30
Aylana
Unser letztes Ziel für die Mission „Bewahre die Bewohner vor einem Planetenkrieg, aus dem nur das Komitee erfolgreich hervorgehen kann" führte uns in die Höhle des Löwen.
Nach Trinculo, dem Hauptsitz des Komitees. Der erste von Menschen besetzte Planet seit der Zerstörung des Planeten Erde.
Zuerst wollte ich jedoch zurück nach Hause, um mich frisch zu machen, mich zu sammeln und vielleicht klischeehaft meiner Familie ein letztes Mal mitzuteilen, dass ich sie liebte, da ich nicht wusste, welche Auswirkungen oder Folgen das Beenden der Herrschaft des Komitees für mich hatte.
Die Fahrt war relativ unspektakulär, außer dass Nolan seine Hand nicht einmal von meiner nahm, als hätte er Angst, ich würde doch noch dank der Entscheidung des Medaillons verschwinden.
Er parkte sein Rato weit von der Zivilisation entfernt und ich versteckte es zusätzlich mit Blättern und Gestrüpp. Den restlichen Weg legten wir zu Fuß zurück.
Und obwohl der Himmel nicht das beste Wetter hervorbrachte, zeigte ich Nolan ein weiteres Stück von Kerberos, der bekannt für seine trockenen Wüsten und Dschungel ist. Der Himmel selbst war tagsüber ausschließlich lila, jedoch verdunkelte er sich stetig, da hier gerade die Abenddämmerung stattfand. Auch die Geräusche der wilden Tiere in dem Dschungelabschnitt, in dem wir uns noch befanden, wurden lauter und einige bereiteten sich auf die Jagd vor. Jedoch hatten sie nie die Bewohner von Kerberos angegriffen, als hätten sie eine friedliche Vereinbarung geschlossen.
Allmählich wurde es kälter und ich war froh, dass mir Nolan seine Jacke umgelegt hatte. Unter dieser umklammerte ich meine Tasche mit dem wichtigsten Inhalt zur Veränderung der ganzen Geschichte. Auch wenn ich noch nicht genau wusste wie.
Da der Himmel bereits schwarz war, als wir am Rande meines Dorfes ankamen, tastete ich nach Nolans Hand, umgriff diese und führte ihn leise über versteckte Seitenwege zu mir nach Hause. Ich erblickte den Flachbau, der im Inneren noch beleuchtet wurde.
Verwirrt blieb ich stehen, schließlich war es ein ungeschriebenes Gesetz auf Kerberos, dass wir minimalistisch lebten und wenn die Dunkelheit der Nacht hereingebrochen war, dann wurde das Licht gelöscht um Ressourcen zu sparen.
Nolan sah mich irritiert an: „Was ist los ?“. Ich schüttelte den Kopf, ließ seine Hand los und versteckte mich hinter dem Haus der Nachbarn. Er tat es mir nach und gemeinsam lehnten wir an der Hauswand, ab und zu sah ich um die Ecke, um die ungewohnte Situation zu beobachten.
„Das ist ungewöhnlich“, flüsterte ich, „wir bekommen nie Besuch“. Zwei Ratos vor dem Bau ließen die ganze Situation noch ungewöhnlicher wirken. Wer konnte sich hier schon ein Rato leisten ?
Nolan lugte ebenfalls um die Ecke und setzte einen ernsten Gesichtsausdruck auf: „Das Komitee ist uns wohl dicht auf den Fersen". „Was ? Das Komitee-", fragte ich und inspizierte die Eingangstür, die sich nun öffnete.
Ich schnappte nach Luft, als mein Vater und meine Mutter in Handschellen von einigen Wächter zum Rato geführt wurden. Meine Mutter weinte und mein Vater schien in Schockstarre gefallen zu sein. Beide wurden in die Ratos gesetzt und dann weggeflogen. Zurück blieb eine offene Tür und ein leeres Haus. Wo war Marley !?
Nach einem letzten prüfenden Blick, ob sie außer Sichtweite waren, stürmte ich los. Mein einziger Gedanke galt meinem kleinen Bruder, denn diesen hatten sie nicht abgeführt. Nolan hechtete mir hinterher, aber ich verstand nicht, was er hinterher rief. Alles war nebensächlich.
Ich begab mich im Haus auf die Suche, suchte hektisch alle Zimmer ab, fand ihn jedoch nicht. Fluchend raufte ich mir die Haare und rief Marleys Namen durch das Haus. Ich hatte die Hoffnung, dass er sich nur versteckt oder rausgeschlichen hatte. Auch Nolan half bei der Suche.
Ich betrat den Dachboden und ließ meine Augen über das angerichtete Chaos schweifen. Überall lagen meine nun zerrissene Bücher und Kartons, die Erinnerungen und Wertstücke meiner Familie, die über Generationen heimlich weitergegeben wurden, sind nun ausgelöscht, beschmutzt oder zerstört.
Ich wusste, dass das Komitee nach den Begegnungen in den letzten Tagen herausgefunden hatte, dass ich auf der Suche nach einer Waffe gegen sie war. Sie bestraften dafür alle die ich liebe.
Je mehr ich das realisierte, desto mehr stiegen die Ereignisse der letzten Tage hoch und ich verlor bereits die erste Träne. Weitere folgten und ich sank zu Boden. Ich drückte einige Seiten meiner ehemaligen Lieblingsbücher an mich.
Ich hörte jemanden die Treppe hochsteigen und drehte mich um. Jedoch beruhigte ich mich ein wenig, als Nolan seinen Kopf hochstreckte. Er blickte in das Meer von Chaos und ließ seinen Blick dann zu mir wandern. Er setzte sich wortlos neben mich und legte tröstend beide Arme um mich.
„Tut mir Leid", murmelte er und stützte seinen Kopf auf meinem ab. „Ich bin selbst Schuld. Wieso habe ich gedacht, dass mein Handeln keine Konsequenzen haben wird ? Ich bin so dumm". „Nein bist du nicht. Das Komitee hätte dich bereits nach dem Vorfall auf Cyllene verfolgt, gefoltert und anschließend getötet".
„Du hast dich auf Cyllene versteckt ?“, fragte da eine Kinderstimme und ich blickte hinter uns. Sofort ließ ich alles fallen und stolperte auf meinen Bruder zu, der komplett erschöpft und verängstigt aussah. „Marley, zum Glück geht es dir gut", seufzte ich erleichtert und er schlang seine Arme aufgrund unseres Höhenunterschiedes um meine Taille. Ich strich ihm die Haare aus dem Gesicht, welche zerzaust und strähnig herumflogen.
„Ich dachte sie haben dich auch gefangen genommen. Wie Mum und Dad", sagte er und löste sich zuerst, doch ich schüttelte den Kopf und wischte mir die verflossenen Tränen von den Wangen. „Wir müssen hier schnell weg, sie wollen wieder kommen und deine Bücher anzünden", warnte mein Bruder mich und blickte das erste Mal zu Nolan, der nun hinter uns stand. „Okay, dann lass uns schnell alles Wichtige packen und dann suche ich uns etwas für die Nacht", schmiedete ich einen groben Plan und beide nickten.
Marley bekam die Aufgabe seine wichtigsten Dinge in einen Rucksack zu packen. Nolan würde in der Zwischenzeit einige Klamotten meines Dads anziehen und einpacken, ebenso die letzten essbaren Dinge, die er auffinden konnte.
Ich zog mich ebenfalls um, packte neue Klamotten ein und die wichtigsten Habseligkeiten an Medizin und Utensilien meiner Mutter. Danach half ich Marley bei seinen restlichen Dingen und nahm ihn an die Hand, als er Dads Plate unter den Arm nahm und wir bereit zum Aufbruch waren.
In meinem Zimmer trafen wir auf Nolan. Er blickte sich in meinem unpersönlich eingerichteten Zimmer um und behielt das Fenster und die Umgebung draußen im Auge. Marley beäugte unseren Gast immer noch mit einem gesunden Abstand.
„Er gehört zu uns", verwarf ich seine Zweifel.
„Aber er ist Nolan Collister", flüsterte Marley ehrfürchtig und versteckte sich hinter mir.
„Woher kennst du-, fragte ich, doch Nolan zeigte mir an leise zu sein.
„Sie sind zurück".
Ich verstand und führte unsere kleine Gruppe über das Fenster hinweg in den Dschungel. Dort blieb man am besten unentdeckt. Im Hintergrund hörte ich einige Leute schreien und sah unser einstiges Zuhause in Flammen stehen. Es hatte sich eine Runde aus Schaulustigen aufgebaut, die jedoch von den Wächtern zerschlagen wurden.
Wir entfernten uns unbemerkt immer weiter und somit näher an das Geheimversteck meiner Kindheitstage. Schon früher hatte dieses Haus leer gestanden und war so abgelegen und versteckt, dass sich nie jemand anderes außer mir in dem Haus befunden hatte. Ich hoffte auf zusätzlichen Schutz der umliegenden Natur und diese versprach zu wachen und mich zu warnen, falls sich jemand nähern sollte.
Marley war während des weiten, zurückgelegten Weges eingeschlafen, weshalb Nolan und ich ihn abwechselnd auf dem Rücken trugen. Ich öffnete das Haus und Nolan legte meinen schlafenden Bruder im Bett im Schlafzimmer ab. Das Bett bestand zwar nur noch aus einzelnen Brettern und einer Matratze, aber für die Nacht sollte es reichen. Ich breitete eine alte Decke über ihm aus und wir verließen den Raum.
Wir beschlossen uns im Wohnzimmer zurückzuziehen und setzten uns auf das mit Laken überzogene Sofa. Ich zog mir meine Tasche über den Kopf hinweg aus und holte das Tagebuch meiner Vorfahrin hervor. „Vielleicht kann ich noch mehr entziffern“, bot Nolan an und zusammen lasen wir einige Seiten durch.
Besser gesagt las Nolan vor und übersetzte, während ich neben ihm saß und ihn mit abschweifenden Gedanken beobachtete. Dabei lehnte ich mich mit meinem Oberkörper an ihn und hatte meine Beine angewinkelt, während er ein Bein lässig hochgestellten hatte und seine rechte Hand auf meinem Oberschenkel ruhte. Er schien es nicht zu bemerken, dass ich ihm die ganze Zeit nur halb zuhörte und viel zu beschäftigt war mir Sorgen zu machen.
Irgendwann blickte er auf, klappte das Tagebuch zu und legte es auf die Seite. Ich stützte meinen Kopf auf meinem Arm ab und sah ihn fragend an: „Warum hörst du auf ?“. „Du solltest schlafen".
Ich schüttelte den Kopf und rieb mir meine schmerzenden Augen: „Nein. Ich muss aufpassen, dass uns niemand findet. Aber du kannst dich hinlegen". „Ich bleibe bei dir. Immer. Aber du bist viel zu erschöpft Gänseblümchen“, widersprach er und lehnte sich an meine Schulter.
„Bin ich nicht-", wollte ich widersprechen, gähnte jedoch herzhaft. „Uns wird niemand finden. Wir sollten jetzt schlafen und morgen das Regime weiterstürzen", scherzte er und zog mich auf die Beine.
Widerwillig ließ ich dies zu und er schob mich daraufhin in das Schlafzimmer, in welchem Marley tief und fest schlief. Wir legten uns unter eine weitere Decke und ich legte schützend meinen Arm um den abgekühlten Körper meines Bruders.
Ich wünschte, er hätte keine traumatische Erfahrung mit dem Komitee mitmachen müssen, jedoch war ich zu spät, um ihn davor zu bewahren mit anzusehen, wie unsere Eltern vermutlich verhört und dann verhaftet wurden.
Einem 13-jährigen Jungen wünschte ich ein besseres Leben und es wäre ihm erspart geblieben, wäre ich nur früher zurückgekehrt oder hätte mich nicht erwischen lassen.
Und wieder einmal bezahlte ein geliebter Mensch für meine Fehler. Wann würde das endlich aufhören ?
Mit Anbruch der Morgendämmerung erwachte ich als erste und tigerte anschließend ziellos im restlichen Haus herum. Einige Male warnte mich die Natur vor einer Bedrohung draußen, jedoch waren es zu meiner Beruhigung nur Tiere, die in ihren Unterschlupf zurückkehrten, da die Sonne aufging.
Während ich also wartete, bereitete ich etwas zu essen vor. Mein Magen beklagte sich, dass er fast zwei Tage nichts mehr zu essen bekommen hatte und ich aß eine Kleinigkeit. Gerade als ich den Müll entsorgt hatte, vernahm ich Schritte hinter mir und drehte mich um.
Ein verschlafen aussehender Nolan betrat die Küche und lehnte sich an den Türrahmen. Dabei verschränkte er die Arme vor der Brust und spannte sie somit an. Ich trat die wenigen Schritte zu ihm und legte meinen Kopf in den Nacken, um ihn anzusehen zu können. „Hey", wisperte er zur Begrüßung und ich erwiderte sie. „Hey".
„Du scheinst nicht viel geschlafen zu haben", bemerkte er und fuhr mit seinem Daumen über meine vermutlich dunklen Augenringe. Auch ich sah leichte Schatten unter seinen Augen und hielt seine Hand fest, die nun auf meiner Wange zum Halt kam und sich anlegte. „Ich kann erst wieder beruhigt schlafen, wenn ich weiß, dass es allen gut geht".
Dazu sagte er nichts und sah mich immer noch mit einem besorgten Blick an. Ich konnte sein Bedauern nicht länger ertragen und drehte mich weg, jedoch griff Nolan nach meinem Arm und drehte mich wieder zu sich. Durch den Aufschwung stieß ich gegen ihn und irritiert blickte ich wieder zu ihm hoch.
Gerade als ich fragen wollte, was er damit bezwecken wollte, legte er beide Hände an meinen Rücken und beugte sich hinunter, um seine Lippen auf meine zu legen.
Der Kuss war sanft, fast schon zerbrechlich, und ich genoss das warme Kribbeln in meinem Magen, dass mir bewies, dass ich Gefühle für ihn entwickelt hatte. Meine Hände legten sich um seinen Hals und zogen ihn näher zu mir. Gleichzeitig stellte ich mich auf meine Zehenspitzen und vertiefte den anfänglichen Kuss.
In diesem kurzen Moment der Unendlichkeit waren alle Sorgen vergessen und ich dankte ihm innerlich dafür, dass er mich ablenken konnte.
Plötzlich ertönte ein Räuspern hinter uns: „Guten Morgen, soll ich später wieder kommen ?“.
Erschrocken schubste ich Nolan von mir und blickte Marley entgegen, der sich noch müde die Augen rieb.
Ich spürte wie mein Gesicht warm wurde und stammelte: „Nein nein. Alles gut. Nolan und ich wollten-".
Marley unterbrach mich, in dem er die Hand hochhob und an mir vorbei ging: „Das will ich gar nicht wissen Schwesterherz".
Peinlich berührt starrte ich an einen Punkt an der Decke, während mein Bruder sich sein vorbereitetes Frühstück nahm und sich zu uns umdrehte. Mein Blick fiel auf seine rechte Hand, die er Nolan entgegenstreckte, darin lag ein Brot als Friedensangebot. Dieses nahm mein Nebenmann an und in den nächsten Minuten herrschte Stille, während beide Jungs aßen.
„Also", fing Marley nach dem Frühstück an, als wir zu dritt auf dem Sofa saßen, „Willst du mir vielleicht erklären wie du zu der Ehre kommst Nolan Collister abzuschlabbern ?“.
Empört klappte mir meine Kinnlade runter: „Marley !“. Nolan neben mir kicherte: „Die Ehre ist ganz meinerseits“.
Ich verdrehte die Augen: „Woher kennst du ihn überhaupt ? Bin ich etwa die einzige, die ihn nicht erkannt hat ?“.
Marley zuckte mit den Schultern: „Vermutlich schon. Aber ich habe gestern die Wächter über euch reden hören. Du hättest ihn angeblich entführt, um zusammen mit jemandem Namens Caleb oder so eine Revolution anzuzetteln und das Komitee zu erpressen. Oh und irgendwas mit Nereid und Kalyke soll auch gewesen sein“.
„Calev ? Was hast du noch über ihn gehört ? Geht es ihm gut ?“.
Der Junge schüttelte den Kopf: „Sie haben sich über ihn lustig gemacht. Und seine-".
Ich packte ihn an beiden Schultern: „Und seine was ?“.
Er schluckte schwer: „Seine Hinrichtung aufgrund von Verrat ist heute".
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