7
Nolan
Ich weiß nicht wieso ich den Drang dazu hatte sie aufzumuntern, ihr zumindest eine Emotion zu entlocken. Ihre Augen weiteten sich ungläubig und ich musste mich beherrschen nicht zu lächeln, weil sie so süß dabei aussah. Unschuldig, süß, aber auch verdammt mysteriös und gefährlich.
Ich war auf ihrem Heimatplaneten und konnte nicht sagen, ob sie mich nicht geradewegs zu irgendwelchen Wächtern transportierte.
Aber würde sie das durchziehen ?
Sie hatte mir auf Cyllene schließlich auch geholfen, obwohl ich nicht wusste warum.
Dieser kurze Überraschungseffekt, als ich dachte sie überließ mich allein dem jagenden Wächter, der mich zu meiner machtgierigen Mutter zurückbringen würde. Dabei hatte sie mir geholfen, einem Fremden, den sie genauso gut als Verräter hätte abstempeln können. Ich war geflasht von ihr, als sie das Wasser teilte wie fucking Jesus vor abertausenden Jahren.
Normalerweise würde ich um solche Personen einen weiten Bogen machen, aber sie hatte einen guten Vorteil gegenüber verschrumpelten, alten Mythoshexen.
Sie war verdammt attraktiv.
Neugierig sah sie mich an und ich zuckte merklich zusammen: „Was auch immer du gerade gesagt hast, ich antworte mit Pudding". Schmunzelnd sah sie mich an und gewährte mir einen weiteren Blick in ihre smaragdgrüne Iris: „Pudding wird dir bei deiner Antwort nicht helfen". „Welche Antwort ?". „Ob du Hieroglyphen entziffern kannst". Ich hob verwundert eine Augenbraue an: „Ich kann es versuchen. Aber wieso genau Hieroglyphen ?".
Sie sah sich um, trat näher an mich heran und ich atmte ihren süßlichen Duft ein, den sie verströmte. Leise flüsterte sie in mein Ohr: „Das kann ich dir nicht in der Öffentlichkeit zeigen". „Dann gehen wir zu dir, ist das weit genug weg von der Öffentlichkeit ?". Ihre Reaktion kam schnell, sie boxte mich auf den Oberarm, was nicht sonderlich schmerzte. „Spinnst du", zischte sie sauer, „ich werde dich doch nicht mit zu mir nehmen".
Fünfzehn Minuten später standen wir vor einem einfachen Schwebebau, ein Klassiker, aber nicht zu verachten. „Ich fasse es nicht, dass du tatsächlich mitkommst", brummte sie mit einem genervten Unterton in ihrer Stimme und bugsierte uns bis in den mit Bildern geschmückten Flur. Ich folgte ihr die Treppen hinauf und sie ermahnte mich immer wieder leise zu sein. Leise zu sein war gar nicht so einfach, wenn man bedachte, dass die Treppen eines Schwebebaus ebenfalls schwebten. Diese Exemplare hier machten sich einen Spaß daraus sich unterschiedlich hoch zu setzen, so dass ich öfters nur knapp die nächste Stufe erreichte. Oben angekommen öffnete sie eine Tür inmitten des schmalen Ganges und schubste mich rein. Spaßeshalber legte ich meine Hände auf ihre Taille, als sie die Tür hinter sich schloss.
„Abschließen wäre ein guter Plan Gänseblümchen. Wir wollen ja keine ungeladenen Gäste, nicht wahr ? „Bleib hier stehen und fass nichts an", fauchte sie und befreite sich aus meinem Griff. Sie legte ihre Umhängetasche auf ihr Bett ab und verschwand aus dem Zimmer.
Gelangweilt blickte ich mich um, aber hier gab es nicht viel zu bestaunen, alles war eher schlicht gehalten. Nicht einmal Bilder gab es, obwohl Mädchen doch total darauf abfuhren ihre Wände mit Bildern und Lichterketten voll zu schmücken. Meine Füße trugen mich zu ihrem Fenster, auf dessen Fensterbrett ein rechteckiger Gegenstand lag.
War das etwa ein Buch ?
Warum hatte sie ein Buch, wenn das Komitee jeden dazu beauftragt hatte, alle zu entfernen, da unsere Gesellschaft mit Medien und nicht mit billigem Papier arbeitete.
Meine Augen huschten über den Titel, dann über den Klapptext und schlussendlich blätterte ich zur ersten Seite, um diese zu begutachten. Buchstabe an Buchstabe, einzig getrennt durch Leerzeilen oder Satzzeichen zierten diese Seite mit der Überschrift ‚Das Ende oder erst der Anfang ?'. Ich runzelte meine Stirn und blätterte weiter.
„Ich hab doch gesagt du sollst nichts anfassen", zischte die Kleine, deren Namen ich zwischenzeitlich vergessen hatte und riss mir das Buch aus der Hand. Das Buch ließ sie hinter ihrem Rücken verschwinden und ich zeigte mit meinem Zeigefinger auf sie: „Du hast ein Buch. Das Komitee ließ alle einsammeln. Warum hast du noch ein Buch in deinem Besitz ?".
„Oh bitte, das Komitee ist eine Lachnummer und verbietet Bücher nur, weil sie uns die Wahrheit lehren. Der ganze Technikkram ist manipuliert und wer bist du, dass du denkst Moralapostel zu spielen ?".
Ich verkniff mir meine Antwort, die sie garantiert aus den Socken hauen würde. Sie konnte ja nicht ahnen, dass sie mit dem möglichen Nachfolger von Arnold Collister diskutierte, der Hauptkopf des Komitees.
Statt meiner Antwort zuckte ich nur desinteressiert mit meinen Schultern und lehnte mich am Fenster an. Sie legte das Buch mit Behutsamkeit in eine Schublade und drehte sich dann zu mir. Sie warf mir ein Handtuch zu und erst jetzt machte sich die Nässe meiner Klamotten bemerkbar, da sie nach und nach schwerer wurden.
Ich rubbelte meine Haare trocken und kämmte sie mit meinen Fingern auf eine Seite, damit sie mir nicht im Gesicht hingen. Ich gab ihr das Handtuch zurück und registrierte, dass sie sich etwas anderes angezogen hatte.
Verstimmt setzte sie sich auf ihr Bett und kramte in ihrer Tasche herum: „Wegen der Aktion sollte ich dich das Jetzige nicht mehr fragen". Sie klopfte neben sich und ich ließ mich zögerlich nieder, wer weiß was in ihrem Kopf für Foltermethoden an mir durchwanderten. Sie zog ein weiteres Buch hervor und legte es mir in die Hand. Dazu entfaltete sie einen weißen Zettel.
„Kannst du das Lesen oder Entziffern ?", fragte sie und deutete auf das Buch.
Es hatte ein Schloss dran und sah von unbuchstäblichem Wert aus.
Das waren keine Hieroglyphen, das war Russisch.
Ich fuhr wie verzaubert den Einband nach und murmelte das Wort, welches draufstand, immer wieder. Fragend sah meine Nebensitzerin zu mir, die ich zum Gänseblümchen umgetauft hatte.
„Das ist Russisch. Dnevnik bedeutet Tagebuch".
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top