27
Aylana
Dass meine Gefühle für Nolan der Schlüssel zu meinem inneren Gleichgewicht war, war irgendwie vorhersehbar. Obwohl mir so viel Unglück passierte war er gleichzeitig eine wichtige Stütze meines Lebens.
Es erklärte beispielsweise auch, warum ich mich in all der Zeit, die wir zusammen verbracht hatten, am lebendigsten gefühlt hatte. Er war mehr als wir uns vorstellen konnten und ich weiß nicht, ob das nicht noch zu einem Problem werden konnte.
Ich blickte zur besagten Person. Er alberte gerade mit Zoraya herum, lachte und steckte alle am Tisch an. Selbst Xenja warf einige essbare Flocken unseres Essens in seine Richtung.
Calev diskutierte mit Marin über ein neues Experiment, welches zweiterer bei mir durchführen wollte. „Sie ist kein Objekt“. „Sie ist eine Wissenschaft für sich. Eine der letzten Magierinnen ihrer Art“. „Selbst wenn sie ein Delfin wäre würde ich das nicht zulassen. Mir hat die Folge deines Medikaments gereicht“.
Ich starrte stumm auf meinen noch vollen Teller und schweifte wieder mit meinen Gedanken ab. Ich wollte hier nicht ewig bleiben, am besten sofort aufbrechen, die restlichen Dinge auf der Liste suchen, endlich diesen Bürgerkrieg verhindern und zu meiner Familie zurückkehren.
Ich vermisste mein Zuhause, mein gewohntes Umfeld. Ich wurde hier wie Porzellan behandelt und das wollte ich nicht. Ich wollte nicht vorsichtig sein und mich in ein Schneckenhaus einkuscheln, ich wollte die Galaxie erkunden, so lange und so viel ich konnte.
Als mein Blick auf den Teller fiel, war dieser leer. Es wurde gelacht, also sah ich auf. Zoraya und Nolan, die sich eben noch geneckt hatten, waren überzogen mit den essbaren Flocken, die uns aufgesetzt wurden.
Alle sahen grinsend zu mir und ich blickte immer noch verwirrt in den leeren Teller. Mit meinem linken Fuß auf den Boden stampfend fixierte ich die einzelnen Flocken, die sich daraufhin von den beiden gegenüber lösten und sich in Luft auflösten.
Zufrieden faltete ich meine Hände unter dem Tisch ineinander und tat so, als wäre nie etwas vorgefallen.
Xenja lächelte: „Du lernst schnell. Aus meiner Sicht wärst du bereit“.
Plötzlich fielen die lichtspendenden Laternen und Lampen im Raum aus. Es wurde blitzschnell düster und ich sah nicht einmal meine Hand vor den Augen. „Was ist hier los", fluchte Marin und stand hörbar auf.
Es folgten 3 Klopfer gegen die Tür des Unterschlupfs.
„Aufmachen. Auf Anweisung des Komitees verlange ich Marin zu sprechen. Ihm wird vorgeworfen den Sohn des Vorstandes, Collister, Zuflucht zu gewähren. Dieser wird gebeten sich freiwillig zu stellen“.
Ich spürte einen festen Handgriff um meinen rechten Arm und wurde auch schon in das obere Stockwerk gezogen. Oben war zum Glück gerade so viel Licht vorhanden, dass ich erkennen konnte, wer mich nun schweren Atems mit seinem Körper in eine Nische drückte.
Nolan blickte hektisch immer wieder nach hinten und legte dann seinen Zeigefinger auf den Mund. Von mir wäre sowieso kein Mucks gekommen, da ich zu viele Horrorgeschichten aus den Zellen von Gefangenen des Komitees gehört habe.
Unten waren laute Stimmen zu hören, allem voran Xenja: „Ich bin die Königin von Nereid, es wird niemand zum Verhör mitgenommen“.
Als ich nun auch Calev protestieren höre, wurde mir flau im Magen: „Ich habe nichts getan".
Meine Versuche an Nolan vorbeizukommen waren aussichtslos, er schüttelte nur den Kopf und drückte mich von der Treppe weg: „Wenn sie dich sehen, werdet ihr beide mitgenommen. Denk dran, dass du bereits einmal geflüchtet bist".
„Aber…“, flehte ich und er unterbrach mich. „Bitte Aylana. Wir werden Calev rausholen. Ich will nicht zurück in einen goldenen Käfig".
Er umgriff fest meine Hände und ich hörte auf mich zu wehren. Ich hatte bisher kein einziges Mal daran gedacht zu hinterfragen, warum er geflohen ist.
„Wir müssen nun dieses Haus durchsuchen, um besagten Flüchtling zu finden“, drohte ein Soldat an und seiner Stimme nach zu urteilen, war er bereits auf dem Weg zu uns.
Panisch öffnete Nolan das nächstbeste Fenster und quetschte sich hindurch in die dunkle Leere des Meeres.
Es war stockdunkel draußen, weil diese Stadt tief im Ozean lag. Ich folgte Nolan schnell hindurch und wir schwammen in Richtung Zentrum, auf Xenjas Palast zu. Das gestaltete sich trotzdem als wesentlich schwieriger, weil überall verteilt Soldaten des Komitees standen und nach Nolan suchten.
Seine Eltern hatten nun scheinbar mitbekommen, dass ihr Sohn seit einigen Tagen fehlte. Als zukünftiger Herrscher war er natürlich eine Verlockung für Feinde als Erpressungsopfer.
„Psst", flüsterte da eine bekannte Stimme von rechts. Zoraya tauchte neben uns auf und zeigte auf unser Rato, welches im Dunkeln geparkt wurde. Scheinbar hatte Xenja schon mit einem Auftritt der Soldaten gerechnet. Mit einem Nicken dankte Nolan unserer Fluchtmöglichkeit und wir stiegen ein.
Kaum waren die Türen zu, keuchte er: „Du musst fahren". Mit Blick auf seinen Fischschwanz nickte ich. Ich startete den Motor und im Handumdrehen stiegen wir an die Oberfläche.
Allerdings blieb auch dieser Schritt nicht unbemerkt, als hinter uns eine Truppe Soldaten in ihren Ratos hinter uns her war. Ich hasste Verfolgungsjagden und noch mehr hasste ich es, währenddessen am Steuer zu sitzen. Als hätte ich da je schon mal erlebt.
Mein Beifahrer hatte meine Panik wohl schon gespürt und platzierte seine linke Hand über meiner, die den Griff des Lenkrads umklammerte. Er lenkte uns ruhiger als ich es je könnte aus dem Meer und sobald wir die Ozonschicht des Planeten passiert hatten, schaltete er auf den Überschallmodus, welcher wie in Star Wars dazu verhalf, Feinden schnell aus dem Weg zu gehen und durch die Galaxie zu reisen.
Als Nolan nach einigen Minuten meine Hand losließ und sich seufzend in seinen Sitz fallen ließ, entspannte ich mich ein bisschen. Die Soldaten hatten uns verloren, aber sie hatten Calev. Leider waren es zu viele Soldaten, als dass ich sie mit meinen neu trainierten Fähigkeiten der letzten Tage außer Gefecht hätte setzen können.
Während der nächsten halben Stunde vollzog sich Nolan seiner Verwandlung zurück zum Menschen mit beiden Beinen, welche sich schmerzhafter anhörten, als die Verwandlung in eine Meerjungfrau selbst.
Um allein zu sein verzog er sich auf die Rückbank. Vor allem aber auch unter dem Vorwand, dass er nach der Verwandlung keine Kleidung mehr am Körper trug und sich erst anziehen musste.
Diese Warnung war mir peinlich genug, um nicht einmal in den Rückspiegel zu schauen.
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