Kapitel 119
Taehyungs Sicht:
Areum und Jungkook sind schon seit mehreren Stunden weg. In der Zeit habe ich im Bett gelegen, da meine Kopfschmerzen mich umbringen. Eigentlich schmerzt mein ganzer Körper bei jeder Bewegung, die ich ausführen möchte. Ich habe nicht mal die Kraft dafür, um mir ein Glas Wasser zu holen und eine Schmerztablette zu nehmen. Meine ganze linke Gesichtshälfte pulsiert und glüht, weswegen ich dauerhaft meine Hand draufhalte, da der Schmerz durch Druck etwas nachlässt. Jeder andere Mensch würde mit Jungkook nicht mehr zu tun haben wollen, wenn er ihnen dasselbe wie mir angetan hätten. Aber irgendwie schaffe ich es nicht, weil er mir leidtut. Ich weiß auch, dass er mich wirklich liebt, sonst wäre ich nicht mehr am Leben. Mein schlechtes Gewissen trieft förmlich, wenn er mich anlächelt. Ich hätte niemals dieses Grundstück betreten dürfen, sonst wäre das nie so geendet. Ich hätte sein Vertrauen nicht zerstört und sein Bruder... Na ja, sein Bruder wäre durch Myunghee trotzdem gestorben.
Wenn Jungkook nicht schlecht gelaunt ist, ist er auch ziemlich liebevoll zu mir und kümmert sich um mich, wenn er nichts mit seiner Familie zu tun hat. Die bringen ihn innerhalb von Sekunden auf 180, wodurch alle in seinem Umfeld darunter leiden müssen. Das sind auch abscheuliche Menschen. Wie kann man sein eigenes Fleisch und Blut so behandeln? Er wird immer noch von ihnen misshandelt. Psychisch und physisch. Es ist kein Wunder, dass Jungkook ständig die Fassung verliert und unberechenbar ist. Sie sind daran schuld, dass er nie richtig mit seinen Emotionen beschäftigt hat. Wahrscheinlich musste er als Kind schon alles herunterschlucken und ein Lächeln aufsetzen.
Plötzlich höre ich, wie die Wohnungstür aufgeschlossen wird und setze mich ächzend auf, als ich merke, dass mehrere Personen die Wohnung betreten. Vielleicht sollte ich mir etwas anziehen, bevor jemand hineinkommt. Keine Sekunde später stürmt Jungkook auch mit finsterer Miene ins Zimmer und klettert sofort zu mir aufs Bett.
"Hallo-... MH!", begrüße ich ihn perplex, aber er drischt seine Lippen schon auf meine und drückt mich an der Brust zurück in die Matratze.
Ich umfasse sein Gesicht mit beiden Händen und erwidere seinen stürmischen Kuss, jedoch frage ich mich ernsthaft, was in den letzten Stunden passiert ist. Er legt sich komplett auf mich und presst mir die Luft aus den Lungen, sodass ich sein Gesicht wegdrehe, um aufzuatmen. Jungkook knallt seinen Kopf auf meine Schulter und quetscht seine Arme unter meinen Rücken, um mich fest an sich zu drücken. Überfordert umarme ich ihn und kraule seinen Kopf. Sein Brustkorb bebt und wenn ich mich nicht täusche, dann höre ich ihn schniefen.
"Ich hasse meinen Vater so sehr", murmelt Jungkook gegen meinen Hals und bringt mich dazu, ihn anzuschauen.
Tränen haben sich in seinen Augen gesammelt und seine Lippen beben. Mein Herz zerbricht jedes Mal, wenn ich ihn weinen sehe.
"Was hat er getan?", frage ich ihn und küsse seine Stirn, wodurch ihm die Tränen dann doch herunterkullern.
"Weißt du, ich habe nichts Falsches getan. Für meine Verhältnisse habe ich mich sogar noch gut benommen und er hat mich trotzdem wie Scheiße behandelt. Darf ich etwa nicht traurig sein? Ist mir das nicht erlaubt, weil ich so ein Monster bin? Er behandelt nicht mal meine Mutter so, obwohl sie seinen Sohn umgebracht hat! Er verabscheut mich. Ich weiß es", erzählt er mir im weinerlichen Ton und sieht mich großen Augen.
"Dein Vater ist ein Bastard, der dich als eine Bedrohung sieht. Er möchte dich klein halten, weil er dich als Konkurrenz ansieht. Du bist ganz klar besser als er und deswegen hat er dich so auf dem Kicker. Hat er dich vor allen bloß gestellt?", erwidere ich und wische ihm die Tränen von den Wangen.
"Der Bestatter hat mich nach vorne gebeten, um etwas über Sungjin und Yunai zu sagen, und ich war einfach ehrlich. Ich habe vor meiner ganzen Familie gesagt, wie ich mich deswegen fühle und dass ich sie vor ihrem Tod noch gesehen habe. Daran war doch nichts verkehrt, oder? Er war der Einzige, der mich auf einmal so böse angeschaut hat, weil ich in seinen Augen anscheinend nur nach Mitleid gesucht habe. Seine verfickte Ex-Frau hat meinen kleinen Bruder auf dem Gewissen und der bringt sie auch noch auf die Beerdigung, dieses Arschloch", weint er richtig los und klammert sich noch fester an mich.
"Ihm hat es einfach nicht gepasst, dass du auf einmal im guten Licht da standest. Es liegt nicht an dir. Du bist ein kluger, charmanter und gutaussehender junger Mann mit ein paar Störungen und Traumata und genau das macht ihn sauer. Ich meine es echt ernst. Du wickelst jede Person um deinen Finger, die dich zum ersten Mal trifft. Mich eingeschlossen, obwohl ich andere Menschen echt nicht leiden kann und niemandem vertraue", flüstere ich ihm zu und verteile mehrere Küsschen auf seinem hübschen Gesicht.
Jungkook lächelt etwas bei meinen Worten und schaut mir dann in die Augen. Ihm fließen noch ein paar Tränen über die Wangen, aber die küsse ich sofort weg und knuddle mein Baby fest durch. Ich muss es doch ausnutzen, wenn er sich endlich wieder richtig mir gegenüber öffnet und von Liebe überschüttet werden möchte.
"Wenn er nicht mehr da wäre, würde es mir viel besser gehen", sagt Jungkook aus heiterem Himmel und wirkt in der nächsten Sekunde komplett ernst.
"Was?", kommt es bloß dumm aus mir, weil ich nicht mit der Aussage gerechnet habe.
"Er soll von der Bildfläche verschwinden. Er hätte derjenige sein sollen, der in einem Sag liegt. Er hat nichts anderes verdient. Ich will Rache für all das, was er mir angetan hat", gibt er klar und deutlich von sich.
Sprachlos sehe ich ihn an und hätte mir niemals ausgemalt, dass er sich jemals gegen seinen Vater stellen würde. Was soll ich darauf erwidern? Ihm davon abraten? Aber er hört sicherlich nicht auf mich. Vielleicht denkt er sich das im Moment, weil er so wütend und verletzt ist. Na ja, er setzt sich diesen Gedanken trotzdem in seinen Kopf fest. Egal, was auch immer ich nun sage. Ich fahre mit meiner Hand durch seine Haare und streiche sie nach hinten, während ich nach der richtigen Antwort suche.
"Hilfst du mir dabei?", fragt er mich plötzlich und legt seine Hand auf meine rechte Wange, während er mich mit süßen Kulleraugen anschaut.
"Bist du dir sicher, dass du deinen eigenen Vater umbringen möchtest?", stelle ich eine Gegenfrage und bin echt verunsichert, ob ich ihm dabei helfen soll.
"Dieser Mann ist kein Vater. Vielleicht hat er mich mit der Fotze gezeugt, aber Jin Hyung hat sich mein Leben lang ständig um mich gekümmert und mich vor ihm beschützt. Weißt du, wie oft er kurz davor war, mich in den Tod zu prügeln? Mein Glück war es, dass Hyung rechtzeitig aufgetaucht ist und mich sofort zu unserem Arzt gebracht hat. Vater hat Jimin gezwungen, mit jemanden eine Beziehung zu führen, den er nicht mal liebt. Ich wurde jahrelang von ihm misshandelt und als seinen persönlichen Sklaven missbraucht. Wenn ich dich daran erinnern darf, hat er deine Mutter elendig verrecken lassen, als dein Vater auf sie losgegangen ist. Er hätte sie beschützen können, aber das tat er nicht. Er hat dich auch mit zwei Leichen zurückgelassen und du bist im Waisenhaus gelandet. Siwon verdient nichts anderes", erwidert er und setzt sich auf, um sich über mich zu beugen und mich mit diesem verdammt gestörten Grinsen anzusehen, wenn seine Mordlust in ihm erwacht.
Als er meine Mutter erwähnt, schmerzt es in meiner Brust und diese Wut auf Siwon und meinen Vater kocht in mir hoch. Ich bin ihretwegen durch die Hölle gegangen und war jahrelang auf mich allein gestellt. Mit Siwon habe ich mich für kurze Zeit vertragen, weil ich seinen Sohn zurückhaben wollte und das habe ich nun auch geschafft. Ich schulde ihm nicht gar nichts. Mir kann es verdammt nochmal egal sein, ob der Kerl durch die Hand seines eigenen Sohnes stirbt.
Auf einmal klopft es an der Tür und jemand kommt in der nächsten Sekunde ins Zimmer. Jungkook verdreht die Augen und dreht sich zu der Person. Areum steht im Türrahmen und sieht ziemlich besorgt aus. Ich lasse meinen Blick über sie schweifen und kann langsam verstehen, wieso Jungkook sie so mag. Neben ihrem guten Aussehen ist sie auch gleichzeitig so liebenswürdig und freundlich.
"Was ist?", kommt es aus Jungkook, der es sich auf meinem Schritt gemütlich macht.
Automatisch spanne ich mich an und schließe die Augen, weil er genau auf meinem Freund sitzt und durch jede Bewegung Druck auf ihn ausübt. Kim Taehyung, reiß dich zusammen. Es wäre so unpassend, jetzt einen Ständer zu haben.
"Jane und Woosung sitzen die ganze Zeit im Wohnzimmer und warten auf euch. Du hast mit ihnen kein Wort gewechselt, seitdem wir den Friedhof verlassen haben", teilt Areum uns mit und stemmt die Hände in ihre Hüften.
"Wir kommen ja gleich. Ich habe gerade einfach meinen Taehyung gebraucht, okay? Geh schon raus", murrt Jungkook und fuchtelt mit seiner Hand herum, um sie zu verscheuchen.
Genervt stöhnt Areum auf und verlässt dann das Zimmer, während ich wortwörtlich dahin schmelze. Wie süß kann man eigentlich sein? Er hat mich, seinen Taehyung, gebraucht! Die Tür knallt hinter ihr zu und mein süßes Baby dreht sich zurück zu mir.
"Hilfst du mir?", fragt er erneut und lächelt leicht, weil er eindeutig fühlt, dass mein Kumpel da unten auf ihn reagiert.
"Ich mache alles, was du willst", antworte ich darauf und stütze mich auf meinen Ellbogen ab, um ihn anschließend am Nacken zu mir herunterzuziehen und unsere Lippen miteinander zu verbinden.
Sein Vater kann mich mal. Ich habe zwar kurzfristig Frieden mit ihm geschlossen, aber das ist nun vorbei. Von mir aus helfe ich Jungkook ihm das Leben auf der Erde zur Hölle zu machen, bevor er sich davon endgültig verabschieden muss.
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Oh, Mann. Wenn ihr wüsstet, was in meinem Kopf herumschwirrt 🤭
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