Kapitel 117

Areum und ich stehen vor dem Tor des Friedhofs, in dem eine ganze Menschenmasse zusammengefunden hat. Bevor wir her gefahren sind, habe ich mir an einer Tankstelle Zigaretten geholt, weil das nicht lange aushalten werde. Dementsprechend rauche ich gerade eine Zigarette und bereite mich darauf vor, dumme Gespräche zu führen. Meine kleine Freundin sieht etwas nervös aus und reibt sich über den Arm, während sie die Leute beobachtet, die um Sungjin und Yunai trauern. Durch ihre schwarzen Pumps ist sie etwas größer, sodass sie mir bis zum Kinn reicht. So kann ich sie wenigstens in der Masse schnell wiederfinden. Wir sind eine halbe Stunde zu früh und von meinen Brüdern ist keine Spur zu sehen.

"Und die meisten Kinder und Jugendlichen sind deine Halbgeschwister?", flüstert sie mir zu und wirkt etwas verstört.

"Wohl oder übel muss ich das bejahen", bestätige ich und nehme den letzten Zug von dem glühenden Stängel, bevor ich diesen an der Mülltonne ausdrücke und wegschmeiße.

"Das ist krank. Diese ganzen Frauen waren mit deinem Vater im Bett und spielen eine große Familie, während sie ihm das Geld aus der Tasche ziehen", erwidert sie schockiert und nimmt meine Hand in ihre.

"Erzähl mir etwas neues. Lass uns reingehen", sage ich und führe sie in den Friedhof.

Automatisch halte ich Ausschau nach Jane und Woosung, aber da es so voll hier ist, entdecke ich nicht mal Vater. Mehrere Augenpaare liegen auf Areum und mir, die uns von oben bis unten analysieren. Der Kies unter unseren Füßen knirscht, während wir zum Trauersaal laufen. Ich verstärke den Griff um ihre Hand und möchte am liebsten wieder gehen. Areum klammert sich mit ihrer anderen Hand an meinen Arm und kommt mir etwas näher, da die Ex-Freundinnen meines Vaters sie zu Grund und Boden starren. Immerhin sind sie kaum älter als Areum.

"Wen haben wir denn da? Mein Bruder Jungkook!", ruft eine bekannte Stimme, bevor sich Kibum aus der Masse zu mir durchkämpft.

"Oh, nein", murmle ich genervt.

Kibum ist ein kleiner sechzehnjähriger Bastard, der mich zu seinem Idol ernannt hat. Aus welchem Grund auch immer, möchte er so wie ich sein. Vielleicht sind es die Vaterkomplexe, da ich schon immer Vaters rechte Hand war und bei ihm leben durfte. Ich bin froh, dass ich ihn kaum sehe, sonst würde er mir sogar die Unterwäsche nachkaufen, um Anerkennung von Vater zu bekommen. Areum scannt ihn von oben bis unten ab und verzieht das Gesicht ein wenig.

"Wie geht's dir, bro? Ich habe dich lang nicht mehr gesehen. Wieso meldest du dich nie bei uns? Wir sind doch eine Familie", fragt er mich und grinst wie ein Vollidiot.

"Ich war mit anderen Dingen beschäftigt und bin bloß hier wegen Sungjin", antworte ich desinteressiert und sehe auf ihn herab, da er einen Kopf kleiner als ich ist.

"Stimmt, stimmt. Das ist extrem traurig, stimmt's? Unser Bruder war noch so klein", nickt er gespielt deprimiert.

Ich runzle die Stirn und mustere ihn genauer. Seine Augäpfel sind gerötet und ich erkenne seine braune Iris nicht mehr, weil die Pupille so geweitet ist. Areum schlägt mir leicht auf dem Arm und flüstert mir zu, dass er zugedröhnt ist, was meine Vermutung auch schon bestätigt.

"Bist du ernsthaft auf Drogen?", frage ich ihn fassungslos und schaue mich direkt nach seiner Mutter um, aber ich gebe nach wenigen Sekunden auf, da viel zu viele Menschen anwesend sind.

"Chill, bro! Die anderen haben auch was genommen, Mann! Miga, Kwon, Seoyong... Den Scheiß hält man ohne doch nicht aus! Unser Daddy ist auch noch mit deiner Mutter hier aufgetaucht. Sie führt sich wie eine Diva auf", lacht er sorgenlos.

Mir fällt alles aus dem Gesicht, da ich mir erhofft habe, dass diese Frau ein wenig Anstand hat und sich von der Beerdigung fernhält. Aber was habe ich auch von ihr erwartet? Sie ist eine egoistische Bitch, die es liebt ihren Ex-Mann leiden zu sehen.

"Deine Mutter ist auch hier?", kommt es entsetzt aus Areum.

"Scheinbar, aber nicht mehr lange", knurre ich und schubse Kibum zur Seite, um Areum mit mir zu ziehen.

"Hey! Ich wollte mich länger mit dir unterhalten!", schreit uns Kibum hinter her.

"Ach, halt doch die Schnauze, Kibum!", rufe ich ihm zu.

Mein ganzer Körper steht auf Strom, während ich uns durch die Menschenmasse zwänge. Areum stolpert mir hinterher und hält meine Hand fest, damit sie mich nicht verliert. Als wir im Saal ankommen, stoppe ich mich selbst, als ich Yunais ganze Familie um Vater herumstehen sehe. Sie schreien ihn an, dass er nicht auf die Beiden aufgepasst und sich nicht gut genug um sie gekümmert hat. Er steht wie ein Stückchen Elend vor ihnen und nickt immer wieder. Sein Anblick ekelt mich an. Wie kann man so eine Lusche sein?

"Jungkook, da ist sie", sagt Areum und zeigt auf die erste Stuhlreihe vor den zwei Sägen.

Ruckartig lasse ich ihre Hand los und gehe auf meine Mutter zu. Kann diese dumme Fotze nicht wieder aus unserem Leben verschwinden? Als ich vor ihr zum Stehen komme, packe ich sie am Arm und reiße sie zu mir nach oben. Erschrocken schreit sie auf und krallt ihre Fingernägel in meine Hand, während sie mir hoch in die Augen schaut. Areum ist mir nachgerannt und versucht meinen Griff, um Mutters Arm zu lösen, jedoch gebe ich nicht nach.

"Was zur Hölle machst du hier, du widerwärtige Schlampe?", zische ich sie leise an.

"Lass sie los. Du lenkst die ganze Aufmerksamkeit auf euch", redet Areum auf mich ein und wirkt etwas gestresst.

"Was soll ich hier schon tun? Ich trauere", lächelt sie mich scheinheilig an und ignoriert Areum komplett.

"Wenn du wirklich denkst, dass du ungeschoren davon kommst. Dann hast du dich geirrt. Ich werde dich für alles, was du mir und meinen Brüdern angetan hast, büßen lassen", flüstere ich ihr ins Ohr und bohre meine Finger in ihren Oberarm.

"Wie redest du eigentlich mit mir? Was soll ich dir schon angetan haben? Ich bin deine Mutter!", faucht sie mich leise an und versucht mir ihren Arm zu entziehen.

"Du bist bloß ein weiteres Flittchen von Vater. Mehr nicht. Also verpiss dich oder soll ich dir dabei helfen?", erwidere ich und schubse sie nach hinten, was sie zum Taumeln bringt.

Myunghee starrt mich aufgebracht an und öffnet den Mund, um mir eine Standpauke zu halten, aber bemerkt schließlich auch, dass uns alle beobachten und untereinander tuscheln. Sie wirft mir einen verächtlichen Blick zu, bevor sie auf ihrem Absatz kehrt macht und wegläuft. Ich drehe mich zu Vater um, der mich aussdruckslos ansieht, aber mir unauffällig einen Daumen nach oben zeigt.

Was ein Versager... Vor diesem Mann habe ich mich so lange gefürchtet, aber er ist bloß ein schwacher und erbärmlicher Mensch.

"Jungkook, komm. Wir gehen nochmal raus. Frische Luft schnappen", fordert mich Areum auf und greift mit zittrigen Händen meine Hand.

Jedes Mal, wenn ich mich mit diesen abartigen Leuten abgebe, geht es mir beschissen. Kibum hat vollkommen recht. Man hält es keine Sekunde mit dieser gestörten Menschenmasse aus. Die tun so als wären wir alle total glücklich mit dieser kranken Situation, aber solange Siwon alles bezahlt machen wir alles mit. Ich habe mir jahrelang den Arsch aufgerissen und die Drecksarbeit für alle gemacht, um irgendwann Vaters Position einzunehmen. Soll ich mich dann ernsthaft, so wie Vater um alle kümmern? Bis ich der Kopf vom ganzen Geschäft bin, hat er noch weitere Kinder gezeugt. Ich kann das nicht mehr zulassen. Ich will jetzt schon über das Schicksal der anderen bestimmen. Ich habe mir das nach all den Jahren verdammt nochmal verdient. Kein anderer hat so viel für diesen Mann getan wie ich.

"Hey, geht es dir gut? Du bist auf einmal so blass", fragt sie mich besorgt und streicht mir durch die Haare.

"Ja, alles super. Gehen wir nach draußen", antworte ich ihr und lege meine Hand unter ihr Kinn um ihren Kopf aufzurichten, da sie ständig versucht sich zu verstecken.

Ein verlegenes Lächeln bildet sich auf ihrem Gesicht und sie hinterlässt einen kleinen Kuss auf meiner Wange. Automatisch sehe ich Vater an, dessen Gesichtszüge verhärtet sind und Areum hasserfüllt anstarrt. Ich weiß ganz genau, dass er sie extrem attraktiv findet und nicht versteht, wieso sie mich mag und ihn nicht mal mit dem Arsch anschaut. Ein breites Grinsen bildet sich auf meinen Geischt, während wir den Trauersaal verlassen und die Blicke von Yunais Angehörigen ignorieren. Areum verschränkt unsere Finger miteinander und führt mich durch die Menschen. Um uns herum reden die Leute darüber, dass ich einmal etwas gut gemacht habe, da meine Mutter sich unmöglich benommen hat. Andere wundern sich, wer meine hübsche Begleitung ist, da ich noch nie mit einer Frau aufgetaucht bin.

Plötzlich entdecke ich im Augenwinkel einen lilanen Haarschopf und halte in meinen Bewegungen inne. Areum dreht sich verwundert zu mir um, jedoch laufe ich schon in die Richtung und schleife sie mit mir.

"Hey, Jungkook!", ruft eine blonde Frau plötzlich und versperrt mir den Weg, um mich breit anzugrinsen.

Abrupt bleibe ich stehen, sodass Areum gegen meinen Rücken knallt. Verwirrt starre ich die Kleine an und realisiere keine Sekunde später, dass es Suji ist.

"Oh, du bist blond. Schwarze Haare stehen dir mehr", gebe ich weniger begeistert von mir und betrachte ihre langen blonden Haare, die ihr bis zum Po reichen.

Suji ist genau ein Jahr jünger als ich und arbeitet für meinen Vater. Dementsprechend ist sie mit Jane, Woosung und mir aufgewachsen, jedoch ist sie in eine andere Stadt gezogen, weshalb wir den Kontakt verloren haben. Sie trägt eine enge Jeanshose und ein langarmiges Shirt, wodurch man ihre zierliche Statur deutlich erkennt. Sie kommt mir nur bis zur Brust und muss zu mir hochschauen. Sie ist zwar klein und fein, aber sie hat mir schon öfter beinahe die Schulter ausgekugelt.

"Wow, was eine schöne Begrüßung. Naja, ich habe eben von den anderen mitbekommen, dass du deine Mama weggeschickt hast. Wann ist sie von den Toten auferstanden? Ich dachte, dass die Alte sich für immer verpisst hat", lacht sie und verschränkt die Arme vor der Brust.

"Frag mich nicht. Allein bei ihrem Anblick könnte ich kotzen", verdrehe ich die Augen.

"Glaub ich dir. Die Alte interessiert mich auch nicht wirklich, wenn ich so eine hübsche Dame an deiner Seite sehe. Wer ist das? Deine feste Freundin?", meint sie und analysiert Areum von oben bis unten, während sie sich über die Lippen leckt.

"Ich bin Areum. Eine gute Freundin von ihm und du?", stellt sich Areum lächelnd vor und hält ihr die Hand hin, die Suji direkt ergreift und einen Kuss auf Areums Handrücken hinterlässt.

Areums Wangen nehmen einen rötlichen Ton an, was Suji breit grinsen lässt. Skeptisch betrachte ich die Beiden und bin etwas sprachlos, dass sie so auf die Offensive geht.

"Ich heiße Suji und bin eine seiner besten Freunde gewesen. Wir sind zusammen aufgewachsen und haben uns gegenseitig die Mädchen und Jungs vor der Nase weggeschnappt. So nebenbei hast du vielleicht Interesse an Frauen?", fällt sie direkt mit der Tür ins Haus und zwinkert ihr zu.

"Vergiss es. Sie hat kein Interesse an dir", gehe ich dazwischen und schnippse Suji gegen die Stirn.

"Hat sie etwa Interesse an dir?", gibt sie völlig entsetzt von sich und hält sich eine Hand vor die Brust.

Areum lacht bei ihrer Reaktion und verneint schlagartig mit den Worten, dass sie mich bloß als kleinen Bruder sieht. Seinen kleinen Bruder küsst man aber nicht mehrmals auf die Lippen. Ich hebe eine Augenbraue und sehe sie skeptisch an, wodurch sie schlagartig aufhört zu lachen und mir gegen die Brust haut.

"Jane und Woosung haben mir erzählt, dass du völlig am Rad drehst, aber scheinbar ist das nicht mehr der Fall. Ich bin froh, dass es dir gut geht", sagt Suji und klopft mir auf die Schulter.

Ernsthaft? Mir soll es gut gehen? Ich bin auf der Beerdigung von meinem Halbbruder, dessen Tod teilweise meine Schuld ist, weil meine gestörte Mutter und mein Freund ihn umgebracht haben. Aber kein Schwein interessiert es hier, die führen sich alle so auf, als wäre das eine Geburtstagsfeier. Es ist ziemlich unfair, dass ich als Psychopath bezeichnet werde, während alle anderen ein Herz aus Eis haben.

"Wenn ich mich mit meiner Familie zu tun habe, geht es mir nie gut", erwidere ich und lache humorlos auf.

Suji runzelt ihre Stirn und fragt mich, was ich damit meine. Ich hebe die Augenbrauen an und bin echt überrascht, dass sie mich das ernsthaft fragt. Areum durchbohrt sie mit ihrem Blick und denkt wohl dasselbe wie ich.

"Hast du dich mal umgeschaut? Achtzig Prozent der Anwesenden stammen aus dem selben Sack", kommt es trocken und abgeneigt aus Areum.

Meine alte beste Freundin lacht schallend los und schlägt sich eine Hand vor den Mund, während ich regungslos dastehe und ernüchternd akzeptieren muss, dass Areum Recht hat. Suji schmeißt sich ihr um den Hals und kriegt sich gar nicht mehr ein. Ich kneife die Augen zusammen und würde das Blondchen gerne gegen eine Wand schmeißen. Offensichtlich findet Areum Suji sympathisch, da sie über das ganze Gesicht strahlt, während sie sich umarmen. Wahrscheinlich findet sie ihren Spruch auch total witzig.

"Also wenn du keinen Bock mehr auf Jungkook hast, kannst du gerne zu mir kommen, Areum. Du bist ziemlich witzig und ich würde die Welt zu Füßen legen", meint Suji kichernd und verschränkt ihre Hände mit Areums, um sie hin und her zu schwingen.

"Danke für das Angebot. Aber ich denke, dass ich bei ihm ganz gut aufgehoben bin. Immerhin lasse ich ihn bei mir wohnen", grinst Areum und schaut mich lieb an.

"Oh, du lebst bei ihr? Und da läuft nichts? Du machst irgendetwas falsch, Schätzchen", wendet sich Suji an mich und zieht die Augenbrauen zusammen.

"Du nervst", werfe ich ihr an den Kopf und bringe sie zum Schmollen.

"Wieso bist du bloß so gemein zu mir?", fragt Suji traurig.

"Weil du es nicht anders verdient hast", gebe ich trocken zurück und kassiere jeweils einen Schlag von Suji und Areum.

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Ich entschuldige mich jetzt schon für die Rechtschreibfehler und die grausame Grammatik.

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