Scarlett nicht, da die wie vom Erdboden verschluckt ist."
„Artjom", raunte ich fassungslos. Es konnte nur er gewesen sein! „Er hat den ersten Sohn von Scarlett aus Liebe zu ihr aufgenommen, was ihn somit zum Ältesten der Nachkommen macht", dachte ich laut.
„Jetzt hast du deinen Übeltäter. Anscheinend erhebt noch ein Dritter das Recht darauf, der Nachkomme der Bratva zu sein. Gern geschehen, Bruder."
„Du denkst also der Halbbruder von Sky steckt hinter allem?", hakte ich nach. Sie war bei ihrer Tante und hatte offenbar einige Informationen bekommen, die sie mir jedoch verschwieg.
Nur warum verschwieg sie es mir? Wegen Stenja!? Das Bild in meinem Kopf wurde langsam klarer.
„Ich denke, dein kleines Vögelchen hat die Antworten auf deine Fragen."
„Dann wird es an der Zeit, das Vögelchen zum Singen zu bringen", sinnierte ich verheißungsvoll.
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Nun ist die Katze wohl aus dem Sack 😱
Was glaubt ihr, was Yonathan mit Sky anstellen wird?
Ob Sky ihm wirklich die Wahrheit sagen wird?
Freue mich auf euer Feedback ❤️🫶🏻
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