༄9༄

"Sie sind kerngesund und wohlauf!" verkündete der Doktor mit einem breiten Grinsen, welches seine Lachfalten besonders betonte. Ich mochte ihn. Er schien dem Mann meiner Tante, und dessen Arbeitskollegen, überhaupt nicht ähnlich. "Lass dich nicht unterkriegen Roseline. Er meint es sicherlich nur gut." beschwichtigend hob er Sekunden darauf seine Arme, als ich ihn bedrohlich anfunkelte. "Wissen sie wie er mit mir umspringt? Als wäre ich eine lästige Fliege, die man am liebsten erschlagen würde. Vermutlich weil ich seiner Fra-" ein Räuspern ertönte.
"Nun los. Erzähl uns doch was dir auf deinem schwarzen Klumpen liegt." Augenbrauen hebend drehte ich mich um. "Es heißt Herzen Flinn." Ein sarkastischen Lachen ertönte worauf er plötzlich trocken mit einem "Eben" antwortete. "Was ich sagen wollte, war, dass ich dezent das Gefühl habe das du mich nicht ausste-"
"Still jetzt. Ich habe keine Zeit für deine kleinen, unbedeutenden Gefühlsduseleien. Wir werden jetzt zu meiner Frau gehen. Ich hoffe das sie etwas gekocht hat. Wenn nicht, musst du ihr helfen."
Meine Lippe bebte vor Zorn, meine Augen fixierten ihn und ließen ihr Ziel nicht aus den Augen. Wie konnte er so respektlos über sie sprechen? Was war er nur für ein unausstehlicher Mensch? Kommentarlos hechtete ich auf, winkte dem Arzt ein letztes mal und versuchte Flinn wieder einzuholen. Es käme ihm nur all zu Recht, wenn ich plötzlich verschwunden wäre. Doch so einfach ließ ich nicht locker. Während ich hastig durch die grellen Gänge schritt, hielt ich nach einem Versteck für die Bombe Ausschau. Wo würde es am ehesten Sinn ergeben? Wo schaute niemand hin? Waren viele Leute in der Umgebung? Welcher Weg eignete sich am besten, um möglichst schnell und ungesehen herein und wieder heraus zu kommen? Plötzlich erblickte ich diesen Mistkerl, wie er scheinbar auf mich zu warten schien, mit einem Mann in Anzug redete und einer Frau, die gerade an ihm vorbei lief, auf den Hintern glotzte. Das musste ich meiner Tante erzählen! Vielleicht ließ sie sich dann scheiden. Ich wusste das Verliebte eine Brille aufhatten, aber sie konnte doch nicht so rosa sein, dass meine Tante über solche Frechheiten einfach hinwegsah. Ob er das zum ersten Mal tat? Ob er eine andere Geliebte hatte? Oder war er schlicht weg nur hier solch ein Arsch und liebte seine Frau tatsächlich? Ich konnte es noch nicht beantworten, aber bald konnte ich es. Und wenn meine Analyse anders ausfallen sollte, wie es angebracht wäre, würde ich noch eine zweite Bombe basteln müssen. Ich konnte von Glück sprechen, dass ich geheime Kontakte hatte, welche ich jederzeit anheuern könnte für mich zu spionieren, oder aber auch Bomben bauen zulassen. Es war eine nette Geste und sie halfen mir, da ich ihnen früher den Rücken freihielt.
"Heute noch?" eine genervte Stimme katapultierte mich aus meinen Erinnerungen und sie ließ mich, wie sooft, die Augen verdrehen. Um mich bei meinem, anscheinend zu langsamen Schritt, zu unterstützen, war er plötzlich hinter mir und schob mich schonungslos weiter. Ohne auf meine Proteste einzugehen, lief er weiter und nickte ab und zu seinen Kollegen zu. Dann hielt er abrupt an. Der Auslöser war ein eingehender Anruf. Höchstwahrscheinlich war dieser Anruf sehr wichtig, denn er warf einen kurzen Blick auf mich, ging ein paar Schritte zur Seite und lächelte sofort. Es war tatsächlich kein  unechtes Schmunzeln, welches seine Mundwinkel nach oben zog. Nein es war ein echtes. Und bei Gott. Ich wusste nicht einmal, dass solch eine Kreatur, dazu im Stande war. Und um es mir selbst einzugestehen, ich war neidisch und definitiv nicht stolz darauf. Ich verstand es einfach nicht und irgendwo, tief im Inneres meines schwarzen Klumpens, begann es zu ziehen. Es schien, als würde er alle mögen, nur mich nicht. Und genau hier schaltete sich mein Herz ein und stellte sich die Frage, was an mir falsch war. Lag es daran, dass ich nicht hier hin gehörte? Oder mochte er mich lediglich nicht, da ich einfach so urplötzlich in sein Leben platzte?
Mit einem lauten Lacher verabschiedete er sich mit einem "Bis gleich mein Sohn", drehte sich noch immer mit einem Schmunzeln um. Doch es wich einer kalten Grimasse, als er meine Wenigkeit erblickte. Ja. Ich konnte damit nicht umgehen. Schon immer wurde ich mehr oder weniger respektiert, doch bei ihm war es anders. Kurz straffte ich meine Schultern. Aber es könnte mir egal sein. Schließlich war ich auf niemanden angewiesen. Oh ja. Es war sogar andersrum! Ich könnte allen hier ein schreckliches Ende bescheren. Kurz erlaubte ich es mir, meine innere Freude an die Oberfläche zu lassen. Jene äußerte sich als ein amüsiertes glucksen. Diese kurze Aktion, ließ den heraneilenden Mann direkt vor meiner Nase stoppen. "Lachst du mich gerade aus?" bedrohlich funkelten seine Augen auf mich herab. Vermutlich sollte es einschüchternd wirken, jedoch empfand ich seine Reaktion einfach als überflüssig und stempelte es als unbeeindruckend ab. Um ihm zu demonstrieren, dass mich sein momentanes Verhalten kein Stück einschüchterte, schaute ich ihn möglichst gleichgültig an. "Hör mir mal ganz genau zu. Du wirst keinesfalls ein Mitglied meiner Familie werden. Und es ist mir scheiß egal, wie sehr dich meine Frau aufnehmen will. Ich werde dich nie respektieren! Bekomm das in deinen Schädel rein. Du wirst niemanden ansprechen, dich von meinen Söhnen fernhalten, und so wenig wie möglich, Ressourcen verbrauchen. Eine Mahlzeit am Tag und eine Flasche Wasser. Das wird dir Parasit doch reichen, nicht?" erklang seine Stimme. Er konnte ja nicht ahnen, dass ich nichts anderes gewohnt war. Eine Mahlzeit war völlig ausreichend und seine Söhne interessierten mich nicht einmal annähernd. Wundervoll. Ich wurde in Ruhe gelassen. Grinsend folgte ich ihm und stieg in sein Auto, welches schon mit einem lauten Geräusch anging. Vorsichtig glitten meine Finger über das weiche Polster. Ich war fasziniert. Autos waren dort wo ich herkam, schon immer eine Rarität gewesen. Der Einzige, der solch ein Gerät besaß, war ein Arzt, der unsere Praxis aus reiner Barmherzigkeit, mit neuen Medikamenten ausstattete. "GRIFFEL WEG DU UNGEZOGENE GÖRE!" kam es von vorne und ließ mich aufschrecken. Schnell legte ich sie auf meinen Schoß und sah kommentarlos aus dem Fenster.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top