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Rubin POV
10 Minuten vor dem Angriff der C-Dolls
»Hayley willst du denn nichts essen? «, fragte ich sie und setzte mich ihr gegenüber an den Esstisch. Hayley schüttelte den Kopf. »Ich hab' keinen Hunger«
»Bist du dir sicher? «
Sie nickte. »Hm okay«, erwiderte ich bloß und aß den Brei vor mir. Viel Auswahl gab es sowieso nicht, aber wenn man schon daran gewöhnt war, war es kein Problem. Ab und zu vermisste ich natürlich das Essen im Palast. Da gab es großartige Sachen. Vieles davon kannte ich nicht einmal, aber alles schmeckte wundervoll.
Es verging kein Tag an dem ich nicht an El dachte. Sie hatte mich gerettet, mir quasi ein neues Leben gegeben und im Gegenzug dafür hatte ich ihr nicht einmal helfen können. Oft schimpfte ich mit mir selbst warum ich an jenem Tag nicht einfach auf sie gehört, sondern stattdessen ihren Plan gefährdet hatte. Manchmal vermisste ich El. Sie hatte eine beruhigende Aura, obwohl sich so viel Hass und Rachegefühl in ihr verbargen. Dennoch war sie ein guter Mensch, denn sie richtete ihren Hass nur auf diejenigen, die es tatsächlich verdienten. Sie kümmerte sich um andere, sorgte sich um das Volk und wollte den Adel stürzen. El war vielleicht nicht die freundlichste oder positivste Person, aber niemand konnte es ihr übelnehmen. Wer in dieser Stadt war schon freundlich oder glücklich?
»Worüber denkst du nach? «, riss mich Hayleys Stimme plötzlich aus meinen Gedanken.
»El«, antwortete ich wahrheitsgemäß.
»Vermisst du sie auch? «
»Manchmal, ja«
»Ich auch«, entgegnete die Kleine und seufzte dann. »Können wir nicht irgendwas spielen? «, fragte sie dann.
»Natürlich. Was würdest du denn gerne spielen? «, entgegnete ich und stand kurz auf, um mir ein Glas Wasser zu holen.
Sofort hellte sich ihr Gesicht vor Freude auf und ich lächelte automatisch. Es war so einfach Kinder glücklich zu machen.
»Warte! «, rief sie euphorisch und rannte in unser Zimmer. Kurz daraufhin kam sie mit einem Brettspiel in der Hand zurück. »Okay, du musst mir dann aber die Spielregeln erklären«, sagte ich, setzte mich wieder an den Tisch und trank mein Wasser.
»Das ist ganz einfach! «, versicherte sie und zog dabei das Wort „ganz" in die Länge. Ich kicherte über ihre Freude und lehnte mich dann über den Tisch mehr in ihre Richtung, um das Spielbrett besser sehen zu können. Hayley begann damit mir die Spielregeln zu erklären und genau wie sie es gesagt hatte war das Spiel ganz einfach zu erlernen.
»Okay, also ich fange jetzt an«, gab sie Bescheid und warf beide Würfel in die Mitte, wobei einer davon aus Versehen in meinem Glas landete. »Ups! «, rief sie kichernd. »Sorry! «
»Kein Problem«, erwiderte ich lachend und holte den Würfel aus dem Glas.
»Dein Wasser sieht komisch aus«, sagte Hayley dann und beäugte das Trinkglas. Ich sah es mir an, aber verdächtig schien es mir nicht. Ein paar mehr Partikel als üblich schwammen zwar darin herum, aber das war nichts Außergewöhnliches, da die Kläranlagen schon lange nicht mehr sauber genug waren, um uns mit hundert Prozent sauberem Wasser zu versorgen.
»Für mich sieht es normal aus«, meinte ich und zuckte mit den Schultern. »Weiß nicht«, sagte Hayley. »Was schwimmt da so herum«
»Es ist nur Staub«, erklärte ich. »Heute scheint das Wasser weniger sauber zu sein als üblich«
Hayley verzog ihr Gesicht. Ich lachte und gab ihr den Würfel, nachdem ich ihn aus dem Wasser geholt hatte. Hayley würfelte noch einmal und ging dann mit ihrer Spielfigur die entsprechende Zahl an Schritten.
»Jetzt bist du dran«, sagte Hayley grinsend und reichte mir beide Würfel. Lächelnd schüttelte ich sie etwas in meiner Hand und warf sie dann in die Mitte.
»Okay, also sechs Schritte-«
»Rubin, Hayley! «, rief jemand plötzlich. Erschrocken drehten wir uns um und sahen Harper die Treppen hochsteigen. Er kam mit schnellen Schritten auf uns zu und fing an eilig das Spiel wegzupacken. »Geht in euer Zimmer. Holt euer wichtigstes Hab und Gut«, ordnete er uns dann an.
»Was ist los? «, fragte ich mit einem nun erhöhten Puls. Mein Herz schien mir aus der Brust zu fallen.
»Wir werden angegriffen«, erklärte er knapp und schubste Hayley sanft Richtung Zimmer. »Beeilt euch! «, rief er dann und rannte dann in sein Schlafzimmer.
Hayley und ich besaßen sowieso nicht viel. Sie holte den Teddybären den El ihr schon vor langer Zeit geschenkt hatte und ohne den sie nicht schlafen konnte. Ich hingegen sah mich um und bemerkte, dass ich nichts besaß das wirklich mir gehörte. Selbst die Kleidung die ich trug waren Els. Ich verzog das Gesicht, denn erst da wurde mir klar, dass ich noch nie etwas besessen hatte das ich als meins bezeichnen konnte. Trauer erfüllte mich, doch ich konnte mich davon nicht lähmen lassen, da wir es eilig hatten und ich mich außerdem um Hayley kümmern musste.
»Brauchst du noch irgendetwas? «, fragte ich sie, woraufhin Hayley den Kopf schüttelte. »Okay«, murmelte ich und nahm sie dann an der Hand.
»Wir sind bereit! «, rief die Kleine in Harpers Richtung, der daraufhin in seiner Kampfausrüstung aus dem Zimmer kam. Er hielt seine selbstentwickelte Schutzmaske in der rechten Hand und sah uns an. »Rubin, hast du nichts das du mitnehmen möchtest? «, fragte er mich dann. Ich schüttelte den Kopf und starrte dabei auf den Boden. Immer noch tat ich mich in der Gegenwart von Männern schwer. Ansehen konnte ich sie nicht wirklich und selbst wenn jemand mich aus Versehen berührte bekam ich Panik. Ich mochte ihre Anwesenheit nicht, weshalb ich mich von ihnen fernhielt. Selbst Harper, der mir sehr geholfen und mir ein Dach über den Kopf gegeben hatte, konnte ich noch immer nicht in die Augen schauen. Er wusste, dass die Anwesenheit von Männern mich anspannte und quasi Panikattacken bei mir auslöste, weshalb er sich die meiste Zeit über draußen oder in seinem Büro befand. Wenn abends seine Kundschaft hier war, erlaubte er uns sowieso nicht unser Zimmer zu verlassen, außer wenn wir auf die Toilette mussten. Aber diese befand sich sowieso auf unserem Korridor, weshalb uns seine Kunden nicht sehen konnten.
»Hier entlang! «, rief Harper und zeigte uns die entgegengesetzte Richtung von der Haustür. Ich runzelte die Stirn. Wohin führte er uns denn? Wollten wir nicht nach draußen? Stattdessen gingen wir in den Abstellraum weiter hinten. Dort fing Harper plötzlich an irgendwelche Sachen aus dem Weg zu räumen. Überrascht blickten Hayley und ich uns an als er auf einmal so etwas wie eine breite runde Tür aus dem Boden hob.
»Ich habe diesen geheimen Ausgang genau für solche Fälle bauen lassen. Sie ist fünfzig Kilometer lang und führt zu diversen Häusern und Ausgängen. Aber nur ein Ausgang ist der Richtige und das wissen nur unsere Leute. Charles' Soldaten werden euch nicht finden solange sie den Weg nicht kennen«, erklärte er uns eilig.
»Was, wenn sie uns doch finden? «, fragte Hayley mit besorgter Stimme.
»Dieser Tunnel ist wie ein Labyrinth dessen Karte nur wir besitzen«, versicherte Harper uns. »Zudem haben wir über die Jahre viele Fallen und Sicherheitsmaßnahmen aufgebaut«
Hayley sah dennoch besorgt aus und auch ich wusste nicht was ich davon halten sollte. Was wenn wir aus Versehen in eine Falle gerieten?
»Macht euch keine Sorgen, okay? «, sagte Harper und legte seine Hand auf Hayleys kleine Schulter. Dann sah er mich an. »Ich kann euch leider nicht begleiten, aber ihr werdet nicht alleine sein. Hunderte von Menschen werden diese Tunnel betreten, wenn sie es hoffentlich rechtzeitig schaffen«
»Was, wenn uns bis dahin Charles' Soldaten in den Tunnel angreifen? «, fragte ich nun und sah ihn diesmal dabei kurz an, bevor ich meinen Blick wieder abwandte.
»Mehrere kleine Truppen werden für eure Sicherheit sorgen«, antwortete er. »Bleibt immer zusammen, okay? Ihr seid nun füreinander verantwortlich«
Hayley und ich nickten, wobei sie meine Hand drückte und näher an mich heran rückte.
»Onkel Harpi? «, fragte Hayley.
»Ja, Kleines? «
»Werden wir uns wiedersehen? «
Bei dieser Frage schaute ich nun wieder auf uns sah Harper an. Daran hatte ich noch gar nicht gedacht. Würden wir ihn wieder sehen? Was, wenn er den Angriff nicht überlebte?
Harper lächelte und zog Hayley etwas zu sich heran. »Ich habe geschworen euch beide zu schützen und ich werde mein Wort halten«, sagte er. »Wenn ihr beide an mich denkt und für mich betet wird Gott ja eure Gebete vielleicht erhören und mich lebend da rausbringen«, fuhr er fort. Hayley nickte besorgt und ließ meine Hand dann los, um ihn zu umarmen.
»Wir werden an dich denken«, versicherte sie. Harper streichelte kurz ihren Kopf und löste sich dann von ihr. »Ihr müsst jetzt los. Wir dürfen keine weitere Zeit verlieren«
»Harper! «, rief plötzlich eine weibliche Stimme aus dem Tunnel und erschrocken sahen wir in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war.
»Selina«, begrüßte Harper sie. Beide schienen sich zu kennen. »Rubin, Hayley, das ist Selina. Sie und ein paar andere unserer Leute werden euch an einen sicheren Ort begleiten. Falls etwas schiefgehen sollte habt ihr dort genug Vorrat für zwei Jahre«
Wir nickten. Dann ging Hayley auf die runde Falltür zu und stieg die Leiter herunter bis Selina sie abfing. Schließlich war ich an der Reihe und stieg die Leiter herunter, doch bevor Harper die Falltür zumachen konnte hielt ich ihn davon ab.
»Harper? «
Überrascht sah er mich an und machte die Falltür wieder etwas auf, um mich sehen zu können.
»Ja, Rubin? «
»Danke für alles«, sagte ich und sah ihm das erste Mal direkt in die Augen. »War mir eine Ehre«, erwiderte er mit einem warmherzigen Lächeln und schloss schließlich die Tür. Ich blickte noch einige Sekunden auf die Stelle, in der sich gerade eben noch ein großes Loch befunden hatte und nahm dann Hayley wieder an die Hand. Selina und zwei weitere Frauen befanden sich hier, aber nur eine von ihnen besaß eine Taschenlampe.
»Reibt das hier in eure Augen«, forderte Selina uns plötzlich auf und hielt uns eine kleine Cremedose hin. Mit gerunzelter Stirn starrten wir sie an. »Keine Sorge, es brennt nicht«, versicherte sie. Wir taten wie geheißen und schmierten uns die Creme so gut es ging in die Augen, was etwas unangenehm war und sich komisch anfühlte.
»Hier entlang«, sagte Selina als wir fertig waren und ging uns voraus. Die beiden anderen Frauen befanden sich hinter uns. Jemand machte die Taschenlampe aus und ich fragte mich wie wir überhaupt etwas sehen sollten als plötzlich kleine Punkte, die parallel zueinander verliefen, in der Dunkelheit aufleuchteten und uns den Weg zeigten.
»Könnt ihr die Lichter nun sehen? «, fragte die Frau hinter uns. »Ja«, antworteten Hayley und ich gleichzeitig. »Gut«, erwiderte sie. »Diese kleinen Pünktchen die ihr seht sind quasi Lampen, die auf die Substanz in der Creme reagieren, die ihr aufgetragen habt. Sie zeigen uns den richtigen Weg«, erklärte sie. »Ansonsten würden wir uns in diesem Labyrinth verlaufen und wahrscheinlich nie wieder das Tageslicht zu sehen bekommen«
Ich nickte bloß und Stille breitete sich schließlich aus. In den nächsten Stunden, die sich wie eine Ewigkeit anfühlten, hörten wir nichts anderes als das Tropfen von Wasser und unsere eigenen Schritte.
Hoffe es hat euch gefallen <3 Lasst doch paar Kommentare dar mit euren Theorien und Ideen. Bin mal gespannt ^^
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