No. 11

( f o r t a l e z a )

SWEETIE, ARE YOU SURE YOU'LL NEVER BE THE SAME? "
Christelle

„Mom, es geht mir gut.", stöhnte ich. „Nein, sie darf auf keinen Fall meine Sachen umräumen, geschweige denn anfassen. Meine Anziehsachen sind nach Farbe und Marke geordnet. Das darf sie mir nicht kaputt machen.", sagte ich genervt, bevor ich auflegte.

Mom hatte sich echt nicht die besten Angestellten ausgesucht. Lilith will immer meinen Schrank umräumen, doch ich muss sie immer wieder zurückhalten. Ihre Begründung dazu ist, dass es viel zu ordentlich sei. Es kann nie zu ordentlich sein, oder?

Schnell packte ich mein Handy in meine Gucci-Tasche und schnappte mir noch meine durchsichtige Umhängetasche, indem ich noch ein paar Dinge wie T-Shirts und Hygieneartikel hatte. Einen letzten Blick ins Zimmer, um zu überprüfen, dass ich ja nichts vergaß und raus aus dem Zimmer.

Nikolai teilte uns gestern Abend mit, dass wir in ein anderes Hotel ‚ziehen' würden, was natürlich Tristans Idee war. Eigentlich gefiel mir unser jetziges Hotel. Die Menschen waren einigermaßen freundlich, außer dem Typen in der Lobby. Dieser guckte mich immer komisch an.

Tessa war schon vor mir aus dem Zimmer gegangen, doch wir wollten uns jetzt mit Tristan und Nikolai in der Lobby treffen.

„Wir treffen uns in der Lobby. Zehn Uhr morgens. Pünktlich. Neues Hotel.", war das einzige was Tristan gesagt hatte. So monoton wie es nur ging. Dabei mied er jeglichen Augenkontakt mit mir.

Nach gestern Abend ging ich runter in die Bar und trank ein paar shots. Ich weiß, dass ich aufhören wollte, doch gestern hatte ich es einfach zu dringend nötig. Tristan gestand mir seine Liebe zu einer anderen und ich habe mir eingestanden, dass ich Blake nicht liebe. Tess erzählte ich von alldem nichts. Sie hätte sich nur grundlos Sorgen gemacht.

Ich glaube sie selber hat auch ein paar Dinge zu verheimlichen. Aber sollte ich ihr das übel nehmen? Ich denke nicht.

Der Aufzug ging auf und bot mir volle Sicht auf die Lobby, wo Tessa, Nikolai und Tristan standen und ungeduldig in meine Richtung blickten.

„Können wir los?", fragte ich, als ich bei meinen Freunden ankam. Tristan setzte sich in Bewegung und ging durch die Tür, die uns von einem Angestellten offen gehalten wurde. Niko folgte ihm, während er auf den Boden blickte. Tess lief neben mir her und fing an über das neue Hotel zu erzählen. Anscheinend hatte sie sofort gegoogelt, nachdem Nikolai uns den Namen genannt hatte.

Wir setzten uns auf unsere üblichen Plätze in der Limousine. Die Jungs mit dem Rücken zur Frontscheibe und wir gegenüber von ihnen.

Ich hasste die Anspannung, die zwischen uns allen herrschte. Vor so geringer Zeit war noch alles in Ordnung. Es schien so, als hätten wir, seitdem wir beschlossen hatten diesen ‚Roadtrip' zu machen, uns nicht mehr vernünftig über unser Leben ausgetauscht.

„Wie lange wird die Fahrt dauern?", fragte Tess in die Runde. Da ich die gleiche Frage stellen wollte, wartete ich bis sie von einem der beiden Jungs beantwortet wurde. Ich sah zwischen den beiden hinterher. Niko hatte seine Schlafmaske über seine Augen gezogen und seine Arme vor der Brust verschränkt. Doch irgendwie machte er den Eindruck, als wäre er noch hellwach.

Tristan hingegen, schnappte sich sobald wir eingestiegen waren eines der Kristallgläser, die in einem Fach neben der Tür lagen und bediente sich an unserem Lieblingsgetränk. Whisky. „Sieben Stunden.", antwortete er, während er mit einem Zahnstocher in seiner Brühe rührte. Er schaute nicht auf.

Da fiel mir eine Idee ein. Die tiefsten Geheimnisse werden im betrunkenen Zustand preisgegeben. Das hieße, wenn ich alle abfüllte, wären sie bereit Geheimnisse auszuplaudern. Und so hätten wir sozusagen eine gewisse Art von Bindung.

Entschlossen streifte ich mir mein Haargummi vom Armgelenk, um anschließend meine dunkelblonden Haare in einen Dutt zu stecken. Ein paar Strähnen hingen von den Seiten raus, doch dies störte mich in dem Moment nicht. Stattdessen zog ich noch meine rosafarbene Felljacke aus und faltete sie einmal in der Mitte.

Ich legte sie auf meine rechte Seite neben meine kleine Chanel-Handtasche. Den letzen Schritt vollendete ich, indem ich auf meinem Handy auf ‚Aufnahme' klickte und dieses unter meiner Jacke versteckte. Dabei achtete ich natürlich darauf, dass mich niemand bei meiner Tat erwischte.

„Tristan, reich mir mal den Whiskey.", forderte ich ihn auf. Ich erwartete nicht, dass er aufblickte, doch genau das tat er und es ließ mich zunächst verstummen. Diese Intensität mit der er mir in die Augen blickte war unbeschreiblich. In jenem Moment vergaß ich richtig zu denken und starrte Tristan zurück an. Seine hellbraunen Augen durchbohrten meine. Doch er machte keine Anstalten mich davon aufzuhalten, geschweige denn selber damit aufzuhören.

Seinen Blick konnte ich nicht richtig deuten. Zum einen sah er bedrohlich aus, als würde er mir den Zugang zu Alkohol verbieten wollen, was ich vollkommen nachvollziehen hätte können, doch zum anderen sah er sanft aus, als wäre er kurz davor gewesen mir ein Lächeln zu schenken.

Das abrupte, tiefe Räuspern, welches von Nikolai zu kommen schien, ließ mich heftig zusammenzucken. Seine Schlafmaske lag auf seinem Schoß und auch Tessa hatte ihr Skizzenbuch zur Seite gelegt. Ihre Aufmerksamkeit galt uns beiden. „Tris, beeil dich. Ich will auch noch was.", meinte Nikolai und streckte seine Hand nach der Flasche aus.

Tristan selber jedoch schien etwas perplex und zögerte einen Moment, bevor er seine Augen von mir nahm und die Flasche in Niko's Hand drückte. Ich war zu erleichtert darüber, dass Nikolai ohne dass ich irgendetwas machen musste zum Alkohol griff, als das ich peinlich berührt über diese Situation sein hätte können.

Doch ich war mir sicher, dass mir somit heute eine schlaflose Nacht im Hotel garantiert war.

Ohne, dass ich etwas zu sagen brauchte, reichte Niko mir eines der Gläser und auch die Flasche. Ich blickte zu Tessa, die etwas misstrauisch aussah. „Komm, mach eine Ausnahme.", flüsterte ich, sodass nur wir beide es hätten hören können. Als sich die Flüssigkeit in ausreichender Menge in meinem Glas befand, forderte ich mit einem Nicken Nikolai dazu auf, mir noch eines der Kristallgläser zu geben.

Ich legte meines auf den Abstellplatz in der Mitte unserer Sitzreihe und schenkte auch Tess etwas ein. Vorsichtig nahm sie mir das Glas aus der Hand. Mein Glas hielt ich in die Mitte, ohne etwas zu sagen wartete ich darauf, dass die anderen drei mit mir anstoßen. Niko war der erste, danach Tess und schließlich auch Tristan. Ein Lächeln konnte ich mir dabei nicht verkneifen.

So wie wir es immer taten, ließen wir zunächst die Gläser aneinander krachen, um sie anschließend feierlich in die Lüfte zu heben. Und das war der Startschuss.

In den nächsten Stunden tranken wir so viel, dass ich leider viel zu schnell den überblick verlor. Es dauerte auch ein wenig, bis wir ins Gespräch kamen. Tessa war die, die zu erst zu Wort kam. „Wisst ihr, als Niko und ich in Venezuela auf Tristan gewartet haben, habe ich aus Versehen zwei fünfhunderter Scheine in den Gulli fallen lassen."

Zunächst wusste ich gar nicht, wovon sie da sprach, bis ich realisierte, dass es zu der Zeit gewesen sein muss, als ich bei Blake war. Ugh.

An den Gedanken, den ich an Blake verschwendet hatte, verzog ich mein Gesicht und kippte den Whiskey ohne zu zögern meine Kehle hinunter. Es tat so gut.

In diesem Moment hätte ich mir nichts sehnlicher gewünscht als das all meine schlechten Erinnerungen mit dem Alkohol weggespült wurden. Jedes Mal, wenn ich an jene dachten musste, nahm ich einen kräftigeren Schluck.

Nach Tessa fing auch Niko an zu erzählen. Irgendwann lagen meine Schuhe auf dem Boden, weshalb ich mich zu ihnen setzte. Den genauen Grund dafür konnte ich auch nicht benennen. Tristan beschloss nach einer Weile auch etwas von seinen Erlebnissen preiszugeben, bis auch ich nicht mehr auf meine Wortwahl achten konnte.

Ich wusste, dass unsere Blicke sich während der Fahrt öfter kreuzten, doch die Intensität war verschwunden, was wohl am Alkohol lag. Was ich jedoch nicht wusste, war wie wir alle in unsere Hotelzimmer kamen.

Meine Aufnahme unseres Gesprächs in der Limousine geriet auch in Vergessenheit, weshalb mir nicht bewusst war, dass die Konversation später in meinem Zimmer auch aufgenommen wurde.

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