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Es war schon lange dunkel, als Eath die Trainingshalle betrat und Crave entdeckte. Er konnte ihn zwar nicht sehen, da sein Freund sich in Dunkelheit gehüllt und eine Feuermauer um sich errichtet hatte, aber mehr brauchte es auch nicht, um ihn zu erkennen. 

„Ist schon etwas spät für ... was auch immer du da tust. Das weißt du, oder?", fragte Eath und lehnte sich gegen die Wand in seinem Rücken. Mit verschränkten Armen beobachtete er, wie das Feuer allmählich verschwand und die Dunkelheit Crave freigab. Wie erwartet zeichnete sich nicht das leiseste Lächeln auf Craves Gesicht ab. Ein nächtliches Training konnte entweder bedeuten, dass ihn etwas beschäftigte, oder dass er die Zeit vergessen hatte. Letzteres schloss Eath jedoch sofort aus. 

„Ich trainiere. Offensichtlich", erwiderte Crave trocken, formte daraufhin Messer aus Feuer und schleuderte sie in Richtung der gegenüberliegenden Wand. Bevor sie diese jedoch erreichen konnten, verpufften sie, als wären sie nie da gewesen. 

„Und was genau ist der Grund für dein Training? Nachts?" Eath wusste, dass er sich auf dünnem Eis bewegte. Ein falsches Wort und Crave würde dicht machen. Er war niemand, der einfach so über seine Gefühle und Probleme sprach. Und wenn er die Möglichkeit sah, dies zu umgehen, so war dies oftmals sein präferierter Weg. 

Zuerst blieb Crave regungslos stehen, dann, langsam, drehte er sich zu Eath um und sah diesen misstrauisch an. „Seit wann brauche ich einen Grund, um in Form zu bleiben? Wir leben in gefährlichen Zeiten, da kann ein Training mehr nicht schaden."

Ein Haufen Scheiße. Das war es, was Eath gerade aufgetischt bekam, daran zweifelte er nicht für eine Sekunde. Dafür kannte er den Mann vor sich einfach schon zu lange. 

„Was hast du die letzten Tage so getrieben?", wechselte Eath das Thema. Wenn er einfach direkt nach dem Problem fragte, würde er keine zufriedenstellende Antwort erhalten. Also würde er es über zehn Ecken versuchen. 

Überraschenderweise zuckte Craves Mundwinkel für einen Moment, doch sofort verbarg er das aufkeimende Lächeln. „Das Übliche." Er zuckte mit den Schultern. „Es war nicht viel los, Vater war wie immer schwer beschäftigt, du warst unterwegs, Prijan-"

„Hat neue Bekanntschaften geschlossen?", vollendete Eath seinen Satz, doch erntete nur einen fragenden Blick von Crave. 

„Hat er dir nicht von seiner Unterhaltung mit Allyra erzählt?" 

„Und sie hat es dir erzählt, schätze ich?", mutmaßte Crave. Er wusste genau, dass Eath und Prijan kein Wort miteinander gesprochen hatten. Erst recht nicht über so etwas. "Wie war denn euer Abend gestern? Oder eure Nacht? Ich habe euch zu ihrem Zimmer laufen sehen", fügte er dann hinzu und die minimale Veränderung in seinem Ton – es war nur eine Nuance – verriet Eath, was er wissen wollte. Das war das Problem. 

„Wir haben gemeinsam zu Abend gegessen. Es war schön." Eath würde seinem Freund nicht von dem Kuss erzählen und auch nicht von den fünf weiteren, die auf den ersten gefolgt waren.

Ein kurzes Aufblitzen in Craves Augen offenbarte, dass Eath richtig geraten hatte. Auf irgendeine Weise beschäftigte ihn dieses Thema. Und egal welche Weise es war – es gefiel Eath nicht. „Und nein, wir haben nicht miteinander-"

„Miteinander geschlafen? Wow, Eath, ich hätte wirklich nicht gedacht, dass du ein solcher Kavalier sein kannst, der nicht direkt beim ersten Treffen mit einer Frau ins Bett steigt." Craves Stimme triefte nur so vor Sarkasmus. Aber das war es gar nicht, das Eaths Aufmerksamkeit erweckte – an die gelegentlichen Sticheleien zwischen seinem Freund und sich war er gewöhnt. Es war der Hauch der Erleichterung, der in Craves Worten mitgeschwungen hatte, der Eath eine Hand zur Faust ballen ließ. Und das entging Crave nicht, dafür war er ein viel zu guter Beobachter. „Oder war es gar nicht das erste Treffen?"

Für einen Moment überlegte Eath tatsächlich, ihn anzulügen. Und er konnte sich nicht daran erinnern, wann er das letzte Mal einen solchen Gedanken gehabt hatte.  „Das war es. Aber bestimmt nicht das Letzte." Er konnte sich diese Bemerkung einfach nicht verkneifen, alles in ihm schrie förmlich danach, Crave zu sagen, dass das mit Allyra keine einmalige Sache gewesen war. 

Ein humorloses Auflachen entwich Crave. „Gar nicht so einfach, sich von ihr fernzuhalten, was?"

Es hätte eine einfache, bedeutungslose Floskel sein können. Aber Eath wusste, dass es das nicht war und das ließ sämtliche Alarmglocken bei ihm läuten. „Was meinst du damit?" 

Crave war wie ein Bruder für ihn. Ein Bruder, der Thoan nie hatte sein können. Sie hatten zusammen so viel durchgestanden; Crave war für ihn dagewesen, als seine Mutter gestorben war, hatte mit ihm jede Prügelei bewältigt, war bei jedem aussichtslosen Plan hinter ihm gestanden  ... und nun schaffte es eine Frau, gerade eine Frau, dunkle Wolken über ihrem Verhältnis aufziehen zu lassen. Und es war nur eine Frage der Zeit, bis das Gewitter ausbrechen würde. 

„Du solltest wirklich damit aufhören, in jedes Wort so viel hinein zu interpretieren. Ich weiß doch, dass sie dir etwas bedeutet. Ich wusste es bereits, als ich euch das erste Mal zusammen gesehen habe. So hast du eine Frau noch nie angesehen."

Für eine Weile herrschte Stille in der Halle. Es war so leise, dass man eine Stecknadel herunterfallen hätte hören können. 

Dann seufzte Eath. „Das stimmt. Sie bedeutet mir etwas. Aber ich habe sie jahrelang durch ihr Leben begleitet, habe auf sie aufgepasst. Bei dir hingegen hat es nur eine einzige Begegnung gebraucht, um sie anzusehen wie keine andere Frau zuvor."

Crave schnaubte. „Du siehst Geister, Eath."

„Ist das so? Oder sagst du das nur, um einer Konfrontation zu entfliehen, auf die du keine Lust hast?" Das war der Moment, in dem Eath begriff, dass er Crave, was Allyra betraf, nicht vertraute. Und das machte ihm auf eine Art und Weise Angst, die er nicht kannte. Mit der er nicht umgehen konnte. 

„Was willst du von mir hören, damit du mich mit deinen unbegründeten Vermutungen in Ruhe lässt? Dass ihr meinen Segen habt?", fragte Crave und die aufkeimende Wut war ihm ins Gesicht geschrieben. „Den habt ihr. Seid zusammen, werdet glücklich, bei Recáh, meinetwegen heiratet und gründet eine Familie. Ich habe absolut kein Problem damit." 

Manchmal war es alles andere als einfach, Crave einzuschätzen. Sagte er die Wahrheit? Log er? Einerseits war sich Eath sicher, dass er sich das, was er in Craves Blick und Verhalten gesehen hatte, nicht eingebildet haben konnte. Aber andererseits ... war es einfach zu verlockend, ihm zu glauben. 

„Verflucht", zischte Eath und fuhr sich gestresst durch die Haare. „Ich will nicht mir dir streiten, Crave. Nicht deswegen. Es ist nur ... es ist kompliziert, verstehst du?" Er hätte niemals damit gerechnet, dass Allyra die Frau sein würde, die solche Gefühle in ihm wecken würde. Aber nun war es so und er konnte sich nicht dagegen wehren. Ja, er wollte sich auch gar nicht dagegen wehren. 

Crave kam näher und legte eine Hand auf Eaths Schulter, bevor er leicht zudrückte. „Glaub mir, wenn jemand versteht, wie kompliziert alles ist, dann ich." Ein Lächeln umspielte seine Lippen, aber Eath sah, dass es nicht das widerspiegelte, was sein Freund empfand. Er wollte diesen Streit einfach nur genauso sehr umgehen wie Eath. 

„Du kannst dich mit ihr treffen so viel du willst. Oder sie will. Ich werde euch nicht im Weg stehen", versicherte Crave ihm, nun deutlich ruhiger als zuvor. 

„Wie fühlt es sich an? Könnt ihr es spüren? Das, was auch immer euch verbindet?", konnte Eath es sich dann doch nicht verkneifen nachzufragen. Der Gedanke daran, dass Allya mit einem anderen Mann – und dann auch noch mit seinem besten Freund – eine Verbindung hatte, die durch das Schicksal geknüpft worden war, störte ihn. Es war, als würde immer irgendetwas zwischen ihm und der Frau stehen, an die er allmählich sein Herz verlor. Und das war das Letzte, was er wollte. 

„Es ist anders, als man es sich vorstellt", erwiderte Crave, nachdem er eine Weile darüber nachgedacht hatte. „Man kann es schwer in Worte fassen. Es ist kein wirkliches Band zwischen uns, keine richtige Verbindung, mehr wie ein ... ach, keine Ahnung, es ist nicht wichtig, Eath. Es hat keine Bedeutung."

Wahrscheinlich wäre es besser gewesen, wenn er es dabei belassen hätte, aber trotzdem fragte Eath noch einmal nach: „Mehr wie ein was?"

Crave zögerte. Aber dann schaute er ihm in die Augen, sah nicht für einen Moment weg, während er sagte: „Es erinnert an einen leichten Sommerwind, an das Gefühl, wenn es viel zu heiß ist und die ersten Regentropen deine Haut berühren. Und manchmal ist es wie ein Sturm, dem man nicht entfliehen kann."

„Dem man nicht entfliehen kann oder dem man nicht entfliehen will?", hakte Eath nach. Die Bitterkeit in seiner Stimme konnte er kaum verbergen. Und selbst wenn es ihm gelungen wäre, Crave hätte es an seinem Blick erkannt. Er hätte es ihm nicht sagen sollen, er hätte einfach die Klappe halten müssen. 

„Reiß dich zusammen, Eath. Dieses Mädchen ist mit dir ausgegangen, nicht mit mir. Sie soll sich von mir fernhalten, nicht von dir. Offensichtlich hat sie etwas für dich übrig und nicht für mich. Also reiß dich verdammt nochmal zusammen und krieg deine Eifersucht in den Griff. Weder sie noch ich können etwas für diesen ganzen Götterscheiß. Wir halten Abstand, also selbst wenn es einen Grund für deine Zweifel gäbe – er wäre nicht von Belang."

Crave hatte recht. Eathiran war eifersüchtig und es war ein furchtbares Gefühl. 

„Warum beschäftigt es dich dann so, dass ich mit ihr den Abend verbracht habe? Und lüg mich nicht an, ich weiß, dass du hier bist, um den Kopf frei zu kriegen." Das war er, das war der direkte Weg. Und wie erwartet, war es nicht unbedingt der beste.

„Du weißt, wie viel du mir bedeutest, Eath", sagte Crave mit gesenkter, ruhiger Stimme. „Und ich habe Verständnis dafür, dass du gerade mit ... deinen Gefühlen klarkommen musst. Aber du solltest dich in diesem Fall wirklich um deinen eigenen Scheiß kümmern. Es hat nicht immer alles mit Allyra oder dir zu tun. Manchmal muss ich einfach etwas Dampf ablassen. Ohne besonderen Grund."

Er log. Und sie wussten es beide. 

Aber nun war es zu spät, es würde keinen Sinn machen, weiter darüber zu sprechen. Es würde eskalieren und so weit sollte es nicht kommen. Also schwieg Eath und seine stumme Antwort war genug, um Crave wissen zu lassen, dass diese Diskussion für den Moment beendet war. 

„Hast du in letzter Zeit was von den Glyth gehört?", wollte Crave nun wissen und obwohl die Glyth nicht gerade ein viel erfreulicheres Thema waren, war Eath erleichtert, darüber sprechen zu können. Das fiel ihm nämlich definitiv einfacher – und Crave auch. 

„Nein. Es ist auffällig ruhig. Ich hätte eher damit gerechnet, dass Thoan einen Tag später vor Nydras Toren stehen würde. Nach unserem Treffen im Wald hat er mich nicht verfolgt, er weiß, dass ich es gemerkt und ihn ganz bestimmt nicht zu Allyra geführt hätte. Aber ich bin sicher, dass er dennoch weiß, wo wir sie hingebracht haben. Ich weiß nicht, was er plant. Ob er überhaupt etwas plant. Aber ich traue ihm nicht zu, einfach so aufzugeben. Dafür will er sie zu sehr."

„Denkst du, wir sollten etwas unternehmen? Ein paar Leute losschicken, damit sie ein Auge auf die Situation werfen können?", schlug Crave vor. Es war selten gut, wenn zu wenig geschah, wenn zu wenig Widerstand geleistet wurde. Das erinnerte viel zu sehr an die Ruhe vor dem Sturm. 

„Nein", schüttelte Eath den Kopf, „ich denke, das ist erst mal nicht nötig – außerdem würde er es merken, Cadowyn würde ihm Bescheid geben. Aber wir sollten aufpassen. Ich werde mit Argmis reden, vielleicht ist es eine gute Idee, mehr Wachen an den Toren und am Königshaus zu platzieren. Wenigstens hier sollte Allyra in Sicherheit sein können."

Crave nickte zustimmend, bevor er doch tatsächlich lachte. "Wäre Cadowyn nicht ein Teil von Thoans kleiner Truppe, hätte ich den Schwachkopf vielleicht sogar mögen können. Aber Thoan ... oh man, ich hasse den Kerl." 

„Glaub mir, wenn es nach mir ginge, hätten wir ihm schon längst eine Lektion erteilt", murmelte Eath, aber musste dann auch grinsen. „Du hättest ihn sehen müssen. Er ist unserem Vater so verdammt ähnlich. Man merkt richtig, wie sehr er ihm nacheifert. Es ist lächerlich."

Obwohl sie sich darüber lustig machten, wusste Crave, wie viel es Eath bedeutete, nicht so zu sein wie sein Vater. Er wusste, warum Eath es so genoss, dass der König seinen Wert erkannte. Warum er sich so sehr nach einer Vaterfigur sehnte, die ihm das geben konnte, was er nie erhalten hatte. Und obwohl er diese Figur in Craves Vater gefunden hatte, gönnte der Prinz es ihm. Aus ganzem Herzen. 

„Deine Mutter wäre stolz auf dich, mein Freund", flüsterte Crave und bekam ein dankbares Nicken als Antwort. Eath hatte nicht viele Wünsche, aber einer davon war, seine Mutter nicht zu enttäuschen. Niemals.  Völlig egal, ob sie noch da war oder nicht.

Es war ein nervenaufreibendes Gespräch gewesen. Und Eath wusste, dass die Spannung, die zwischen ihnen herrschte, nicht einfach verschwunden war. Aber er hoffte, dass sie sich mit der Zeit verflüchtigen würde. Und als Crave sich in die Mitte der Halle stellte, sich zu ihm drehte und die folgenden Worte an ihn richtete, wusste Eath, dass sie es schaffen konnten. Die Freundschaft, die sie verband, konnte die Differenzen zwischen ihnen überstehen.

„Na los, stell dich gefälligst hin, damit ich dir zeigen kann, wie man jemandem eine Abreibung verpasst."

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MEINE GÖNNER-PHASE GEHT WEITER FREUNDE

Nein Spaß, aber ich denke man merkt, dass ich dieses Buch im September beenden möchte lol

Statt einer Frage, dürft ihr euch in diesem Kapitel Shipnames ausdenken, weil ich unfähig bin und so etwas nicht kann, aber ständig danach gefragt werde, also give me your creativity Leute 

Bis zum nächsten Kapitel! (Das bestimmt nicht lange auf sich warten lässt hehe)

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