| 70 | 𝐂𝐨𝐧𝐧𝐞𝐫
Müde ließ ich mich auf mein Bett fallen und schloss seufzend die Augen. Wie lange war ich schon nicht mehr in meiner eigenen Wohnung gewesen? Offensichtlich sehr lange.
Der Tag war anstrengend und ich genoss die Ruhe. Keinen wütenden Blake, nervige Gangmitglieder oder Kunden, die schlimmer aussehen als jeder Mülleimer! Mein Posten bei den Serpens forderte oft einen hohen Tribut, doch dafür bekam ich viel Kohle.
Aber egal, wie erschöpft ich war und egal, wie lang der Tag war, meine Wohnung fühlte sich einfach nicht wie Heimat an. Ich schlief nur hier. Sonst tat ich hier nichts. Zum Essen war ich oft bei meinen Eltern, aber auch da fühlte ich mich nicht heimisch. Niemand wartete auf mich, niemand begrüßte mich, wenn ich Zuhause war. Und niemand freute sich über meine Anwesenheit. Nur die Dunkelheit und Stille erwartete mich, wenn ich zurückkam.
Ein Scheppern riss mich aus meinen Gedanken!
Sofort war ich wieder hellwach und richtete mich auf. Ich musste immer mit Angriffen rechnen. Als Beta war ich bekannt und hatte neben meinen vielen Freunden auch viele Feinde!
Mein Körper spannte sich an und vorsichtig stand ich vom Bett auf. Automatisch glitt meine rechte Hand zu meiner Pistole, die ich immer dabeihatte. Vorne hatte sie einen Schalldämpfer, immerhin würde ein Schuss in der Nacht unnötige Aufmerksamkeit auf sich ziehen!
Dann hörte ich ein unangenehmes Knacksen und kurze Zeit später, fiel eines meiner Fenster ein. Die Glasscherben verteilten sich auf meinem Boden und ich versteckte mich hinter einer der Wände.
Kurz darauf, hörte ich, wie eine Person auf dem Boden im Flur landete und vernahm leise Schritte. Anschließend gab es noch einen dumpfen Aufprall und ich vermutete eine zweite Person in meinem Flur.
Keine Ahnung, was sie wollten, aber sie kamen nicht mit guten Absichten, so viel war sicher!
Da ich mein Versteck vorerst nicht verlassen wollte, konnte ich mich nur auf mein Gehör verlassen. Aufmerksam verfolgte ich ihre Schritte und ging gedanklich mit, welchen Raum sie betraten. Zu meinem Glück entfernten sie sich und liefen in meine Küche. Anschließend suchten sie die anderen vorderen Räume ab. Offensichtlich suchten sie mich.
„Was machen wir, wenn er nicht hier ist?", hörte ich die leise Stimme von einem der Einbrecher.
Eine Tür wurde geschlossen und der andere antwortete gereizt „Sein Motorrad steht draußen und wir haben ihn reingehen sehen, er muss hier sein!"
Unweigerlich atmete ich schneller. Wer wusste, wie lange sie mich schon beobachtet hatten!
Doch die Sache wurde nicht besser, denn jetzt kamen sie näher. Gleich würden sie um die Ecke zu den Schlafräumen kommen und dann wäre ich dran. Ich atmete noch einmal tief durch und strafte die Schultern. Dann würde ich eben zuerst schießen!
Doch genau in dem Moment, als ich herauskommen und mich verteidigen wollten, durchschnitt ein Schuss die Luft. Nur gedämpft, aber hörbar. Dann ein zweiter! Ich hörte Körper auf den Boden prallen. Und alles war still.
Was sollte ich jetzt machen? Mein Versteck verlassen? Was wenn-
„Conner?"
Ich stockte und meine Augen weiteten sich. Das konnte doch nicht wahr sein! Leichtsinnig verließ ich mein Versteck und kam hinter der Wand hervor. Es war stockdunkel und ich konnte die Person vor mir nicht erkennen, aber anhand ihrer Stimme wusste ich ganz genau wer es war und eins musste ich zugeben, ich war noch nie so froh ihn zu sehen!
Nero stand hinter den beiden toten Männern, die jetzt auf meinem Boden lagen und ihn mit ihrem Blut einsauten.
„Alles okay?", fragte er und kam mir näher.
Unfähig zu sprechen, nickte ich nur und ließ die Hand mit der Waffe sinken. Jetzt, wo er genau vor mir stand und mir ins Gesicht sah, konnte ich ihn auch erkennen. Seine blauen Augen wurden durch das Licht der Laternen draußen erleuchtet und seine helle Haut ebenfalls. Dazu die weißgefärbten Haare und schon sah er aus wie Jack Frost höchstpersönlich!
„Wie hast du? Ich meine...", fing ich an und sah ihn verwirrt in die Augen.
Grinsend zuckte er mit den Schultern. „Ich war dir noch zehn Dollar schuldig."
Fassungslos atmete ich laut aus und sah auf den Boden. Der Kerl hatte manchmal doch einen an der Klatsche! Aber genau Das hatte mir vermutlich gerade den Arsch gerettet! Nur war das sicherlich nicht dem Geld zu verdanken. Sein Auftauchen hatte einen anderen Grund.
„Aber woher wusstest du, dass das passiert, und wieso solltest du einem fremden Gangmitglied helfen? Eigentlich müssten wir uns hassen und jetzt sag nicht, dass du nur deine Schuld begleichen wolltest", meinte ich.
Der Beta lächelte. „Eigentlich sagt man jetzt Danke."
„Nero", seufzte ich. „Normalerweise geht dich das hier nichts an, also?"
Traurig zog er die Mundwinkel nach oben und wandte seinen Blick ab. „Glaub mir Conner, meine Schulden bei dir sind weitaus mehr als zehn Dollar."
„Ich versteh nicht", entgegnete ich überfordert. Die Müdigkeit nagte wieder an mir und ich hatte das Gefühl jeden Moment einzuschlafen. Doch viel Schlaf würde ich nicht bekommen, denn es war schon früh am Morgen, nur eben noch dunkel.
Mein Gegenüber stieg über die toten Körper. „Das dachte ich mir. Übrigens, die solltest du wegmachen lassen, bevor das Blut noch eintrocknet."
Kommentarlos folgte ich ihm. Der Weißhaarige ging in die Küche, da er von den Leichen wegwollte und setzte sich auf einen der Küchenstühle.
„Lass es mich erklären, aber leg mich bitte nicht schon nach den ersten Worten um", fing er an.
Misstrauisch, aber auch irgendwie mit einem seltsamen Gefühl in der Brust setzte ich mich zu ihm und legte die Pistole auf meinen Schoß.
„Weißt du noch als Jackson zu euch kam und euch wegen der Halle beschuldigt hat?", wollte er seltsam ernst wissen.
„Ja?"
„Ihr wart das nicht", antwortete er. Unwillkürlich musste ich auflachen, das war ja nichts Neues! „Sondern ich."
Sofort verstummte ich. Das konnte er doch nicht ernst meinen!
„Ich habe sie angezündet, ich hab unsere Mitglieder getötet und ich hab auch die ganzen anonymen Hinweise gegeben." Mir klappte die Kinnlade runter. „Eine anderer Organisation geleitet von einem Untergrundkämpfer und Drogendealer Namens Zayn will uns zerstören und die Geschäfte für sich gewinnen. Naja, und dafür brauchten sie einen Informanten."
„Und der warst du", ergänzte ich tonlos.
Er nickte. „Ich hatte keine andere Wahl, glaub mir! Wenn es einen anderen Weg gegeben hätte... ich hätte... es einfach anders gemacht."
„Du musst dich nicht rechtfertigen", sagte ich noch immer fassungslos, aber mit einer seltsamen Ruhe in mir. „Jeder hat Prioritäten und du wolltest nur, so wenig wie möglich Schaden anrichten."
„Du bist nicht böse?" Nero hatte sich zurückgelehnt und die Arme ineinander verschränkt. Ich schüttelte mit dem Kopf. „Danke, Conner, wirklich!"
Eine seltsame Stille entstand und mir kam plötzlich ein Gedanke. „Die Männer... waren sie auch von ihm?" Nero nickte. „Was machst du dann hier?"
„Er wollte es endlich beenden und meinte dein Tod wäre ein guter Auslöser, doch ich hab den Kontakt zu ihm beendet und reinen Tisch gemacht. Jackson hat mich verbannt, aber ich wollte noch sichergehen, dass du nicht wegen meiner Fehler draufgehst", erklärte er und ich verspürte bei seinen Worten eine gewisse Wärme. „Und... ich wollte, dass du mit Blake redest. Hydra und Serpens können nur überleben, wenn ihr wenigstens einmal zusammenarbeitet!"
„Aber-"
„Du weißt, dass ich recht hab, Conner!", unterbrach er mich lauter und stand auf. „Ich muss jetzt gehen, bevor Jackson mich findet. Und bitte, versprich mir, dass du mit Blake redest! Ihr habt keine andere Wahl."
Ich nickte. Nero lächelte und kam plötzlich auf mich zu. Ich trat eilig einen Schritt zurück, doch der Beta umarmte mich und drückte mich an sich.
„Wir werden uns wahrscheinlich nicht wiedersehen, aber denk daran, dass alles nun in deinen Händen liegt!"
Sprachlos erwiderte ich die Umarmung.
Dann ging er und ich hörte das Geräusch seiner Suzuki von draußen. Schnell rannte ich nach draußen. „Nero!" Fragend klappte der das Visier nach oben. „Danke, dass du mir den Arsch gerettet hast und danke für deine Ehrlichkeit!"
Kurz nickte er, dann fuhr er los. Ich blieb in der Einfahrt zurück und sah ihm nach. Daher wusste er also auch von meiner Verwandtschaft mit Alec. Er hatte es immer gewusst und nie etwas gesagt!
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