17


Das Erste, was ich sah, war der riesige Schreibtisch auf der linken Seite des Raums. Dann betrachtete ich das große Bett mit den schwarzen Laken, das aussah, als hätte man es noch nie benutzt. Und als allerletztes fiel mein Blick auf den Mann, der es sich in der rechten Hälfte des Zimmers auf einem der zwei dunkelgrünen Sessel in der Nähe der Fenster gemütlich gemacht hatte und mich mit einem Lächeln betrachtete, das mir einen Schauer über den Rücken laufen ließ.

Mein Herz pochte viel zu laut in meiner Brust. Ich hatte ihn schon mal gesehen. Vor vielleicht zehn Minuten.

Und ich steckte so dermaßen in der Scheiße.

„Komm ruhig rein. Wenn du schon so gekonnt in mein Zimmer einbrichst, mach es dir wenigstens gemütlich." Ich hatte nicht erwartet, dass seine Stimme so sein würde, wie sie war. So seidig, tief und... mächtig. So verdammt männlich. Da war Thoans Stimme, die ich einst als beeindruckend empfunden hatte, gar nichts dagegen.

Als ich den Mann neben Jiva gesehen hatte, hatte ich sofort den Eindruck gewonnen, dass er nicht einfach irgendjemand war. Und Sacros' Reaktion nach zu urteilen, hatte ich recht.

Ich rührte mich nicht vom Fleck.

„Na gut. Dann sag mir wenigstens, wie ich dir helfen kann. Hat wahrscheinlich einen Grund, dass du hier bist", fuhr er fort, als keine Antwort von mir kam. Seine dunklen Brauen hoben sich belustigt, während er mich nicht für einen Moment aus seinen grauen Augen ließ, die mich an einen tosenden Sturm erinnerten. Es war mir ebenfalls nicht entgangen, wie er mich akribisch gemustert hatte. Jeden Zentimeter meiner Person.

Machte er sich über mich lustig?

„Es hat etwas Unheimliches", rutschte es mir dann plötzlich heraus und am liebsten hätte ich mir eine verpasst. Warum konnte ich nicht einfach den Mund halten?

Nun wuchs das Interesse in seinem Blick natürlich weiter an. „Was genau?"

Ich schluckte. Jetzt machte es auch keinen Unterschied mehr...

„Erwachsene Männer, die sich während einer Feier alleine in ihrem dunklen Zimmer verkriechen und dann tatenlos und hellwach in einem Sessel sitzen." Dann fügte ich noch schnell hinzu: „Aber nehmen Sie das nicht persönlich."

Zu meiner Überraschung verformte sich sein Lächeln zu einem Grinsen. „Aber nein, würde mir nicht im Traum einfallen." Er erhob sich so geschickt und elegant aus dem Sessel, wie es mir nie im Leben möglich gewesen wäre. Als er zwei Schritte auf mich zu machte, ermahnte ich mich, nicht zurückzuweichen. Ich steckte zwar in der Klemme, aber ich musste ihm nicht auch noch zeigen, dass er mich einschüchterte.

Verwirrt stellte ich fest, dass es tatsächlich das Einzige war, was ich empfand: Ich war zwar eingeschüchtert, aber ich hatte keine Angst. Ich fürchtete diesen Mann nicht. Und ich war mir sicher, dass das äußerst dumm war.

„Das Licht war aus, weil ich es nicht brauche."

Ich runzelte die Stirn. Was meinte er damit?

„Dunkelheit beeinträchtigt mein Sehen nicht", erklärte er weiter. Ich brauchte einen Moment, um zu verstehen, was er mir damit gerade offenbart hatte. Mein Herzschlag setzte aus.

Ich steckte nicht einfach nur in der Scheiße. Ich versank in ihr. Immer und immer weiter.

Dieser Mann war offensichtlich ein Astóric. Er musste einer sein. Das erklärte auch sein gesamtes Auftreten. Seine kontrollierten Bewegungen, die Kraft, die er ausstrahlte. Es passte alles zusammen.

Er machte noch einen Schritt in meine Richtung. Und für eine kurze, flüchtige Sekunde wollte auch ich auf ihn zu gehen. Doch sofort verwarf ich diesen hirnrissigen Gedanken.

„Wie wäre es mit einem Deal?", fragte er plötzlich und sein Mundwinkel hob sich verdächtig an.

Misstrauisch beäugte ich ihn. Er war mir nicht geheuer. Alles an ihm verriet mir, dass ich verschwinden sollte. Dass es die bessere, die sicherere Variante wäre, um dieser Situation zu entfliehen. Definitiv sollte ich nicht mit ihm sprechen...und erst recht keinen Deal mit ihm eingehen.

Ich fragte mich, wann er hier hoch gekommen war. Kurz bevor ich den Festsaal verlassen hatte, hatte ich ihn noch bei Jiva stehen sehen. Das hieß, er musste entweder gegangen sein, als Ceszias Angestellter meine Aufmerksamkeit von ihm genommen hatte oder kurz nach mir.

Ich wusste doch, dass ich nicht so viel Glück haben konnte mit diesem Abend. Mein Gefühl von heute Morgen hatte sich bewahrheitet: Irgendetwas musste einfach immer schief laufen.

„Ich weiß nicht, ob das so schlau wäre. Sie wissen schon...einen Deal mit dem unheimlichen Mann aus der Dunkelheit einzugehen."

Ein leises, tiefes Lachen erfüllte den Raum und war verantwortlich für die Gänsehaut, die sich über meinen Körper schlich.

„Dann sind wir ja schon zwei. Ich bezweifle nämlich auch, dass es allzu schlau ist, mit einer Einbrecherin zu verhandeln."

Ich befürchtete, dass er die leichte Röte, die mir in die Wangen stieg, sehen konnte. Doch glücklicherweise hatte er wohl nicht vor, diesen Umstand gegen mich zu verwenden. Stattdessen sagte er: „Wenn du mir verrätst, was du hier zu finden gehofft hast, werde ich versuchen, dir zu helfen."

Das sollte der Deal sein? Wo war sein Vorteil bei der ganzen Sache, wenn er mir im Endeffekt sowieso helfen würde, das zu kriegen, was ich wollte? Und es musste einen Vorteil für ihn geben. Ich war nicht so naiv zu denken, dass er diesen Deal aus Nettigkeit mit mir eingehen wollte.

„Was haben Sie davon?", fragte ich also und kniff dabei unwillkürlich die Augen zusammen. Er sollte ruhig wissen, dass ich ihm nicht traute. Dass ich nicht so dumm war.

„Ich werde etwas über dich wissen, das höchstwahrscheinlich niemand wissen sollte. Sonst wärst du kaum während eines Festes hier hochgekommen, um in ein fremdes Zimmer einzubrechen, statt die Gesellschaft unten zu genießen."

Er würde Macht über mich haben, natürlich. Er könnte Jiva davon erzählen. Diese könnte es an Ceszia weitergeben. Und letztendlich würde diese ganze Geschichte auch bei Thoan ankommen. Und dann würde ich wohl oder übel in Erklärungsnot geraten. Mehr Vertrauen verlieren. Meine Chancen auf Freiheit mindern.

Das war keine Option. So hätte ich wenigstens noch die Chance, mir irgendeine Ausrede einfallen zu lassen, in Richtung: 'Oh, was? Falsches Zimmer? Ich muss wohl das Stockwerk verwechselt haben!'

„Dann hat es mich gefreut, Sie kennengelernt zu haben. Aber ich denke, ich muss jetzt gehen." Ich war schon drauf und dran, auf dem Absatz kehrt zu machen, doch sofort stoppte er mich.

„Warte."

Mit langsamem, geschmeidigem Gang lief er durch das Zimmer, bis er sich schließlich an den Tisch auf der linken Seite des Raumes anlehnen konnte. Dann verschränkte er die Arme vor der Brust.

War das jetzt der Moment, in dem er mir drohen würde, mich zu verraten? Mich an Ceszia und die anderen zu verpfeifen?

„Wenn du jetzt gehst, wird derjenige, der gerade im Gang umherstreift, dich sehen. Du solltest etwas warten, wenn du nicht erwischt werden willst, wie du aus meinem Zimmer kommst." Ein verschmitztes Grinsen bildete sich auf seinen Lippen. „Außer natürlich, du möchtest einen gewissen Eindruck erwecken..."

Ich verbarg die Überraschung darüber, dass er versuchte, mir zu helfen, statt mir zu schaden. Irgendwie lief hier irgendetwas falsch. Ich konnte nur noch nicht sagen, was genau.

„Woher wissen Sie, dass jemand dort draußen ist?" Ich schluckte nervös. Wenn es Sacros war...oder noch schlimmer...vielleicht war es Thoan? Wenn es Letzterer war, konnte es sich nur noch um Minuten, vielleicht sogar nur Sekunden handeln, bis er mich finden würde. War ich wirklich schon so lange weg? Ich konnte überhaupt nicht einschätzen, wie viel Zeit vergangen sein musste, seit ich mich aufs hypothetische Klo verabschiedet hatte.

„Das Licht einiger Lampen wurde entzündet. Dadurch wurde die Dunkelheit in meiner Umgebung geschmälert. Ich kann es spüren."

Verdammt. Er sagte die Wahrheit. Nichts als die Wahrheit.

„Na gut. Dann bleibe ich eben noch." Ich tat es ihm gleich und verschränkte meine Arme. Dann ließ ich meinen Blick durch das gesamte Zimmer schweifen, nur, um ihn nicht ansehen zu müssen.

„Klar, tu das. Mit größtem Vergnügen stelle ich dir mein Zimmer zur Verfügung. Ist ja nicht so, als wärst du sowieso hier eingebrochen..."

„Oh Mann, alles klar, wir haben's verstanden. Ja, ich bin eingebrochen. Tut mir leid. Können wir das jetzt hinter uns lassen?", entgegnete ich genervt. Erst nachdem die Worte meinen Mund verlassen hatten, dachte ich darüber nach, dass ich nicht in der besten Position war, um die Genervte zu sein. Immerhin hatte er ja recht. Ich war in sein Zimmer eingebrochen und wollte eigentlich etwas mitgehen lassen.

Mit hochgezogenen Augenbrauen betrachtete er mich. „Wow, ich kann die Reue in deiner Stimme fast schon spüren. Da bin ich ja nahezu gezwungen, dir zu verzeihen..."

Ironie. Großartig.

„Warum verpfeifen Sie mich nicht einfach?", fragte ich ihn schließlich das, was mir am meisten Bedenken bereitete und ignorierte seine Stichelei. Warum nur schien es ihm kaum etwas auszumachen, dass ich ohne Erlaubnis hier war? Wer war dieser Mann?

Er antwortete mir nicht sofort. Er sah aus wie jemand, der gerade darüber nachdachte, ob es schlau wäre, all sein Wissen preiszugeben. Oder ob es sicherer wäre, bei Bruchstücken zu bleiben, die mich nie das große Ganze sehen lassen würden.

„Was hätte ich davon?", entgegnete er und betrachtete mich dabei mit solch intensivem Blick, als würde er jede Reaktion meinerseits auffangen wollen.

Ich zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung." Dann murmelte ich: „Wahrscheinlich würde Thoan vor Dankbarkeit platzen..."

Ich hatte nicht erwartet, dass er meinen Kommentar hören würde. Doch er überraschte mich, als er humorlos auflachte und sagte: „Glaub mir, es gibt nichts, was mir weniger bedeutet als die Dankbarkeit dieses Glyths." Ich zog die Augenbrauen zusammen. Thoan und er kannten sich? „Und du solltest lieber besser darauf achten, mit wem du dich abgibst."

Er wusste also nicht nur, wer Thoan war. Er hatte auch Kenntnis darüber, dass ich zu den Glyth gehörte. Oder jedenfalls mit ihnen hier war.

„Oh, Sie meinen zwielichtige Gestalten aus dunklen Zimmern? Ja, habe auch schon gehört, dass man da lieber Abstand halten sollte." Ich wusste auch nicht so recht, woher ich den Mut nahm, so mit ihm zu sprechen. Vielleicht war es besser, dass ich nicht wusste, wer genau er war. Das würde meinen Umgangston höchstwahrscheinlich gleich zehn Mal so schlimm erscheinen lassen. So konnte ich wenigstens noch so tun, als sei er mir ebenbürtig. Abgesehen von der Astóric-Sache natürlich...

Er kam auf mich zu, kam mir so nah, dass uns kaum noch eine Armlänge mehr trennte. Ich rührte mich nicht und wich auch nicht seinem stechenden Blick aus.

„Ich muss zugeben, ich bin überrascht", sagte er fast flüsternd. „In meiner Vorstellung warst du immer ein unschuldiges, ruhiges und überfreundliches Mädchen, das versucht, mit ihrer Güte eine bessere Welt zu schaffen."

Wovon sprach der Typ? Was meinte er mit 'in meiner Vorstellung'?

„Nun stellt sich heraus, dass die Trägerin der Gabe eine kleine Einbrecherin ist, die nicht nur vor Misstrauen strotzt, sondern auch ihr freches Mundwerk nur allzu gut beherrscht." Obwohl ich die amüsierten Funken in seinen Augen sehen konnte, blieb sein Ausdruck durchweg ernst.

„Offensichtlich ist nicht alles wahr, was man sich erzählt. Auch Riscéas Erbe bleibt nicht verschont von Finsternis. Ich kann sie sehen, weißt du? Die zarte Dunkelheit, die dein Wesen umgibt."

Er machte eine kurze Pause. „Es ist schöner, als man glaubt."

Je mehr er sagte, desto mehr verwirrte er mich. Dieser Mann wusste so viel mehr über mich als ich über ihn. Er wusste von meiner Gabe, wusste von den Glyth, wusste offensichtlich mehr über mein Inneres als die meisten anderen. Und das verunsicherte mich so sehr, dass ich nichts anderes tun konnte, als ihn einfach nur anzustarren.

Ich sah, wie er eine Hand ausstreckte. Ich wusste, was passieren würde, doch nichts in mir, absolut gar nichts, wollte etwas dagegen unternehmen. Stattdessen wartete ich ab, bis seine Fingerspitzen sanft über meinen Handrücken strichen. Es fühlte sich an, als würde meine Haut in Flammen aufgehen.

Sofort zuckte ich zurück und räusperte mich. Was auch immer das war, was auch immer da passierte, es musste aufhören.

„Du wolltest das Buch, nicht wahr?" Ich sah auf und versuchte meine Atmung, die für einen kurzen Moment aus dem Rhythmus gekommen war, unter Kontrolle zu bekommen. Hatte er die ganze Zeit gewusst, was ich hier suchen wollte?

Ich antwortete nicht.

Er drehte sich um und ging Richtung Bett, an dessen Seite eine braune Stofftasche angelehnt war.

„Ich schätze mal, Yila hat dir davon erzählt." Ich konnte sein Gesicht nicht sehen, doch es hörte sich so an, als würde er über diese Feststellung schmunzeln. „Es ist faszinierend, wie das Leben mit uns spielt, findest du nicht? Du hättest jedes andere Dienstmädchen zugeteilt bekommen können. Und kriegst gerade Yila. Die Einzige hier, die weiß, dass ich dieses Buch besitze."

Sorge machte sich in mir breit. Würde Yilana in Schwierigkeiten kommen? Ich musste etwas sagen, musste sie verteidigen.

„Sie hat nicht -"

Er unterbrach mich und holte ein unscheinbares Buch aus der Tasche hervor, bevor er sich mir zuwandte.

„Auch wenn dieses Mädchen lernen sollte, Geheimnisse für sich zu behalten – wobei sie das ausgesprochen lange geschafft hat - brauchst du dir keine Gedanken zu machen. Ich bin zwar nicht begeistert, dass sie dir davon erzählt hat, aber sie hat nichts zu befürchten."

Wieder sagte er die Wahrheit und um ehrlich zu sein, erleichterten mich seine Worte mehr, als sie es vielleicht tun sollten.

Ich wurde nicht schlau aus diesem Mann. Er schien so viele Facetten an sich zu haben, dass ich einfach kein Gesamtbild zusammensetzen konnte. Ich merkte, dass ich anderes erwartet hatte, als ich ihn in seinem Sessel sitzend vorgefunden hatte. Er hätte...herzloser sein müssen.

„Hier." Er kam auf mich zu und streckte mir das Buch entgegen. Ich zögerte. Sollte ich es wirklich nehmen? War das irgendein Trick, den ich einfach noch nicht verstanden hatte? So hatte ich mir die Suche nach dem Buch nämlich nicht vorgestellt. Aber jetzt war ich so nah dran, es zu kriegen. Und es wäre gelogen, wenn ich behaupten würde, es sei nicht verlockend, auf sein großzügiges Angebot einzugehen.

„Sie wollen es mir überlassen? Einfach so, ohne Gegenleistung?", fragte ich skeptisch.

Bevor ich es hätte verhindern können, packte er mein Handgelenk – bestimmt, doch sanft – und legte mir das Buch in die Hand. Er wartete, bis ich es sicher umschloss und ließ mich dann mit einem fast nicht wahrnehmbarem Zögern los. Am liebsten hätte ich mir über die Stelle gerieben, an der er mich berührt hatte. Es kribbelte, fühlte sich an wie tausende, leichte Nadelstiche. Doch ich beherrschte mich.

„Du solltest gehen", sagte er, statt auf meine Frage zu antworten.

Verflucht. Ich musste wirklich gehen. Es war ein Wunder, dass Thoan noch nicht hier aufgetaucht war. Unwillkürlich runzelte ich die Stirn. Sacros musste längst bemerkt haben, dass ich zu lange weg war. Hatte er Thoan nicht Bescheid gegeben?

„Ja, das sollte ich wohl. Ich-" Unbeholfen schweifte mein Blick auf den Boden vor mir. „Danke für das Buch. Und...na ja, Sie wissen schon. Das Nicht-Verpfeifen."

Ich hatte nicht gemerkt, dass er näher gekommen war. Erst als seine Schuhe in meinem Blickfeld auftauchten und seine Finger sich sanft unter mein Kinn legten und mich so zwangen, den Kopf zu heben, realisierte ich, wie nah er wirklich war.

Mit dem unnachgiebigen Sturm in seinen Augen blickte er mich an.

„Das hier war nicht der Plan. Wir hätten uns nie begegnen sollen."

Mein Herz drohte aus meiner Brust zu springen. Ich verstand nicht, wovon er sprach, konnte mich aber auch nicht dazu überwinden, ihn zu unterbrechen.

„Pass gut auf das Buch auf, es gibt nur ein einziges Exemplar. Es ist wertvoller, als du dir vorstellen kannst."

Dann fing er an zu lächeln. „Sollten wir uns eines Tages wiedersehen, gibst du es mir zurück."

Ich schluckte. Wie sollte ich das denn nun interpretieren? Wie wahrscheinlich war es denn, dass wir uns jemals wiedersahen?

„Ich werde daran denken", entgegnete ich flüsternd, da ich meiner Stimme in diesem Moment nicht im Geringsten vertraute.

„Du hast mich gefragt, ob ich es dir ganz ohne Gegenleistung überlasse." Er schwieg für einige Sekunden.

„Deinen Namen. Das ist alles, was ich will."

Ohne darüber nachzudenken, ohne mir auch nur für eine Sekunde Gedanken darüber zu machen, ob vielleicht mehr dahinter stecken könnte, dass er meinen Namen wissen wollte, gab ich ihm das, was er verlangte.

„Allyra." Sein Lächeln wurde breiter. Sein Blick wärmer. Und dann trat er einen Schritt zurück.

Sofort atmete ich tief durch. Ich musste die ganze Zeit über die Luft angehalten haben.

„Es war mir eine Ehre, Allyra. Nächstes Mal...klopf einfach an."

Ich ging.

Ich rannte. Ich floh, um genau zu sein.

Ohne mich auch nur ein einziges Mal umzudrehen oder auch nur ein weiteres Wort an ihn zu richten, hatte ich das Zimmer verlassen und war nach unten gestürmt. Keine Sekunde länger hätte ich es mit diesem Mann auf solch engem Raum ausgehalten. Ich wusste nicht, woran es lag, aber es fühlte sich an, als würde sich mein Inneres zusammenziehen, je näher er mir kam. Fast schon schmerzhaft. Und gleichzeitig war es gewesen, als hätte ein fehlender Teil meiner Seele leibhaftig vor mir gestanden. Auch wenn das völliger Schwachsinn war, brachten mich diese Empfindungen vollkommen durcheinander.

An der Tür zu meinem Zimmer angekommen, blieb ich stehen und atmete einige Male tief ein und aus. Dabei versuchte ich, den Aufruhr, der in mir stattfand, abklingen zu lassen.

Als ich schließlich nicht mehr das Gefühl hatte, jeden Moment zusammenzubrechen, legte ich die Hand auf die Klinke, um die Tür zu öffnen. Bevor ich wieder in den Festsaal gehen würde, musste ich das Buch gut verstecken.

Doch bevor ich dieses Vorhaben umsetzen konnte, wurde ich aufgehalten. Denn kaum hatte ich mein Zimmer betreten, ertönte ein lauter Knall und der Boden unter mir erzitterte. 

◇◇◇

Cliffhanger? Mag ich.

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