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Als ich auf die Uhr sah war es 8:30 Uhr in der Früh. >> Hayley, Schatz. Wach auf. <<, versuchte ich sie sanft aufzuwecken. Sie rührte sich zunächst nicht. Doch als ich ihr über die Wange strich und wieder ihren Namen flüsterte, wachte sie langsam auf.

Sie öffnete ihre Augen und sah mich verschlafen an. >> El? <<, fragte sie ein wenig verwirrt. Wahrscheinlich hatte sie vergessen, dass sie gestern Nacht bei mir übernachtet hatte.
Ich lächelte sie leicht an.
Die Falte zwischen ihren Augenbrauen verschwand und ihre Stirn glättete sich, als sie sich wieder erinnerte.

Dann lächelte sie mich an. >> Guten Morgen. <<, sagte sie.
>> Dir auch einen guten Morgen. <<, erwiderte ich. >> Komm, wir müssen los. Wasch dein Gesicht und erledige dein Geschäft, wenn du musst. Dann können wir los. <<
>> Wohin gehen wir? <<, fragte sie und rieb ihr linkes Auge. Dann gähnte sie.
>> Zu Onkel Harper. <<, antwortete ich. >> Erinnerst du dich an ihn? <<
>> Natürlich! <<, rief sie fröhlich und grinste mich an. >> Wird ab jetzt Onkel Harpi auf mich aufpassen? <<
>> Ja, Baby. <<, antwortete ich. Sie schien so glücklich darüber zu sein.
>> Okay. <<, sagte sie voller Freude und sprang aufgeregt aus dem Bett. Schnell rannte sie ins Badezimmer und tat was ich ihr vorhin gesagt hatte.

Zwei Minuten später kam sie mit ihren kleinen Füßen auf mich zu. Sie sah so niedlich aus.
>> Ich bin fertig. <<, gab sie mir Bescheid.
>> Sehr gut. <<, lobte ich sie. >> Komm. <<
Sie nahm meine Hand und wir verließen das Haus. Wir redeten über ein paar Sachen bevor wir schließlich nach zwanzig Minuten bei Harper ankamen. Ich hatte mir meine Kapuze wieder tief ins Gesicht gezogen, damit mich keiner sah und lief mit gesenktem Blick.

Hayley war es bereits gewohnt, weil sie wusste warum ich das tat. Deshalb fand sie es gar nicht seltsam und hinterfragte es nicht.

Da Harpers Kneipe um die Uhrzeit geschlossen war, klingelte ich und wartete. Es war sehr geschickt für ihn, dass er über seiner eigenen Kneipe wohnte. Immerhin musste er sich dann keine Sorgen um Einbrecher machen oder dass er einen langen Weg zum Laufen hatte.

>> Ich komme. <<, hörte ich seine Stimme von weitem.
Hayley sah zu mir hoch und grinste aufgeregt. Ich erwiderte ihr Grinsen ein wenig. Es fiel mir ehrlich gesagt nicht leicht zu lächeln oder zu grinsen, weil es einfach nicht in mir steckte. Aber wenn ich bei Hayley war, ließ sie mich meine Sorgen vergessen. Sie war wie mein kleiner Schutzengel. Bei dem Gedanken musste ich fast innerlich lachen. So absurd war das nämlich gar nicht.

Sie nahm mir meine Frust und die Gedanken an meine Vergangenheit. Sie ließ mich das Schlimme um mich herum vergessen und reduzierte den Hass in mir.
Abgesehen von ihr hatte das bis jetzt keiner geschafft. Warum auch immer. Und wahrscheinlich gab es auch niemanden, der diese Dinge bei mir erreichen konnte.

Hayley wandte ihren Blick zur Tür als Harper sie öffnete und uns breit anlächelte. Zuerst mich, mit einem undefinierbaren Blick, und dann Hayley mit einem fröhlichen Gesicht.
>> Hayley! <<, rief er und sie sprang sofort in seine Arme. >> Wie geht's meiner Kleinen? <<
>> Gut. <<, antwortete sie glücklich. >> Und dir? << Ach sie war so höflich. Wie war das bloß möglich unter all der Armut und den groben Menschen um uns herum? Es war wirklich ein Wunder.
>> Mir geht es auch gut, Hayley. Danke der Nachfrage. << Diesmal grinste Harper mich an.
>> Bevor ich es vergesse. <<, sagte ich und beide richteten ihre Blicke auf mich. >> Ich habe dir zwei Sandwiches gemacht, Baby. << Ich holte Hayleys Essen heraus und gab es ihr. Sie nahm es dankbar entgegen.
>> Ich muss jetzt los. <<, informierte ich die Beiden. Hayley sah mich jetzt traurig an. Sofort stiegen Tränen in ihre Augen.
Ich ging auf sie zu und nahm ihre kleinen Hände in meine.

>> Hör mir zu Hayley. <<, fing ich an. Sie sah mich aufmerksam an. >> Ich werde für eine etwas längere Zeit weg sein, aber ich komme wieder, okay? Und solange bleibst du bei Onkel Harper. Sei brav und hör auf deinen Onkel. <<, sie nickte. >> Gehe ja nicht raus wenn es draußen dunkel geworden ist. Es ist gefährlich, verstanden? <<, wieder nickte sie. >> Gut. <<, sagte ich. >> Und vergiss nicht. Egal was passiert, ich werde immer bei dir sein. Hörst du? Ich werde immer in deinem Herzen sein, egal ob du mich sehen kannst oder nicht. <<, eine Träne lief ihr über die Wange. Ich hasste es sie so traurig zu sehen. Aber ich wollte mich angemessen bei ihr verabschieden.                  >> Ich liebe dich Hayley Baby. <<, sagte ich schließlich und küsste sie auf die Stirn. Sie umarmte mich ganz fest und ich strich ihr über den Kopf. Harper sah mich ein wenig überrascht und schockiert an. Wahrscheinlich hatte er so etwas niemals von mir erwartet. Immerhin kannte er diese Seite von mir überhaupt nicht.

>> Ich liebe dich auch, El. <<, hörte ich Hayley in mein Schulterblatt flüstern. >> Pass auf dich auf. <<, sagte sie dann und löste sich von mir.
>> Du auch auf dich. <<, entgegnete ich und lächelte sie an. Ich spürte Harpers schockierten Blick auf mir. Ja Harper, dachte ich mir. Ich kann auch mal Gefühle zeigen. Ich hielt mich zurück, um nicht meine Augen zu verdrehen.

Ich richtete mich wieder ganz auf und sah nun Harper in die Augen. >> Pass auf sie gut auf. Verstanden? << Er nickte. Er schien immer noch schockiert zu sein. Okay, war das jetzt so seltsam, dass ich auch mal lächelte?
Ich dachte kurz nach. Ja, okay. Er hatte recht. Immerhin kannten wir uns seit unserer Kindheit und ich hatte ihn kein einziges Mal in meinem Leben angelächelt.
>> Danke, Harper. <<, sagte ich schließlich und sah ihn intensiv an. Dann ging ich auf ihn zu, umarmte ihn ganz kurz - was ich bis jetzt noch nie getan hatte – und löste mich dann von ihm. Er sah mich glücklich und schockiert zugleich an.
Er grinste wie ein Irrer.

>> Hör auf so dämlich zu grinsen und kauf ihr paar Klamotten. <<
Sein Grinsen wurde dadurch nur noch breiter. >> Alles klar, Chef. <<, erwiderte er.
>> Ich gehe dann mal. <<
>> Okay. <<
>> Bis dann. Und passt auf euch auf. <<
>> Das werden wir. <<, versicherte mir Harper.
>> Komm wieder heil zurück, El. <<, sagte Hayley und winkte mir zum Abschied.
Ich lächelte sie an und wandte mich zum Gehen.
Ich würde die Beiden wirklich vermissen.
Aber ich musste nun mal meine Eltern rächen. Egal was.

Nachdem ich mich von Hayley und Harper verabschiedet hatte, stand ich nun vor einer kaputten Holztür und machte sie langsam auf. Es war dunkel in dem Haus, denn alle Gardinen waren zugezogen. Weder Kerzen noch Glühlampen waren zu sehen.

>> Ist jemand hier? <<, fragte ich laut und deutlich. Meine rechte Hand lag auf dem Messer, das ich immer bei mir trug.

Ich bekam keine Antwort. Aber jemand war hier. Es war als könnte ich dessen Präsenz spüren.

Dann hörte ich ein leises Geräusch hinter einem dreckigen Sofa. Ich ging darauf zu, doch als ich dahinter sehen wollte, stach das Mädchen das ich suchte, mit einer Gabel nach mir und schrie wie wild. Geschickt wich ich ihr aus und packte sie an ihrem Handgelenk. Ich riss ihr die Gabel aus der Hand und schmiss diese in eine Ecke.

Schockiert sah sie mich an. Ihre braunen Haare waren fettig und dreckig. Wahrscheinlich hatte sie sich schon lange nicht mehr gewaschen. Oder waschen können.
Das Mädchen hatte dunkle Augenringe und eine ungesunde Hautfarbe. Sie war jünger als ich und trotzdem wirkte sie älter als ich. Ich erkannte eine tiefe Narbe an ihrer Schulter.

>> Du bist Rubin, richtig? <<, fragte ich sie und sah ihr dabei in die Augen.
Sie schien verwirrt zu sein.
>> Wer sind Sie? <<, fragte sie dann mit trockener Stimme. Sie hatte bestimmt eine lange Zeit mit keinem geredet.
Sie schluckte schwer. Die ärmste. Hatte sie überhaupt genug Wasser zu trinken?
>> Ich bin die, die deinen Vater in seine persönliche Hölle gesperrt und ihn dann in die Irrenanstalt gesteckt hat. <<, antwortete ich und betrachtete dabei ihre Reaktion. Sie weitete ihre Augen und Tränen schimmerten in ihnen. Ihre Lippen zuckten kurz.
>> Ist das wahr? <<, fragte sie mich. Wäre ich jemand mit böser Absicht gewesen, hätte ich einfach lügen können. Wieso also ihre naive Frage? Ganz einfach, weil sie nichts von der Welt weiß. Außer die schreckliche Welt innerhalb dieser vier Wände.

>> Ja, es ist wahr. <<, versicherte ich ihr. >> Du kannst ihn selbst sogar besuchen gehen wenn du mir nicht glaubst. <<
Sie schüttelte heftig ihren Kopf. Dann liefen ihr die Tränen über die Wangen. Ich wusste sie weinte wegen Erleichterung.
>> Wer bist du? <<, fragte sie mich dann und sah mich an.
>> Ich bin Elizabeth. Aber nenne mich El. <<, stellte ich mich vor.
Unerwartet umarmte sie mich und schluchzte heftig. >> Danke. <<, flüsterte sie. Auch wenn es gemein klang, sie roch wirklich sehr unangenehm. Wieso hatte dieser Bastard Paul ihr nie das Duschen erlaubt? Das war zumindest meine Theorie.
Trotzdem strich ich ihr über den Kopf, bis sie sich von der Umarmung löste. Sie sah mich an.
>> Ich bin dir mein Leben schuldig. <<, sagte sie.
>> Nein. <<, widersprach ich ihr. >> Dein Leben gehört dir. Mach damit was du willst, verstanden? <<
Sie sah mich überrascht an. Dann fing sie wieder an zu weinen.
>> Womit habe ich so einen Engel wie dich bloß verdient? <<, fragte sie eher sich selbst als mich. Trotzdem konnte ich meine Überraschung nicht verbergen.
>> Wie bitte? <<, fragte ich. Hatte sie gerade Engel gesagt? Woher...
>> Du hast mich vor ihm gerettet. Ich danke dir aus ganzem Herzen dafür. <<, unterbrach Rubin meinen Gedankengang.
>> Du brauchst mir nicht zu danken. <<, versicherte ich ihr. >> Ich habe ein Angebot für dich. <<, sagte ich dann. Neugierig schaute sie auf.
>> Wenn du willst, kannst du mein Angebot annehmen. <<, redete ich weiter. >> Wenn nicht, dann bist du frei zu tun was du möchtest. <<
Sie sah mich weiterhin an und sagte nichts.
>> Du musst dich jedoch jetzt entscheiden. Denn vorher, kann ich dir nicht erklären worum es geht. <<
Rubin sah mir in die Augen, aber sie schien in Gedanken versunken zu sein.

Ich ließ ihr die Zeit, aber spätestens heute Abend mussten wir los, wenn sie zustimmte.

Dann verschwand ihr glasiger Blick und ich wusste, dass sie mich nun wirklich wahrnahm.

>> Ich nehme dein Angebot an. <<, sagte sie schließlich. Ich war ehrlich gesagt ein wenig verwundert, aber ließ es mir nicht anmerken. Sie hatte die richtige Entscheidung getroffen.
>> Gut. <<, erwiderte ich knapp. >> Schnapp dir deine Sachen. Wir gehen zu mir. <<
>> Ich habe nichts. <<, erklärte sie kleinlaut und sah zu Boden. Ich wurde immer wütender auf diesen Mistkerl Paul! Wie konnte man seine eigene Tochter bloß so abartig behandeln?!
>> Aber auch wenn ich etwas hätte. <<, redete sie plötzlich weiter. Sie war jetzt lauter geworden und wandte ihren Blick wieder mir zu und nicht dem Boden. >> Würde ich nichts mitnehmen, denn ich hasse alles was mit meinem Leben an diesem Ort zu tun hat. <<, beendete sie ihren Satz.
>> Gut. <<, erwiderte ich und sah Rubin ernst an. Ihre braunen Augen hielten meinem Blick stand.   >> Dann wird es Zeit, dir ein neues Leben zu geben. <<

PS: Voten und kommentieren nicht vergessen bitte *-* <33 Und die, die FEIS noch nicht kennen. Ich würde mich freuen, wenn ihr bei meinem anderen Fantasy-Buch "FEIS" vorbeischauen würdet :)) <33 Viel Spaß beim Lesen, Chickas <33

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