28

Aylana

Der nächstbeste Planet für unsere Flucht war Kalyke. Der Planet war zwar zu 98% verseucht, aber das hielt eine Menge gesuchter Kriminelle nicht davon ab, dort unterzutauchen und zwielichtige Geschäfte zu betreiben. Nicht einmal die Soldaten des Komitees würden sich dort freiwillig herumtreiben.

Zudem würde ich dort sehr wahrscheinlich einen weiteren Gegenstand für das Ritual bekommen. Wir mussten also nur zum Markt dort gehen und Ausschau halten, was magisch genug wäre, um als Amulett oder Kompass durchzugehen. Dank der alten Weide hat sich der Suchradius stark eingeschränkt.

Um auf dem Schwarzmarkt nicht erkannt zu werden, hatte Nolan und ich uns vermummt, wodurch wir nicht einmal auffielen, da sich alle Wüstenbewohner hier so vor den Sandstürmen schützten.

Langsam schlenderten wir durch die Markthalle, aber ich wurde nicht fündig. Gerade als wir nach der dritten Runde umkehren wollten, weil wir mittlerweile bestimmt die Aufmerksamkeit auf uns zogen, tippte mir eine alte Frau auf die Schulter: „Suchen Sie etwas ?“.

Sie wartete meine Antwort nicht ab und zog mich mit sich in ein kleines Zelt. Die Decke war wie ein Nachthimmel gestaltet. Die Frau hatte viele Berge an Silber und Gerümpel.

Während Nolan misstrauisch die Frau anblickte, sah ich ihn.

Den Kompass.

Ich nahm ihn mir und blickte die Frau dann an: „Wie viel ?“. Sie sah mit großen Augen erst den Kompass und dann mich an. Dann zückte sie eine Pistole und richtete sie auf mich.

Sie schrie: „Eto ty. ty izbrannyy Ved'ma“.

Nolan fluchte und preschte nach vorne, um mir zur Hilfe zu eilen. Aber er war nicht schnell genug und die Frau schoss einmal knapp an mir vorbei.

Der Kompass rutschte mir vor Schreck aus den Händen und schlitterte in eine Ecke. Nolan drückte uns nach unten, um nicht von der Frau getroffen zu werden, die wie wild kreischte: „Ved'ma“.

Wir suchten unter dem Tisch mit den Bergen an Gerümpel Schutz und robbten auf dem Boden Richtung Kompass.

Plötzlich wurde Nolan von mir weggezogen und ich versuchte krampfhaft ihn festzuhalten. Doch dann wurde ich ebenfalls hochgezogen und befand mich in den Mängeln zweier Männer. Ich sah wie die Frau auf mich zu kam, mich von oben bis unten anblickte und mir die Laken vom Gesicht riss, die mich zuvor geschützt hatten. „Sie ist die, die sie wollen“.

Ich trat meine Peiniger hinter mir überall, aber der Griff lockerte sich kein bisschen. Stattdessen hob der größere von beiden seine Hand und legte sie drohend um meinen Hals. „Hör lieber auf damit oder wir zeigen dir, was wir mit Hexen machen".

Beide nickten der alten Frau zu, die ihre Waffe nun auf Nolan gerichtet hatte und zogen mich rückwärts auf den Hinterausgang zu. Kaum hatten wir die Tür durchschritten ertönte ein Schuss. Sie hatte bestimmt Nolan getötet. Ich wehrte mich lautstark, als ich in ein Rato gedrückt wurde.

„Hör auf zu heulen, du hättest ihn sowieso nie wieder gesehen", mault der große Typ und legte mir Handschellen um. Ich stand unter Schock und so gelang es ihm schnell mich abzusichern und die Tür des Ratos zu schließen.

Dann stiegen beide vorne ein und starteten den Motor. „Wir bekommen eine hohe Summe, wenn wir die liefern", freute sich der Kleinere.

Auf der Beifahrerseite ging die Tür auf und der kleine wurde rausgezogen. „Was zum…“, fluchte der Größere und stieg aus, um seinem Kumpel zu helfen.

Ich hörte draußen Kampfgeräusche und versuchte in diesem günstigen Moment einen Fluchtversuch zu starten. Ich kletterte nach vorne und suchte hektisch nach einem Schlüssel für die Handschellen. Im Handschuhfach fand ich diesen auch und entfesselte mich schnell, ehe ich aus dem Auto kletterte.

Mein Herz schlug um ein Vielfaches schneller, als ich sah, wie Nolan gerade den zweiten Typ k.o. zu Boden warf und sich umsah. Ich hetzte auf ihn zu und umarmte ihn stürmisch: „Du bist nicht tot". Er drückte mich an sich und ich spürte seinen unruhigen Atem: „So leicht wirst du mich nicht los".
 


Wir beschlossen, dass der Planet für die Flucht nicht geeignet war und flogen im Rato an den Rand der Zone von Sinope, einem weiteren leeren Gestein Planeten in der benachbarten Milchstraße, um über Nacht unbemerkt dort zu rasten. In diesem Gebiet gab es meilenweit nur Sand, Stein und Krater die an eine frühere existierende Zivilisation vor dem Meteoriteneinschlag erinnern.

Unterwegs erzählte mir Nolan, wie er die zwei Männer überlisten konnte.
Nachdem die Frau versehentlich den Typ erschossen hatte, der ihn festhielt, setzte er sie außer Gefecht und eilte mir nach. Auch an den Kompass hatte er gedacht und überreichte ihn mir später im Rato.

Wir beschlossen uns in eine hohle Berghöhle zurückzuziehen, um nicht zu offensichtlich gefunden werden zu können und Feinde von weit weg zu erkennen.

„Was hat sie eigentlich gesagt ?“, fragte ich später, als es eine Weile still zwischen uns war. „Sie wusste, dass du eine Hexe warst. Aber woher weiß ich nicht".

Ich spielte mit dem Kompass rum: „Vermutlich wusste sie mehr und musste jemanden warnen, wenn sich jemand für den Kompass interessiert". „Aber wer will dich denn ? Alle Hexen sind doch schon lange ausgestorben“. „Vielleicht ja die Person, die für den Tod der anderen verantwortlich ist“.

Er nickte zustimmend und stocherte im Sandberg neben sich herum. Ich beobachtete jede seiner Bewegungen, sagte aber kein Wort.

Irgendwann, viel später, verzogen wir uns in unser Rato zurück, da die Luft hier draußen zu verseucht gewesen wäre, um an dieser ausgesetzt zu nächtigen.

Und während wir nebeneinander auf unseren zurückgeklappten Sitzen lagen, drehten sich meine Gedanken um Calev. Ich hoffte er würde lange genug durchhalten, bis ich ihn befreien konnte.

Nolan drehte seinen Kopf in meine Richtung und als er sah, dass ich zu sehr in meinen Gedanken versunken war um zu schlafen, drückte er sanft meine Hand, welche teilnahmslos an mir herunterhing.


In dieser Nacht bekam ich kaum Schlaf. Immerzu dachte ich an Calev, der vielleicht jetzt gerade in dem Moment von den herzlosen Mitgliedern des Komitees gefoltert wurde, nur damit er unseren Standort und Plan verraten sollte.
Aber ich wusste, dass wir auf ihn zählen konnten.

Er selbst hatte viel Übung durch seine damalige Ausbildung zum Soldaten die Folter auszuhalten und zu schweigen wie ein Grab. Und trotzdem hatte ich ein ungutes Gefühl.

„Ihm wird schon nichts Schlimmes passieren", murmelte Nolan leise eher zu sich selbst als zu mir, als er wenige Minuten später bemerkte, dass ich nach draußen starrte, statt zu schlafen.

Ich blickte in seine Augen, welche mich so zweifelnd ansahen, als würde er das Gesagte nicht glauben. Und ich verstand ihn sogar, jeder wusste, dass wenn das Komitee einen einmal in seiner Gewalt hatte, dann blieb die Aussicht auf Freiheit auf Ewigkeiten verwehrt.

Ich drehte mich auf meine linke Seite, um ihn besser ansehen zu können. Er tat es mir gleich und so sahen wir uns schweigend entgegen. So nah, dass uns lediglich eine Handlänge voneinander trennte und ich seine Präsenz spüren konnte. „Ich hoffe nur ich kann ihn wiedersehen. Es gibt noch so viel Unausgesprochene zwischen uns", flüsterte ich meine schlimmsten Befürchtungen aus.

Meine Hand fand wie selbstverständlich ihren Weg zu Nolan und legte sich an den Saum der Decke, unter der er lag. Seine Hand, die zuvor meine gehalten hatte, nahm sie nun wieder und legte die beiden, nach einem flüchtigen Kuss in meine Handinnenseite, an seine Brust. Darunter konnte ich seinen Herzschlag spüren, welcher regelmäßig und ruhig schlug und mich sofort entspannte. Diese kleine Geste löste ein kleines Glücksgefühl aus und wir konnten nicht anders als uns anzulächeln.

„Ich schwöre auf meinen Namen, dass du Calev wiedersiehst. Und wenn es das letzte ist, was ich tun werde". „Dein letzter Wille ist wirklich meine Zusammenkunft mit Calev ?“, grinste ich neckend.

Er verdrehte die Augen: „Unter meinem letzten Willen kann ich mir etwas deutlich besseres vorstellen“.

Ich presste grinsend meine Lippen aufeinander, um nicht auflachen zu müssen: „Und ich dachte ihr habt euch unsterblich ineinander verliebt und werdet glücklich bis an euer Lebensende".

Für meinen Kommentar piekste er mir in die Rippe und ich konnte nicht anders, als zu lachen. „Glücklich bis ans Lebensende klingt schön", gab er lachend zu, „aber nicht mit Calev. Meine Mutter würde mich enthaupten, würde ich mich gegen sie und ihre geplante Zukunft für mich stellen“.

„Sie wird wohl kaum so schlimm sein wie du behauptest“, widersprach ich, doch er lachte. Nun aber eher mit einem bitterem Unterton. „Ich bin noch viel zu nett mit der Umschreibung. Aber sie ist meine Mutter, auch wenn ich sie nicht als solche sehen sollte, nach allem was sie mir angetan hat und noch tun wird, wenn wir fertig mit unserem Ausflug sind".

Perplex richtete ich mich auf: „Du glaubst nicht, dass wir mit unserer Mission das Komitee vernichten konnten ?“.

Aber genau das war doch das langfristige Ziel für mich. Für meine Familie, für unsere Vorfahren, für alle, die diese Schreckensherrschaft nicht mehr weiterführen wollten.

„Du kannst vernichten wen du willst, es wird immer Leute wie sie geben. Du kannst doch nicht ernsthaft glauben, dass die Arbeit damit erledigt ist", sagte Nolan.

„Nein, aber wenn nur die richtigen Personen das Sagen hätten…“.

Nun unterbrach er mich: „Das wird nie passieren. Denk doch mal realistisch. Wir haben noch nicht mal ein Ziel mit diesem Buch in Sicht, wie soll es weitergehen ? Du lebst, nachdem alle im Komitee getötet wurden, wieder mit deiner Familie Zuhause, Calev wird Rataxfahrer und ich kehre zurück in den Palast und nehme den Platz meines Vaters ein ?“.

„Ich will niemanden töten", widersprach ich ihm erneut.

Er schüttelte ungläubig den Kopf: „Dann töten sie dich".

Ich biss mir auf die Innenseite meiner Wange und dachte nach. Er hatte Recht und das weiß er auch. Ich hatte meinen Plan nie zu Ende gedacht und erst jetzt fiel mir auf, dass meine Chancen generell schon ziemlich schlecht standen, Magie hin oder her.

Er hatte meine Hand immer noch im Griff und führte sie nun an seine Lippen, um sie erneut zu küssen. „Ich will, dass wir das schaffen, keine Frage, aber wie lautet dein Plan ?“. „In dem Tagebuch steht eine Beschwörung, mehr habe ich noch nicht herausgefunden, schließlich kann ich kein Russisch".

„Okay, angenommen das Komitee ist gestürzt, was dann ? Was wird aus der Bevölkerung ? Aus uns ?“.

Irritiert starrte ich ihn an:“ Uns ?“.

Er schmunzelte: „Ja uns. Du und ich".

Nervös zuckte ich mit den Schultern. Auch so weit hatte ich noch nicht gedacht. Schließlich war diese zwischenmenschliche Ebene Neuland für mich und ich konnte immer noch nicht besonders gut mit seinen einfachen Gesten umgehen. Er überforderte mich auf dieser Reise so oft, aber nicht im schlechten Sinn.

„Gibt es denn ein du und ich ?“, fragte ich unsicher und blicke ihm für die Antwort in sein Gesicht, welches nur schwache Züge erahnen ließ, weil es noch dunkel um uns herum war. Der nächste Tag war gerade erst angebrochen.

„Ein Uns würde meinem letzten Willen mehr entsprechen als Calev es je könnte".

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