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Viel Spaß beim Lesen <3

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Die Straßen waren dunkel, Ethan war nirgends zu sehen. Er musste entweder in der Nähe geparkt haben, was ich bezweifelte, oder er war von all dieser Scheiße weggerannt. Ich war immer noch schockiert und verwirrt. Wie hatte Ethan das alles so schnell lösen können? Wieso hatte er niemandem von meiner wahren Identität erzählt? Was wenn doch?, ging es mir plötzlich durch den Kopf. Was wenn Ethan doch nicht vertrauenswürdig war und er nur auf den richtigen Moment wartete, um Harper und mich seinem Vater auszuliefern?

So schnell wie möglich ging ich zurück Richtung Wald. Dabei liefen mir einzelne Menschen in dunklen Gassen entgegen oder saßen einfach nur an Ecken. Manche schliefen zusammengerollt auf dem kalten Boden. Unterschiedlicher Gestank stieg mir in die Nase. Diese Gerüche hatte ich bestimmt nicht vermisst, aber dennoch würde ich gerne wieder in meinem alten Haus wohnen. Dort wo all dies begonnen hatte.

Nachdem ich mein Auto erreichte, stieg ich ein und fuhr zum Royal Palace. Ich war mir sicher, dass Charles mich indirekt fragen würde was ich heute Nacht gemacht hatte und wo ich gewesen war. Auf dem Nachhauseweg dachte ich darüber nach, ob ich Charles' Tod vorverlegen sollte. Ich hatte lange genug gewartet, nicht? Aber seinen Tod hatte ich noch viel länger geplant als ich gewartet hatte. Eine spontane Veränderung könnte alles zunichtemachen.

Als wäre alles bis jetzt genau nach Plan verlaufen, ging es mir durch den Kopf und ich schnaubte. Ich konnte immer noch nicht fassen, dass Harper und Ethan zusammenarbeiteten. Wie war das möglich? Harper hätte mir die Wahrheit sagen sollen, egal ob Ethan ihn gebeten oder ihm gedroht hatte zu schweigen. Er war mein bester Freund! Wie hatte er mich so im Dunkeln lassen können?

Im Parkhaus angekommen stieg ich schließlich aus und machte mich auf den Weg nach oben. Der ganze Weg war mir viel länger vorgekommen als er eigentlich war. Wahrscheinlich weil ich ständig daran denken musste was ich meinem Mann sagen würde und was er erwidern würde. Ich war mir sicher, dass er mich hasste. Es ging nicht anders. Er war in letzter Zeit immer seltsamer mir gegenüber geworden, immer distanzierter. Ich wusste, dass die Wahrheit ihn verletzt hatte. Ethan dachte sich wahrscheinlich, dass ich ihn nicht einmal liebte. Aber ich tat es. Ich liebte ihn wirklich. Abgesehen davon hatten wir beide eine mysteriöse Verbindung und Anziehungskraft, die wir nicht erklären konnten. Das musste was bedeuten, oder?

Etwas nervös betrat ich oben angekommen den Flur und lief auf die Wohnungstür zu. Ob Ethan wohl auf mich wartete? Oder war er woanders hingefahren, weil er mich nicht sehen wollte? Ich atmete ein Mal tief ein und aus und betrat dann unsere Wohnung. Mein Herz fing an zu rasen. Wieso war ich so nervös verdammt nochmal?

Weil ich Angst habe ihn zu verlieren, ging es mir durch den Kopf.aHHH

Leise schloss ich die Tür hinter mir und folgte dem Flur entlang zu unserem Schlafzimmer. Alles sah unberührt aus. Die Wohnung schien leer. Mein Herz klopfte vor lauter Nervosität immer noch wie wild. Vom Schlafzimmer aus ging ich ins Wohnzimmer und erschrak leicht.

Ethan stand vor dem Kamin und hatte mir somit den Rücken zugewandt. Er hielt etwas in der Hand. Es war ein eingerahmtes Bild. »Ethan«, sagte ich leise. Als ich seinen Namen aussprach klang es wie etwas das zerbrechen würde wenn ich nicht vorsichtig genug war.

»Ich erinnere mich an das erste Mal als du mir begegnet bist«, hörte ich ihn nun sagen. Ethan klang als würde er lächeln, aber gleichzeitig schien er traurig zu sein. »Ich war fasziniert von dir, du hattest solch eine Anziehungskraft auf mich...so etwas hatte ich noch nie in meinem Leben verspürt«, redete er weiter. »Und von dem Moment an wusste ich du warst etwas Besonderes. Ich wusste, dass du und ich füreinander bestimmt waren« Nun stellte er das Bild wieder auf den Kaminsims. Es war eines unserer Hochzeitsbilder.

»Aber ich wusste auch, dass du etwas vor mir verbargst...etwas Großes, ein Geheimnis das dir einen besonderen Charme gab« Mein Mann drehte sich schließlich zu mir um und sah mich an. »Ich hätte nur nicht gedacht, dass dein Geheimnis so etwas Gravierendes sein würde. Ich meine...eine ganz andere Identität? « Er schnaubte.

»Ethan«, sagte ich. Endlich sah er mir in die Augen. Diesmal trug ich meine Kontaktlinsen, auch wenn ich mir nicht sicher war, ob er vorher meine wahre Augenfarbe bemerkt hatte oder nicht. »Du weißt nicht wie leid es mir tut«, redete ich weiter. »Ich wollte dich nie verletzten... zumindest nicht nachdem ich dich wirklich kennengelernt habe«

Er hob eine Augenbraue. »Nachdem du mich kennengelernt hast? «

»Am Anfang dachte ich du wärst genau wie dein Vater, Ethan«, erklärte ich. »Ich wusste nicht wie liebevoll, fürsorglich und gut du warst. Ich dachte du seist eine unmoralische, korrupte, machthungrige und herzlose Person wie Charles«

Ethan schnaubte und wandte seinen Blick ab. »Aber als ich dich kennengelernt habe war da etwas Besonderes zwischen uns, genauso wie du es beschrieben hast und ich wusste ich riskierte alles was ich seit siebzehn Jahren geplant hatte, indem ich dir mein Herz öffnete und Gefühle zuließ, obwohl ich dachte ich würde so etwas niemals für jemanden empfinden«

Ethan sah mir nun wieder in die Augen. Er wirkte traurig, aber er schien mir zu glauben. Langsam ging ich auf ihn zu.

»Ich liebe dich, Ethan«, sagte ich. »Ich habe dich nie angelogen, wenn es um meine Gefühle für dich ging« Nun stand ich direkt vor ihm. Seine grünen Augen erwiderten meinen Blick und huschten dann über mein Gesicht, bevor Ethan sich von mir abwandte und Richtung Fenster lief.

»Wieso hast du mir nicht die Wahrheit gesagt? «, fragte er.

»Kannst du es mir denn verübeln? «, entgegnete ich. »Du bist Charles' Sohn. Ich konnte dir nicht vertrauen«

»Vielleicht nicht am Anfang, aber danach? «

Seufzend ging ich wieder auf ihn zu. Sein Rücken war zu mir gedreht, während er aus dem Fenster blickte, weshalb ich mich vor seine Sicht zwang.

»Du hast mich damals gefragt ob ich dir denn nicht vertraue und ich habe dir die Wahrheit gesagt als ich sagte, ich würde dir nur in bestimmten Dingen vertrauen«

Ethan seufzte und schüttelte leicht den Kopf. Er sah verletzt aus und ich wusste, dass es meine Schuld war.

»Wie lange weißt du es schon? «, fragte ich schließlich.

»Seit ein paar Monaten«

»Seit ein paar Monaten?! «, wiederholte ich etwas schockiert. »Wieso hast du mich nie damit konfrontiert? «

»Weil ich wollte, dass du mir genug vertraust um mir die Wahrheit zu sagen, aber Harper hatte recht«, antwortete er. »Er hatte mich gewarnt, dass du mir niemals genügend Vertrauen schenken würdest, weil du niemandem völlig vertraust«

So etwas wie Trauer breitete sich in mir aus als er das sagte, da er recht hatte. »Es tut mir leid«, flüsterte ich. »Ich wollte nie, dass du die Wahrheit erfährst, weil ich dich nicht verletzen wollte«, erklärte ich. »Ich weiß du hasst mich jetzt wahrscheinlich, was deine distanzierte Art erklären würde, aber ich spreche aus Erfahrung wenn ich sage, dass Hass einen von innen heraus zerstören kann, ohne dass man es bemerkt« Ich wartete auf seine Antwort doch er blieb still. Er hatte mir nicht widersprochen als ich sagte er würde mich hassen, weshalb ich mich zum Gehen wandte. Wahrscheinlich wollte er im Moment einfach nur allein sein.

»Ich könnte dich niemals hassen, El«, hörte ich ihn aber plötzlich sagen. Seine Hand hielt mich nun an meinem Handgelenk fest, sodass ich mich zu ihm umdrehen musste. »Ich bin verletzt, El. Deshalb war ich so distanziert, nicht weil ich dich hasse. Das könnte ich niemals«, erklärte er nun. »Dafür liebe ich dich viel zu sehr«

Mein Herz erweichte bei seinen Worten. Aber konnte ich ihm denn glauben? Was wenn er mich anlog, um am Ende zu bekommen was er wollte? Auch wenn ich nicht wusste was das genau sein könnte. Nein das konnte nicht sein, oder? Damals im Krankenhaus hatte ich seine Seele gesehen und sie war gut.

»Wieso hast du mein Geheimnis bis jetzt für dich behalten? «, fragte ich schließlich.

»Warum sollte ich es überhaupt jemandem erzählen, El? «, entgegnete er. »Charles würde dich umbringen und davor würde er dich quälen bis du ihn anflehen würdest dich von dem Leid zu erlösen«

Die Erinnerung als Charles meine Eltern gefoltert und umgebracht hatte erschien nun vor meinem inneren Auge.

»Du weißt nicht wozu ich im Stande bin Ethan«, sagte ich. »Wenn jemand leidet wird es Charles sein«

»Ich weiß, dass du ihn umbringen willst, aber willst du ihn denn wirklich foltern? «

»Wie kann es sein, dass es dir kaum etwas auszumachen scheint, dass ich deinen Vater umbringen will? Er ist immerhin dein Vater«

Ethan schnaubte. »Er mag mir einen Ort zum Schlafen und Essen gegeben haben, aber er ist nicht mein Vater. Er ist ein böser Mensch und es wird Zeit, dass er stirbt«, antwortete er. »Er hat schon viel zu lange gelebt« Natürlich wusste er über Charles' Langlebigkeit Bescheid, immerhin war er sein Sohn. Aber er hatte es vorher noch nie offen ausgesprochen. Während das Volk dachte Charles' Langlebigkeit sei dem medizinischen und technischen Fortschritt zu verdanken, wussten die meisten Adeligen, dass es daran lag, dass Charles seit fast zwei Jahrhunderten Iblis' treuster Anhänger war. Somit war die Langlebigkeit ein Geschenk an Charles vom Teufel höchstpersönlich.

»Und es macht dir wirklich nichts aus, dass ich ihn von Anfang an nur ermorden wollte und deshalb in diese Familie eingeheiratet bin? «

»Natürlich wünsche ich mir wir hätten uns unter anderen Umständen kennengelernt, ohne all diese Geheimnisse, aber dass du einen bemerkenswerten Anteil der Menschheit von Charles' Herrschaft befreien möchtest indem du ihm das Leben nimmst macht mir nichts aus«

Wie konnte er das sagen? Natürlich hasste ich Charles, aber dennoch hatte ich eine andere Reaktion erwartet. Ein wenig Trauer vielleicht?

»Er ist dein Vater«, wiederholte ich mich. Forschend sah ich Ethan in die Augen. Ich wusste, dass die beiden keine gute Beziehung zueinander pflegten und wahrscheinlich wusste Ethan auch, dass sein Vater Maria misshandelte und nebenher sexuelle Beziehungen mit vielen anderen Frauen und Männern führte, aber trotzdem hatte ich erwartet er würde wütend darüber sein, dass ich seinen Vater umbringen wollte. Oder dass Ethan etwas traurig oder schockiert sein würde. Vielleicht hatte er ja diese Information in den letzten paar Monaten bereits verarbeitet?

»Er ist nicht mein Vater«, widersprach Ethan mir und schüttelte dabei leicht seinen Kopf.

»Ich weiß, dass ihr nicht unbedingt eine liebevolle Vater-Sohn-Beziehung habt, aber dennoch hat er dich großgez-«

»Meine Mutter hat mich großgezogen, El«

»Trotzdem ha-«

»Er ist nicht mein Vater, El«

»Ethan, ich verstehe ja, dass-«

»Nein«, unterbrach er mich erneut. »Du verstehst es nicht« Mein Mann sah mir eindringlich in die Augen. »Er ist nicht mein Vater«, wiederholte er mit einem ernsten Blick.

Mit gerunzelter Stirn starrte ich ihn verwirrt an. Erst jetzt verstand ich was er meinte. Charles war nicht sein Vater. Zumindest nicht sein biologischer Vater. Aber wie? Wie konnte-

Seine grünen Augen.

Schockiert ging ich einen Schritt zurück.

»Ich bin ursprünglich aus dem Hause Mikaels«, beantwortete Ethan meine unausgesprochene Frage. »Deshalb sind du und ich füreinander bestimmt«

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