V.E.R.T.R.A.U.E.N. W.A.G.E.N. von JiminsPapierflieger
Guten Morgen ihr Leseratten,
Diesmal geht es um ein Thema, mit dem ich mich selbst beschäftige und das mich dementsprechend sehr neugierig gemacht hat. VERTRAUEN wie der Titel schon sagt und um ein Kind, das hochgradig traumatisiert und den Weg in ein neues Leben finden soll. Also ein Buch mit ernstem Hintergrund, von dem ich mir vor allem eins verspreche: tiefgreifende Emotionen.
Nun denn, schauen wir mal, was dahintersteckt.
Der erste Eindruck
Das Cover ist düster gehalten und passt somit zu diesem Buch. Auch das Bild mit den Hochseilakrobaten finde ich gut gewählt. Nicht so sehr gefällt mir die Schrift. Sowohl dieser Satz oben, den man meiner Meinung nach komplett streichen könnte, weil dieses Bild für sich spricht, als auch die Schrift des Titels, die für mich besser ins Genre Horror passen würde. Auch die Erklärung darunter braucht es für mich persönlich nicht, da ich das spätestens sehe, wenn ich das Buch »aufschlage«.
Beim Titel bin ich mir ehrlich gesagt uneins. Die Titel der Kapitel mit den jeweiligen Anfangsbuchstaben finde ich gut durchdurchdacht, obwohl ich eigentlich generell kein Freund davon bin. Es hat für mich immer ein bisschen was von »Serie« also TV und das finde ich in Büchern deplatziert. Doch hier passt es ganz gut rein. Allerdings hätte ich mir diese Kreativität auch beim Gesamttitel gewünscht. Sicherlich passt es, aber wirklich gecatcht hätte es mich jetzt nicht, wenn ich das Buch außerhalb dieser Bewertungen gesehen hätte.
Diesmal gibt es einen richtigen Klappentext, der mir um einiges besser gefällt. Ich würde jedoch die Namen der Charaktere einfügen und sie nicht mit »eine Frau«, »eine andere« und »ein Waisenkind« betiteln, da es für mich persönlicher wirken würde. Außerdem weist du hier auch wieder auf dieses Wort aus dem Titel hin, sodass es mir fast vorkommt, als wolltest du uns mit aller Macht erklären, warum du es gewählt hast. Aber weißt du, Leser (oder zumindest ich) möchte/n nicht mit der Nase auf irgendwas gestoßen werden. Die meisten wollen selbst herausfinden, was sich der Autor dabei gedacht hat. Sich ihr eigenes Bild machen. Deshalb lese ich und das ist auch der Grund, warum ich keine Bilder in Büchern mag. Aber dazu später mehr.
Die Charaktere
Fangen wir mit Jimin an, weil sich um ihn meiner Meinung nach alles dreht. Im wahrsten Sinne des Wortes. Ein elfjähriger Junge, der in seinem kurzen Leben schon eine Menge Sch**** erlebt hat. Wer mich kennt, der weiß, dass ich keinen Hehl aus meiner Vergangenheit mache; sie sogar in meinen Texten verarbeite. Von daher kann ich ganz gut einschätzen, ob ich mich in solch einen Charakter hineinversetzen kann oder eben nicht. Und hier muss ich sagen, war das nicht immer der Fall, da du genauso wie in deinem anderen Buch sehr viele »Sprünge« machst und diese Gefühle nicht vollständig ausschöpfst.
Da du und ihr euch das gewünscht habt, nenne ich hier ein Beispiel dazu. Du schreibst:
»Aber hinterher ... da weint Jimin in Mama Jeris Armen eine ganze Weile, berichtet schluchzend, was ihm heute widerfahren ist, lässt seine Mama spüren, wie sein winziges Restvertrauen in die Menschen immer weiter schrumpft. Und dann geht er, um sich wie jeden Tag im Baumhaus ganz hinten im Garten zu verkriechen und erst nach Stunden wiederzukommen.«
Ich habe es dir schon in den Kommentaren geschrieben, dass ich mir wünschen würde zu ERLEBEN, wie er sich an sie schmiegt, weil sie sein einziger Halt ist, in einer Welt, die ihm den Boden unter den Füßen wegreißt. Dass er ihre Geborgenheit spürt, die seine kalte Welt erwärmt. Durch die Zeitangaben wie »hinterher« und »und dann« wirkt es für mich hingegen eher wie eine Aufzählung, eine Routine, die nichts Besonderes ist. Sicher brauchen Kinder genau das, aber darauf kommt es mir persönlich beim Lesen eines solchen Buches nicht an. Ich hätte mir gewünscht, dass du mich als Leser neben den beiden sitzen lässt. Ich vom Äußeren einen Blick in Jimins Inneres erhaschen und in diesem Zustand einen Moment lang verweilen kann. Das ist es, was mich fesselt und was mir dementsprechend im Gedächtnis bleibt. Körperreaktionen sind hierbei das Zauberwort. Schwitzige Hände, ein pochendes kleines Herz, welches sich in Mama Jeris Armen langsam wieder beruhigt. Das kennt jeder von uns und passt meiner Meinung nach auch zu einem Kind, das nicht immer so genau einschätzen kann, was es überhaupt fühlt.
Ansonsten ging mir seine Entwicklung etwas zu schnell. Du beschreibst diesen Jungen als hochgradig traumatisiert und dann kommt eine fremde Frau und er steigt nach nur wenigen Monaten mit ihr in den Flieger, um tausende von Kilometern weit weg ein neues Leben zu beginnen, obwohl in dieser Familie all die Gefahren lauern, die zu diesem schweren Trauma geführt haben? Es tut mir leid, aber das ist aus meiner Sicht nicht nur ziemlich unwahrscheinlich, sondern auch nicht förderlich für dieses Kind. Sicher hast geschrieben, dass er eine Menge Angst hatte in diesem Flugzeug, aber verantwortungsbewusst war das meiner Meinung nach weder von Mama Jeri noch von seiner Tante Mina. Vielmehr kam es mir oft so vor, als hätte sie den Jungen als Bremse ihrer Schuldgefühle der toten Schwester (Jimins Mutter) gegenüber benutzt. Das finde ich nicht nur moralisch verwerflich, sondern obendrein gefährlich für das Kind.
Deshalb konnte ich für Mina auch kein Mitgefühl aufbringen. Erst recht nicht vor dem Hintergrund, dass sie beruflich selbst mit »schwierigen« Kindern zusammenarbeitet. Ich meine, da sollte sie es doch eigentlich besser wissen, oder? Es sei denn, sie hat ihren Beruf verfehlt.
Auch Mama Jeris Handlungen waren für mich nicht immer nachvollziehbar. Sicher steht sie aufgrund der Tatsache, dass das Kinderdorf geschlossen werden soll, unter Druck, aber diesen sollte sie nicht auf das Kind übertragen. Jetzt kann man das Argument einbringen, dass Menschen nicht perfekt sind. Das lasse ich auch teilweise gelten, aber so, wie du es rübergebracht hast, kam Jimin mir oft wie ein Spielball vor. Zumal hinterher klar wird, dass das Kinderdorf dank der großzügigen Spende aus Minas Erbe doch nicht geschlossen werden muss. Wäre es da nicht im Interesse des Kindes gewesen, ihn erstmal in seiner gewohnten Umgebung zu lassen, anstatt ihn von Korea nach Arizona zu schleppen? Du hast so viele Sprünge in diesem Buch, was wahrscheinlich der großen Zeitspanne zwischen Minas und Sumis Kindheit und Jimins geschuldet ist, da wäre es auf einen mehr oder weniger auch nicht ankommen.
Die Gestaltung der Nebencharaktere war okay. Nuri (Minas Tochter) ist ein lebhaftes aufgewecktes Mädchen, Yongjun (der älteste Sohn) hingegen wirkt auf mich sehr vernünftig für einen Teenager. Er »überlässt« Jimin sogar seinen geliebten Hund Hunter, da er ihm gut tut und geht mit viel Geduld auf Jimin ein, obwohl er aufgrund seiner Erfahrungen unglaubliche Angst vor dem großen Bruder hat. John (Minas Mann) fungiert im Hintergrund als Stütze. Eine intakte Familie eben. Mit Sumi bin ich nicht so richtig »warm geworden«. Eigentlich heule ich gerade bei Rückblicken mit verstorbenen Menschen immer wie ein Schlosshund, weil der Gedanke, dass sie nicht mehr da sind, so traurig ist. Aber da du auch hier wieder eher eine Auflistung ihres Lebens vollzogen hast, kam ich nicht so richtig in dieses »Feeling« rein. Schöner hätte ich es gefunden, wenn du dir einzelne Szenen zwischen den Geschwistern, an die sich Mina zwar gern erinnert, die aber trotzdem unglaublich wehtun, herausgepickt und sie als Rückblick, bei dem ich als Leser auch wieder daneben sitzen kann, präsentiert hättest. Ein Beispiel dazu habe ich dir ja auch wieder in den Kommentaren dazu genannt, als Mina diesen Brief von ihr bekommen hat. Du hast ihn an den Anfang des Kapitels gesetzt. Kann man machen, aber dann sollte man danach nicht quasi in der Zeit zurückspringen und erst mal erklären, wie sie überhaupt daran gekommen ist. Viel emotionsgeladener hätte ich es gefunden, Mina »zu sehen«, während sie diese Zeilen liest. Zu lesen, dass sie zwischendurch aufhören muss, dass Tränen auf das Blatt tropfen, die zwar die Schrift verwischen, aber den Schmerz nicht wegwischen können. Das sind die Dinge, die mir beim Lesen eine Gänsehaut bescheren, Worte, die mich FÜHLEN lassen. Verstehst du?
Der Plot
Du folgst einem roten Faden. Dennoch sind die Handlungen für mich nicht immer nachvollziehbar gewesen. Dazu habe ich ja weiter oben schon etwas geschrieben. Oft ging es mir zu schnell. Zumal du Jimins Leben am Anfang als Scherbenhaufen beschreibst. Doch plötzlich ist er nicht mehr das Mobbingopfer, sondern wird von allen gemocht, Zahlen sind auch kein Problem mehr, weil sein Onkel John ihm einmal erklärt hat, wie es geht. Auch die Situation im Flugzeug war mir zu »rosarot«. Ich halte es für unwahrscheinlich, dass man ohne Sicherheitseinweisung ein Flugzeug besteigen darf, weil man selbst schon so oft geflogen ist und das Kind nicht zusätzlich belasten möchte. Oder dass plötzlich der Co-Pilot und der Pilot aus dem Cockpit kommen und alles lang und breit erklären. Genauso wie, dass man von heute auf morgen einen Begleithund mit in die Schule nehmen darf, weil man Angst hat. Natürlich wünschen wir uns das alle. Doch so funktioniert diese Welt leider nicht. Und da ich auch beim Lesen Realität bevorzuge, war es persönlich nicht mein Fall. Aber das ist nur meine persönliche Meinung. Das möchte ich immer wieder betonen. Es gibt bestimmt Menschen, die das toll finden und genau deshalb so etwas lesen.
Für mich kommt allerdings keine Spannung auf, wenn sich alle Konflikte wie von Zauberhand Schlag auf Schlag in Luft auflösen. Und ich brauche Spannung, damit mich ein Buch fesselt und ich es außerhalb dieses Projekts weiterlesen würde.
Der Schreibstil
An deinem Schreibstil hat sich nicht viel geändert. Bis auf die Tatsache, dass du hier aus der Sicht des auktorialen Erzählers schreibst. Das ist nicht mein Favorit, wie du sicher weißt, aber hier ist es durchaus eine kluge Wahl, da du alle Charaktere mit einbeziehen möchtest. Deine Sätze sind zum größten Teil nicht zu lang und gut zu lesen. An vielen Stellen könntest du die Eigennamen durch Personalpronomen ersetzen. Und ich hätte mir mehr Absätze an manchen Stellen gewünscht. Gerade weil deine Kapitel wirklich lang sind. Davor »warnst« du ja auch und ich habe auch nichts gegen längere Kapitel, aber manchmal lockern mehr Absätze das Ganze etwas auf.
Was die Sache mit den Emotionen und diesem »Show don't tell« angeht, so denke ich, dass ich genug dazu gesagt habe. Deshalb werde ich nicht weiter darauf herumkauen und komme zum Setting und zu einem Kritikpunkt, den ich sowohl oben schon angesprochen habe, als auch in deinen Kommentaren. Ich mag es nicht in Büchern Bilder zu finden. Ausgenommen sind hiervon natürlich Kinder- und Sachbücher.
Wir Autor*innen zeichnen Bilder mit Worten. Das ist nicht immer einfach und manchmal vergaloppiert man sich auch in Seiten von Beschreibungen. Mir selbst fällt es unglaublich schwer auf die Umgebung einzugehen, aber dann lass es lieber ganz und setze nicht mitten in den Text ein Bild. Das schafft für mich keine Atmosphäre, sondern reißt mich eher aus dem Geschehen heraus.
Die harten Fakten
Hier habe ich genauso wie in deinem letzten Buch wenig auszusetzen. Rechtschreibung und Grammatik sind sehr gut. Und zu den Absätzen habe ich dir ja oben schon etwas gesagt.
Mein Fazit
Ich habe mir wirklich viel von diesem Buch versprochen und mich darauf gefreut es zu lesen. Durch die vielen Sprünge habe ich allerdings nicht so richtig in die Geschichte gefunden. Ich weiß, wieso du das gemacht hast, da eine Zeitspanne von zwölf Jahren schon recht lang ist. Und aus eigener Erfahrung weiß ich auch, dass das für einen Autor eine Herausforderung sein kann, da bei mir teilweise dreizehn und sogar noch mehr dazwischen liegen. Deshalb habe ich mich für explizite Rückblicke entschieden. Das ist auch nicht jedermanns Sache, aber für meinen Geschmack sind sie besser als kapitellange Auf- bzw. Erzählungen. Ich mag es eher in die Handlung »geschmissen« zu werden und mir beim Lesen anhand von dezenten Hinweisen, die ich sammle, mein eigenes Bild zusammenzusetzen. Die, die mich kennen, nennen mich nicht umsonst »Sherlock Rosarot«.😜
Puh ... das war ganz schön viel und lang. Ich hoffe trotzdem, dass ihr bis zum Ende dran geblieben seid und ich meine Kritik an diesem Werk einigermaßen zum Ausdruck bringen konnte. Wenn nicht, versuche ich es hier noch mal zusammenzufassen als Tipp:
Weniger Erzählung und Erklärung – mehr Reaktion und Emotion.
Ich wünsche euch noch einen schönen Sonntag. Ich werde jetzt mein Kapitel zu Ende schreiben und mich dann auf das nächste Werk stürzen. Ich habe übrigens beschlossen, die Liste nicht mehr streng von oben nach unten abzuarbeiten. Seid mir deshalb bitte nicht böse, aber manchmal brauche ich Abwechslung. Auch beim Lesen. Dies werde ich euch aber auch noch mal im Kapitel INFO mitteilen. Schaut dort unbedingt rein, damit ihr entscheiden könnt, ob ihr an diesem Projekt (noch) teilnehmen möchtet oder nicht.
Falls ihr dieses Werk gelesen habt, freue ich mich auch hier auf den Austausch mit euch. Ich finde es immer spannend, andere Sichtweisen kennenzulernen und darüber sachlich zu diskutieren.
Liebe Grüße
Eure Mrs Rosarot🌸
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