21
Nolan
Ich glaube ich hatte sie verärgert. Seit zwanzig Minuten ignorierte sie mich bereits und tat so, als wäre ich nicht anwesend. Dabei war das doch nur ein kleiner Scherz gewesen, um sie ein wenig zu ärgern. Ist wohl doch in die falsche Richtung gelaufen.
„Das tut jetzt weh“, riss mich Marin aus meinen Gedanken und schon während er sprach gab Aylana beschwerende Laute von sich. „Was bist du für einer, der statt das tut eben kurz mal weh sowas sagt ? Außerdem… aua pass doch auf“.
Ich grinste über ihre Worte. Würde ich nicht hinsehen könnte man vermuten sie hatte zum ersten Mal Sex. „Du wirst dich daran gewöhnen müssen Prinzessin“, erwiderte Marin trocken, während er ihre mit blauen und roten Flecken übersähte Nase versuchte zu retten.
Aylana legte sich auf seine Anweisung hin auf die Liege und blinzelte in das Licht, welches ihr entgegenstrahlte.
„Kannst du jeweils die lila und die rote Flasche aus dem Regal holen ?“, beauftragte er mich und ich nickte. Also schwamm ich zum besagten Regal, in dem sich eine Ansammlung an Medizin anhäufte.
Die lilafarbige Flasche fand ich auf Anhieb, allerdings hatte es drei rote zur Auswahl.
„Welches soll ich…“, fing ich an, doch er unterbrach mich, obwohl er nicht einmal aufsah. „Das unterste“.
Ich griff danach und las den eingestaubten Deckel.
Gegen M.I.
Rasch stellte ich beide Flaschen auf einen Tisch. Er drehte sich daraufhin um und füllte von jeder Mixtur etwas in ein kleines Gerät. Zusätzlich wählte er den Geschmack Erdbeere auf seinem Bedienungsscreen aus und startete den Vorgang von was auch immer.
Nach fünf Sekunden entsprang der handlichen Maschine eine Tablette. Diese reichte er ihr mit einer grauen, blickdichten Flasche. Sie nahm diese ein und legte sich dann zurück. Ihr Blick folgte uns ununterbrochen, während wir aufräumten und er ihr noch spezielle, wasserfeste Klammerpflaster aufklebte, um die Nase zu stabilisieren.
Draußen zerbrach plötzlich etwas und wir zuckten alle drei zusammen. Marin versicherte mir, dass es nur der tollpatschige Kellner war, der immer mal wieder Gläser fallen ließ und sah zur Beruhigung von Aylana nochmal nach.
Dazu verließ er das Zimmer und warnte mich trotzdem vor betrunkenen Gästen. Ich versicherte ihm, dass ich auf ihn warten werde, bis ich die Tür ein nächstes Mal öffnete.
Nun waren wir allein.
Nur noch Aylana und Ich.
Was man alles alleine anstellen konnte…
Als ich zufrieden zu ihr sah, verlor sich mein aufgesetztes Lächeln.
Aylana weinte.
Ich schwamm näher zu ihr und ließ mich auf dem Stuhl neben ihrem Kopf nieder. Stumm sah ich sie an, bekam ihr Leiden mit, ihre Schmerzen. Das Zeug von Marin schien nicht so ganz seinen Zweck zu erfüllen.
Überfordert griff ich nach ihrer Hand, weil ich nicht wusste was ich tun sollte. Sie sah mich im gleichen Moment an und selbst wenn sie weinte, war sie wunderschön. Dabei sollte sie doch nicht weinen, am besten überhaupt nicht.
Sie übte plötzlich einen enormen Druck auf meine Hand aus und drehte sich leise winselnd hin und her. „Lass es raus, wenn es dir hilft“, fordere ich sie auf und strich ihr eine Träne von der Wange. Ihre Körpertemperatur war deutlich angestiegen, höher als es für sie gut war. Da stimmte etwas nicht.
Sie schloss gequält die Augen und atmete flach. Ich muss doch irgendetwas tun können, damit sie nicht mehr leidete. Angestrengt dachte ich über eine Lösung nach. Ihre Hand verlor allmählich an Kraft und nach einigen Minuten hing sie leblos in meiner. Kein einziger Ton entwich ihr, sie blinzelte nur noch ab und zu unter ihren Lidern.
Meine Finger strichen von ihrer Stirn zu ihrer Wange: „Bleib bei mir, hast du verstanden ?“. Sie bewegte ihren Kopf minimal, was mir vermutlich ein Nicken andeuten sollte.
Wo bleibt Marin, wenn man ihn braucht ?
Wütend blickte ich mich im Raum um und dann zur Tür. Ich hatte es zwar versprochen, aber ich konnte mich doch nicht daran halten, wenn sich Aylanas Zustand so schnell verschlechterte. Mit einer geprellten Nase hatte es angefangen, es darf nicht bei einer Vergiftung enden.
Mein Daumen strich unaufhörlich über ihre Wange und ich legte langsam meine Stirn an ihre: „Es darf nicht so enden okay ? Du überstehst das, dafür sorge ich. Wenn du abkratzt hat es keinen Sinn alles weiterzuführen. Die Gesellschaft braucht dich mehr als du denkst. Wir brauchen dich. Und ich brauche dich erst Recht, auch wenn es nicht immer den Anschein hatte“.
Ihre Stirn war heiß und nass geschwitzt zugleich. Sie kämpfte im Stillen weiter und ich wollte ihr die nötige Unterstützung geben, auch wenn ich nicht genau wusste wie.
Plötzlich ging die Tür auf und ein verdutzter Marin stand dort: „Was ist hier los ? Lässt man euch fünf Minuten alleine stirbt einer von euch“.
Eilig schloss er die Tür ab und war an der anderen Seite der Liege angelangt. Innerhalb von ein paar Sekunden hatte er ihre Symptome analysiert und riss einzelne Bücher aus seinem Regal.
„Es gab bisher nie Komplikationen bei solchen Behandlungen“, fluchte er und las einzelne Seiten aus den Büchern die er rauszog. Meine Hand umschloß ihre Hand fester und ich hauchte ihr zarte Küsse auf den Handrücken. Einzelne Finger zuckten bei der Geste auf und ich wünschte mir nichts sehnlicher, als das sie wieder gesund vor mir stand und mit ihrer Neugier nervte und faszinierte zugleich.
Triumphierend stößt Marin einen Freudenschrei aus, als er scheinbar die richtige Seite gefunden hatte. Über seine Flosse stolpernd rührte er einiges an bunten Flüssigkeiten zu einer kristallklaren an. Diese landete schnellstmöglich in Aylanas geöffnetem Mund, um es in ihr Blut zu bringen, so erklärte er mir.
Dass ich bisher kein einziges Mal von ihr losgelassen habe kommentierte er nicht.
Nachdem er seine Hand auf ihre Stirn legte sah er mich seufzend an: „Was hast du dir da nur an Land gezogen ?“. Mein Blick sank wieder auf Aylana, die nun so aussah, als würde sie friedlich schlafen.
„Hättest du mir nicht wenigstens sagen können, dass sie nicht normal ist ?“. Meine Finger vergruben sich in ihrem Haar und spielten mit einigen Strähnen. „Ist das relevant ?“.
Marin knurrte auf einmal bedrohlich: „Und ob das relevant ist Nolan. Sie hätte draufgehen können“.
Sorgsam sah ich sie an: „Aber ihr geht es jetzt gut ?“.
Mein Gegenüber lachte trocken: „Gut noch lange nicht, aber zumindest ist sie jetzt außer Lebensgefahr. Ich schätze ihr müsst heute Nacht hierbleiben“.
Ich nickte, wenn auch etwas widerwillig, aber gerade weil es um Aylanas Gesundheit ging, willigte ich ein.
„Ich habe aber noch ein kleines Anliegen“.
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