Kapitel 83

Jungkooks Sicht:

Laute Musik dröhnt in meinen Ohren, während ich Taehyung dabei beobachte, wie er zwei Typen Whiskey in ihre Gläser schüttet. Ich habe mich extra vor ihm an die Bartheke gesetzt und beobachte ihn die ganze Zeit, weil er verdammt gut aussieht in der Rolle als Barkeeper. Wenn ich nicht aufpassen würde, wäre mir die Spucke schon längst runtergeflossen. Die zwei Kerle bedanken sich bei Tae und hauen endlich ab. Mein Freund widmet sich mir zu und grinst mich breit an.

"Ich kann mich echt daran gewöhnen, dass du so brav vor mir sitzt und mir beim Arbeiten zuschaust", meint er und nimmt meine Hand in seine, um sie miteinander zu verschränken.

"Mir gefällt dein Anblick auch sehr gut, Tae. Da könnte ich dich vernaschen", erwidere ich zwinkernd und bringe ihn zum Lachen.

Danach wird er auch schon von einem Gast gerufen, sodass er meine Hand loslässt und rüber zu den drei Frauen läuft. In mir bildet sich automatisch ein komisches Gefühl, als er mir den Rücken zu dreht. Ich bohre meine Fingernägel in meine Handfläche und richte meinen Blick zu Boden. Seit Tagen fühle ich mich wohl bei ihm und möchte gar nicht mehr von seiner Seite weichen, jedoch werde ich dieses ungute Gefühl in mir nicht los. In meinem Leben lief es noch nie so lange gut für mich. Irgendwas wird noch passieren, aber ich weiß nur nicht wann.

"Hey, du bist doch Jungkook oder?", reißt mich eine Frau aus meinen Gedanken.

Verwirrt drehe ich mich zu ihr um und checke sie erst von oben bis unten ab. Sie hat blonde kurze Haare und muss älter als ich sein.

"Ja, ich bin Jungkook. Wer bist du?", bejahe ich und sehe sie anschließend misstrauisch an.

"Oh, das ist gut. Ich bin Stefanie. Eine gute Freundin von deiner Mutter. Sie hat mich darum gebeten, dir mitzuteilen, dass du sie bald treffen wirst. Sie wird dich aufsuchen", teilt sie mir mit und will ganz schnell wieder verschwinden, jedoch halte ich sie ruckartig am Arm fest und schleudere sie auf den Barhocker neben mir.

Schockiert starrt sie mir in die Augen und versucht ihren Arm aus meinem Griff zu ziehen, aber ich bohre, desto mehr sie zieht, meine Fingernägel in ihre Haut, sodass sie laut zischt.

"Noch so eine scheiß Aussage und ich breche dir das Genick. Du sollst eine Freundin von meiner Mutter sein? Geh jemand anderen verarschen", drohe ich ihr, weil sie offensichtlich gelogen hat und irgendein Wichser sie hierhergeschickt hat, um mich abzufucken.

Danach schubse ich sie von mir weg und drehe mich in eine andere Richtung. Warum zur Hölle werde ich in den letzten Wochen immer mit meiner Mutter konfrontiert? Sie ist seit Jahren verschwunden und ich habe gelernt, wie ich ohne sie zurechtkomme. Ich möchte sie überhaupt nicht mehr wiedersehen. Ich weiß nicht mal, wie ich reagieren würde, wenn sie plötzlich vor mir steht. Zwar habe ich mir oft vorgestellt, wie sie wieder zurückkommt, aber ich bin jetzt 21 Jahre alt. Ich brauche weder meinen Vater, noch meine Mutter. Jin, Jimin und ich waren meistens auf uns allein gestellt und mussten selbst zurechtfinden. Ich sehe Jin als meinen Vormund an. Er hat mir doch alles beigebracht.

Gereizt klatsche ich mir mit beiden Händen auf die Oberschenkel und suche nach Taehyung, der gerade ein paar Gläser spült. Ich stehe von meinem Platz auf und laufe hinter die Bartheke. Leicht tippe ich gegen seine Schulter, sodass er sich zu mir umdreht und dann die Stirn runzelt als er mich sieht.

"Was ist los?", fragt er mich sofort und trocknet seine Hände mit einem Geschirrtuch ab.

"Mir ist langweilig. Ich gehe draußen etwas spazieren", sage ich ihm Bescheid und warte nicht auf irgendeine Antwort von ihm, sondern flüchte sofort nach draußen.

Erleichtert atme ich aus und genieße die kühle Luft auf meiner Haut. Kurz schaue ich mich um und sehe zwei Kerle und eine Frau vor der Seitengasse stehen. Können die sich nicht verpissen? Ich wende mich von ihnen ab und setze mich auf die Bank im Raucherbereich, dabei hole ich Taehyungs Zigaretten aus meiner vorderen Hosentasche. In letzter Zeit rauche ich echt viel, aber mich regt alles im Moment nur noch auf. Wieso musste diese Fotze auch so eine Scheiße labern? Genervt ziehe ich eine Zigarette aus der Packung und zünde diese auch sofort mit dem Feuerzeug, der in der Packung lag, an. Ich nehme einen tiefen Zug und spüre die angenehme Wärme in meinen Lungen.

"Die ist komplett dicht", höre ich einen der Kerle sagen, der die Frau am Arm festhält und sie von oben bis unten betrachtet.

"Was sollen wir jetzt mit ihr machen? Ich habe keine Lust, mich um sie zu kümmern. Wir kennen sie nicht mal", gibt der andere von sich und wirkt total angepisst.

"Keine Ahnung. Wir können sie aber nicht in diesem Zustand alleine lassen. Vielleicht passt der Typ dahinten auf der Bank auf sie auf, während wir nach ihren Freundinnen suchen", meint sein Kumpel und schaut mich kurz an.

"Dann frag ich mal, ob er das überhaupt möchte... Hey, kannst du vielleicht auf unsere Freund-", mit diesen Worten kommt der genervte Kerl zu mir und möchte schon freundlich loslegen, aber ich unterbreche ihn.

"Setzt sie einfach neben mich. Ich gebe euch fünfzehn Minuten. Danach gehe ich wieder rein und mir ist es dann auch egal, ob sie dann alleine hier sitzt", entgegne ich und würdige ihm keinen einzigen Blick.

Er bedankt sich bei mir und ruft seinen Freund rüber, der die Frau mit sich schleppt, die ihn hinter her stolpert. Vorsichtig setzt er sie neben mich und bedankt sich ebenfalls bei mir. Anschließend gehen die beiden wieder rein und lassen mich mit der Dummen alleine. Als Frau ist es so unverantwortlich, sich alleine ins Koma zu saufen. Sie hatte Glück, dass die Beiden keine ekelhaften Arschlöcher sind. Zu meinem Pech kommt sie etwas zu sich und sieht sich benebelt um.

"Wo bin ich?", lallt sie schläfrig und hält sich den schmerzenden Kopf.

"Vor der Bar, in der du dich vollgesoffen hast", beantworte ich ihre Frage und drücke die Zigarette auf dem Boden aus, bevor ich sie in eine Mülltonne werfe.

"Ah, fuck. Der letzte Cocktail vor wohl doch zu viel und ich erinnere mich immer daran. Ich kann es nicht fassen, dass sie tot sind", stöhnt sie vor Schmerzen erst auf, jedoch fängt sie plötzlich an zu heulen.

Planlos starre ich sie nur still an, während sie anfängt los zu schluchzen und ihre Ellbogen auf ihren Knien abzustützen, um ihr Gesicht mit beiden Händen zu verdecken. Der Abend kann echt nicht besser werden. Zögerlich lege ich meine Hand auf ihren Rücken und streichle ihr tröstend über diesen.

"Na, Na", bringe ich nur überfordert über die Lippen und habe keine Ahnung, was ich tun soll.

"Es ist einfach nur so unfair. Sie hatten es am wenigsten verdient zu sterben. Wieso musste ihnen so etwas passieren? Weißt du, meine Mutter hat mich heute Mittag angerufen und mir mitgeteilt, dass meine Tante und ihr Sohn gestorben sind. Die Polizisten befürchten, dass sie ermordet worden sind. Aber sie haben kaum Beweise, da ein Feuer am Tatort ausbrach", erzählt sie mir weinend und wischt sich hektisch die Tränen von den Wangen.

"Das tut mir wirklich leid für dich und deine Familie. Mit so einem großen Verlust ist schwer umzugehen", sage ich und ziehe meine Hand zurück, da es unangenehm ist, ihr über den Rücken zu streicheln.

"Das kannst du laut sagen. Es brennt einfach nur in meinem Brustkorb und mein Kopf tut seit Stunden so bestialisch weh. Ich kann einfach nicht aufhören zu weinen und es ist so surreal daran zu denken, dass ich nie wieder mit ihnen reden kann. Sie sind jetzt einfach weg. Wie kann man sowas einem Kind antun? Mein Cousin war mein kleiner Schatz. Er war so lieb und immer fröhlich, auch wenn sein Vater ein verdammter Hurensohn ist", schüttet sie ihr Herz aus und holt hektisch nach Luft, dabei bebt ihr ganzer Oberkörper und sie wiegt sich hin und her, um sich zu beruhigen.

Komischerweise schmerzt mein Herz bei ihren Worten und mir fällt es schwer zu atmen. Was ist los mit mir? Seit wann besitze ich sowas wie Empathie für diese Frau? Ich halte meinen Blick gesenkt und versuche wieder normal zu atmen, aber dieses beunruhigende Gefühl übermahnt mich und steigt mir in den Kopf. Automatisch muss ich an Sungjin denken und kriege schlagartig heftige Kopfschmerzen. Es kann nicht sein, dass sie von Sungjin spricht. Er liegt im Moment bestimmt friedlich in seinem Bett und träumt von den Avengers. Ihm ist nichts passiert. Ich brauche mir keine Sorgen machen.

"Hey, Jungkook", holt mich Tae irgendwann wieder ins hier und jetzt, der vor mir in der Hocke gegangen ist und seine Hände auf meine Oberschenkel gelegt hat.

Ruckartig schaue ich ihm in die Augen und beruhige mich augenblicklich, als ich sein Lächeln sehe. Die Kopfschmerzen verpuffen und meine angespannten Muskeln lockern sich. Die zwei Typen von eben stehen hinter ihm und haben die drei Mädchen dabei, die sich vorhin bei Tae Getränke geholt haben. Sie stürzen sich auf ihre Freundin und bemuttern sie sofort.

"Wir können nach Hause gehen. Hoseok und ich haben gewechselt", sagt er und hält mir die Hand hin, die ich ergreife und mit ihm zusammen aufstehe.

"Das wird auch mal Zeit! Ich dachte schon, dass ich noch im Personalraum übernachten muss", gebe ich dramatisch von mir und wische mir die imaginären Schweißperlen von der Stirn.

Taehyung kichert los und haut mir leicht gegen die Schulter, bevor er mich mit zum Auto zieht. Bei seinem Lachen verfliegen die ganzen negativen Gedanken aus meinem Gedächtnis und die Glücksgefühle, bei ihm sein zu können, nehmen den Platz ein.

Ich liebe ihn so sehr, dass es schon weh tut. 

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Manchmal frage ich mich, ob ich dumm bin. Ich spekuliere selbst, was als nächstes passieren wird und stelle dann fest, dass ich den Scheiß schreiben muss.  🙄

btw. Was denkt ihr denn, was passieren wird? 😏

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