80

Ich parkte das Auto an einer angemessenen Stelle und stieg aus. »Mrs. Creeg, ich bin Lieutenant McKay«, stellte sich ein großgewachsener grauhaariger Mann mir vor. »Ich werde die Ehre haben Sie mit dem Gelände vertraut zu machen und Ihnen all Ihre Fragen zu beantworten«

Ich nickte. »Erfreut Sie kennenzulernen«

»Die Freude liegt ganz meinerseits Ma'am«

Lächelnd zeigte er mir den Weg und ich folgte ihm. »Mr. Creeg ist heute nicht in London? «, fragte er mich plötzlich.

»Mein Mann ist mit anderweitigen Dingen beschäftigt und hat mich gebeten für ihn einzuspringen« Dabei dachte ich daran, dass er sich momentan wahrscheinlich auf unserem Sofa breit machte. »Gibt es denn etwas Bestimmtes das Mr. Creeg gerne wissen würde? «, fragte er. »Normalweiser bekommen wir keinen unangekünd-«

»Lieutenant McKay, weder mein Mann noch ich müssen uns bei Ihnen rechtfertigen« Mit einem strengen Blick sah ich ihm in die Augen. Misstrauisch erwiderte er meinen Blick, doch versuchte diesen mit einem Lächeln zu kaschieren. Er vertraute mir nicht. Natürlich nicht. Sonst hätte er niemals die Position erlangt die er heute vertrat.

»Selbstverständlich nicht, Ma'am«, sagte McKay bloß und nickte. Ich erwiderte sein falsches Lächeln.

Es verging eine Weile während er mir den Campus zeigte, den ich bereits in und auswendig wusste. Es entging mir nicht, dass er mich versuchte hinzuhalten, um mir die Waffenarsenale und die Labore nicht zeigen zu müssen. Ich musste ihn wohl etwas in die Richtung lenken, damit er mir Zugang gewährte.

»Lieutenant McKay, ich verstehe, dass Sie mir gegenüber Vorurteile zu hegen scheinen, da ich eine Frau bin«, begann ich. Er sah mich überrascht über meine Direktheit an. »Ich versichere Ihnen, dass Sie nichts zu befürchten haben. Mein Mann möchte nur sichergehen, dass die Waffen, die mit seinem und des Königs Geld finanziert werden, rechtzeitig fertiggestellt werden und qualitativ sind. Ich bin hier um die neusten Exemplare zu untersuchen und Bericht zu erstatten«, fuhr ich fort. »Ich verstehe, dass Sie das beunruhigt, jedoch können Sie von mir aus gerne meinen Mann anrufen und ihn selbst danach fragen. Bloß sollten Sie wissen, dass Sie damit sowohl die Entscheidung des Thronfolgers hinterfragen als auch seine Frau erniedrigen würden, was ihn sehr wütend machen würde« Ich lächelte McKay an. »Aber die Entscheidung liegt natürlich ganz bei Ihnen«

Er sah mich für einen Moment still an. Ich konnte die Skepsis, aber auch die Sorge um sich selbst, in seinem Blick erkennen. Schließlich seufzte er. »Nun gut, ich werde Ihnen die neuesten Exemplare zeigen. Wie gut kennen Sie sich damit aus? «

»Machen Sie sich da mal keine Sorgen, Lieutenant«, versicherte ich ihm. Mit seinen dunkelblauen Augen versuchte er mich einzuschätzen. Schließlich schüttelte er leicht den Kopf und führte uns ins erste Gebäude.

***

Es war bereits eine Weile vergangen seitdem ich hier war. Es war perfekt. Ich nahm alles mit meinen Kontaktlinsen auf, um die Informationen nachher abzuspeichern und auswendig zu lernen. Wir waren bereits im dritten Gebäude und ich merkte, dass McKay nicht mehr so misstrauisch mir gegenüber war, seitdem wir uns ein wenig über Waffen unterhalten und er gemerkt hatte, dass ich einiges über diese wusste. Innerlich hoffte ich natürlich, dass er es Charles nicht detailliert erzählen würde. Aber selbst wenn konnte ich ihm eine Lüge auftischen und sagen, dass Ethan mir all das beigebracht hätte bevor er mich hierher geschickt hatte. Ich bin das Lügen so gewohnt, dass es mittlerweile ein Teil von mir ist, dachte ich mir. Ist das nicht traurig?

»Das hier wird die beste chemische Waffe sein, die wir nach dem Krieg hergestellt haben«, hörte ich McKay sagen. »Es ist zwar noch ein Prototyp, aber überschreitet bereits jetzt jegliche Erwartungen und ist besser als alle Prototypen, die wir bis jetzt hatten«

»Wie funktioniert sie? «, fragte ich und berührte die Waffe. Sie war riesig, aber war anscheinend so leicht wie ein Schuh.

»Wenn dieser Knopf betätigt wird«, sagte er und zeigte auf diesen. »Übt er Druck auf das hier aus« Nun zeigte er auf ein kleines schwarzes Viereck, das sich in der Waffe befand. »Wodurch sie sich hebt und das Gas freilässt«

»Was bewirkt es? «, hakte ich nach.

»Es bildet innerhalb von Sekunden bösartige Tumore, die in weniger als einer Sekunde alle Organe des menschlichen Körpers befallen und zum Tod führen«

»Ein schmerzhafter Tod«, stellte ich fest.

»Natürlich«, sagte er und lachte. Wie konnte man so etwas Schreckliches bloß amüsant finden? Es ging um hilflose, unschuldige Menschen und Tiere. Nach all diesen Kriegen...hatten sie es denn nicht satt der Erde noch mehr Schaden zuzufügen? »Hat es auch eine Wirkung auf Tiere? «

»Nein, es wurde speziell auf Menschen programmiert«

»Wie viele Menschen kann die Waffe innerhalb dieser geringen Zeit ausschalten? «

»Maximal hundertfünfzig«

Hundertfünfzig?!, ging es mir durch den Kopf. Ich war schockiert.

»Wann wäre die Waffe einsatzbereit? «

McKay hielt kurz inne und sah mich etwas skeptisch an. »Es ist noch nicht einsatzbereit, es würde noch eine Weile dauern«, antwortete er behutsam.

»Geben Sie mir keine vagen Antworten, Lieutenant«

»Es wird noch drei bis vier Monate dauern, Ma'am«

Ich nickte und ignorierte seinen Blick, der auf mir lag. Meine Konzentration war der Waffe vor mir gewidmet. Wie viele unschuldige Menschen hatte Charles wohl verschleppt, um dieses Gas an ihnen zu testen, um es entwickeln zu können? Wie viele Kinder, Mütter, Väter... wie viele Menschen mussten dafür sterben?

»Wo würdet Ihr diese Waffe einsetzen? «

»Wie bitte? «, fragte er etwas verwundert.

»Sie haben mich verstanden« Diesmal wandte ich McKay meine volle Aufmerksamkeit zu und sah ihm direkt in die Augen. »Für welche Zwecke würden Sie diese Waffe einsetzen? «, stellte ich die nächste Frage.

»Ma'am, ich-«

»Antworten Sie mir«, forderte ich ihn mit einem strengen Ton auf. »Wie Sie wahrscheinlich wissen möchten sich die United Nations of Africa und Australien nicht mit unserem König zusammentun. Ein Krieg scheint unausweichlich. Bevor die UNA und Australien einen Angriff planen können, müssen wie vorgehen. Daher würde ich diese Waffen in jene Länder schmuggeln, da sich dort unsere Spione befinden. Wenn sich unsere Männer an jeder Ortschaft gleichzeitig positionieren und das Gas auslösen, haben diese Nichtsnutze keine Chance« McKay lächelte nun. »Sie alle würden innerhalb von Sekunden sterben«

»Würden Sie keine Überlebenden wollen? Beide Kontinente wären komplett verlassen. Wer soll dort arbeiten? Dort Saat pflanzen? Wie würden uns diese Länder von Vorteil sein? Wer würde die Toten vergraben? «

»Wir würden per AirForce unsere Männer hinschicken und die Leichen würden durch ein weiteres Gas verbrannt werden«

»Wie? «

»Nun ja, wir haben bombenähnliche Waffen entwickelt, die zur Auflösung von Leichen gedacht sind. Seitdem letzten Krieg hat die Menschheit endlich gemerkt, dass wir keine Beerdigungen, sondern mehr Platz brauchen« Er lachte kurz auf. »Wenn diese Bomben zeitgleich an jeder Ortschaft auf diesem verfluchten Kontinent abgeworfen werden, werden sich alle Leichen innerhalb von Minuten in Luft auflösen« Er lachte erneut.

Ich zwang mich zu einem Lächeln. »Mir gefällt Ihre Denkweise«, log ich. Immerhin wusste ich nun eine der möglichen Strategien, womit er Charles beraten konnte. McKay grinste aufgrund des Kompliments.

»Die UNA ist in den letzten Jahren viel zu stark geworden, wie Sie wissen. Ihnen gefällt nicht, dass Europa unserem geehrten König gehört«

Ich nickte. Nein, das wusste ich ganz und gar nicht. Wie denn auch? Wir hatten keinen Zugang zu der Außenwelt. Charles hatte uns alle davon abgeschottet und solche Probleme unter seinem eigenen Volk verursacht, dass man nicht einmal an die Probleme anderer Menschen denken konnte, da man täglich mit dem Überleben kämpfte. Und die Adeligen interessierte unser Leid sowieso nicht. Sie waren komfortabel mit ihrem Leben. Warum also etwas daran ändern?

»Was halten Sie also von der Waffe? «, fragte der Lieutenant mich nun, um auf das Ausgangsthema zurückzuführen.

»Es ist innovativ und qualitativ. Selbst als Prototyp ist es sehr überzeugend«

Zufrieden lächelte McKay und nickte. Plötzlich ertönte jedoch ein lautes Geräusch, sodass ich mich automatisch duckte und mir die Ohren zuhielt. Überall leuchtete es nun rot. Es war ein Alarm. Fragend warf ich dem Lieutenant einen Blick zu, der einen Anruf über das Chip-Implantat hinter seinem Ohr erhielt. »Sagen Sie mir sofort was los ist! «, brüllte er, um die Sirene zu übertönen. Der Soldat am anderen Ende der Leitung sagte etwas. »Verdammte Scheiße! «, schrie McKay. »Ma'am, Sie müssen mit mir mitkommen. Wir müssen Sie an einen sicheren Ort bringen«, sagte er laut und packte mich an meinem Ellenbogen und zog mich im schnellen Tempo hinter sich her. »Was geht hier vor sich? «, fragte ich und versuchte in den Stöckelschuhen so schnell wie möglich zu laufen, um mitzuhalten. Ich hatte das hier definitiv nicht geplant. Was war los? Ich hatte tatsächlich keine Ahnung was das hier sollte.

»Es wurde ein Angriff auf den Campus und somit auf alle Arsenale gemeldet, Ma'am«

»Was?! «

Besorgt sah er mich an. »Das hier ist zuvor noch nie passiert, das versichere ich Ihnen«

»Wer würde das Militär des Königs überhaupt angreifen? «, fragte ich ihn. Außer mir, ging es mir durch den Kopf. Wir kamen am Ausgang an. Als er die Türen öffnete sah ich wie Soldaten schussbereit über das Feld rannten. Entfernt hörte ich sogar wie Schüsse abgefeuert wurden. Was zur Hölle war hier los?

»Ma'am, wir müssen in das schwarze Gebäude laufen«, informierte er mich. »Dort sind Sie sicher, aber zunächst müssen Sie so schnell wie möglich rennen. Bleiben Sie bitte hinter mir und tun Sie was ich sage« Intensiv blickte mir McKay in die Augen und wollte eine Bestätigung, dass ich verstanden hatte. Also nickte ich und zog meine Schuhe aus.

»Was machen Sie da? «

»Denken Sie wirklich ich könnte in diesen Schuhen so schnell wie möglich rennen? Ich tue Ihnen einen Gefallen«

McKay nickte kurz und informierte über das Chip-Implantat seine Soldaten darüber, dass wir nun das Feld überqueren würden und daher Rückendeckung brauchten.

»Los, los«, rief McKay mir nun zu und wir rannten über das Feld. Überall waren die Soldaten verteilt. Die Schüsse wurden nun lauter. Die Sirene dröhnte immer noch und Fahrzeuge voll mit Soldaten fuhren in die Richtung, aus der wahrscheinlich die Angreifer kamen. Wer zur Hölle würde diesen Campus überhaupt angreifen? Das hier war der größte Campus, mit drei riesigen Arsenalen und all den Laboren, in denen Waffen entwickelt wurden. Wer war so dumm, um das auf eigener Faust zu tun? Meine Leute konnten es nicht sein, da sie auf mein Zeichen warteten. Keiner von ihnen kannte die Gebäude in und auswendig. Keiner von ihnen wusste nämlich wie die Gebäude innen aufgebaut waren. Das war mein Job. Wer war also so dumm, um-

Schockiert starrte ich auf einen der Angreifer. Ich sah wie er in einer komplett schwarzen Rüstung an mir vorbei rannte. Zwei seiner Leute waren hinter ihm und gaben ihm Deckung. Es war als würde ich plötzlich alles in Zeitlupe wahrnehmen. Er hatte sein Gesicht komplett verdeckt, bis auf die Augenpartie. Und es war genau das was ihn hergab. Denn diese karamellbraunen Augen würde ich überall erkennen.

Harper.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top