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Fertig mit der Welt fuhr ich mir zum gefühlt Hundertsten Mal über meine Stirn. Die waren doch alle wahnsinnig! Schon seit über einer Stunde durfte ich mich nicht von der Stelle bewegen und musste Rede und Antwort stehen. Doch aus mir bekamen sie keinen Ton, was nicht nur Audrey erheblich gehen den Strich ging. Auch mir völlig fremde Menschen, schlossen sich an und quatschten munter auf mich ein. Wirklich. Ich stand so kurz davor, einfach meine Ohren zu verdecken und so laut zu schreien, wie ich nur konnte. Doch selbst das hatte womöglich keinen Sinn. "Sie müssen hier bleiben. Sie sind nun ein Teil unserer Familie!" schrie ein Mann aus einer Ecke, worauf ich nur spöttisch schnaubte. Meine einzige Familie war meine Tante. Nicht mehr und nicht weniger. Und ich fing auf keinen Fall an, diese möchtegern Gruppe in den imaginären Familienordner einzuspeichern. Ivan, der links neben mir stand und ab und an skeptische Blicke über die Masse warf, knurrte erbost. "Du könntest uns an die Soldaten verpfeifen. Denkst du allen Ernstes, dass wir dich einfach so gehen lassen könnten? Du bleibst hier!" Eine Sekunde war es still, bis ich mich lautstark räusperte und kommentarlos aufstand. Das war also seine Meinung von mir? Er hielt mich also für eine dreckige Verräterin? "Wow" meinte ich trocken und lief in Richtung meiner Hütte um sämtliche Koffer einzusammeln. Meine Zeit war hier vorbei. Ich musste weiter. Da sie jedoch nicht gewillt waren, mich gehen zu lassen, blieb mir keine andere Wahl als in der Nacht zu fliehen. Das gewollte Pferd ließ sich auch gegen ein Beliebiges aus dieser Siedlung eintauschen. Ich musste nur nachschauen, welches am besten für solch eine Reise gemacht war. Nachdem ich also dem Stall einen Besuch abstattete, beäugte ich die anwesenden Reittiere skeptisch. Weshalb waren alle so mager? Frustriert stöhnte ich auf um kurz darauf spöttisch zu lächeln. Definitiv Ivans Pferd stand gesondert in einem extra Abteil. Sein Pferd war kräftig und ein stolzer schwarzer Hengst. Freudig zuckten meine Mundwinkel. Ich wusste genau das er ausrasten würde, aber schließlich war das dann nicht mehr von Belangen. Er hatte es verdient. Er wird fluchen, wie er es noch nie getan hatte. Immerhin hatte sich die Verräterin dann in eine Diebin transformiert. Meiner Meinung nach eine sehr interessante Entwicklung. Summend legte ich das Gepäck in einen Heuhaufen, sodass der Rucksack nicht entdeckt werden konnte. Die Flaschen sowie meinen Essensvorrat hatten an Umfang wieder zugelegt und reichten nun sicherlich problemlos bis zu meinem Ziel. Ich kam mit dieser Masse ohne Probleme nach Euphora. Dort wo die Reichen hausten. Einen Moment betrachtete ich das Pferd, streichelte es behutsam und ging dann vorsichtig wieder zurück. Immerhin wollte ich mich ein letztes Mal stärken bevor es los ging. Doch als mir fast ein fluchender Ivan, und an dessen Seite eine aufgelöste Audrey begegnete, lief ich wieder schnellen Schrittes zurück und versteckte mich hinter einem Pferd. "Wo kann sie nur stecken?!' entrüstet erklang seine Stimme und wurde von einem planlosen Schulterzucken von Drey untermalt. Warum hatten sie nicht einfach Verständnis, dass ich nicht hier bleiben wollte und konnte? "Jetzt beruhig dich doch Bruderherz. Sie wird schon bald wieder auftauchen, da bin ich mir sicher. Und wenn sie vor dir steht, kannst du noch immer mit ihr reden." meinte meine weibliche Ex-Verbündene ruhig, worauf nur ein Schnauben erklang. "Eben nicht! Du bist so naiv. Sie wird zu den nächsten Soldaten rennen. Und weißt du weshalb ich mir da so sicher bin, dass sie eine von ihnen ist? Sie kann kämpfen."
Eine Augenbraue hochziehend versuchte ich dem Schweif des Pferdes auszuweichen. Was war das denn für ein Argument?
"..UND.." fuhr er fort als keine Reaktion kam. "Sie hat einen Ausweis, der mehr als nur klar macht, auf welcher Seite sie steht. Außerdem hat sie uns angelogen. Ihre Eltern haben ihr ein Männernamen gegeben! Wahrscheinlich hat sie uns die ganze Zeit an der Nase herumgeführt. Wie dumm konnten wir sein?" brummte er verbittert. Und ich? Saß hier hinter einem Pferd und versuchte das Lachen zu unterdrücken. Der Ausweis- ja den hatte ich mitgenommen. Immerhin brauchte ich den im Notfall um irgendwo sicher unterzukommen. Jedoch hieß ich nicht wirklich Gernold... Das war der Name eines Typen, den ich umgebracht hatte, weil er gerade dabei war, eine komplette Familie abzuschlachten. Ich rettete sie, bekam dafür seinen Ausweis und das war es auch schon. "Los jetzt. Die anderen warten schon auf eine Erklärung. Wir sagen ihnen einfach, dass sie zum Jagen ausgeritten ist."
Mit was denn? Mit meinem imaginären Pferd? Nein. Das konnte es nicht sein, da sich die Herrschaften ja wehement weigerten, mir ein Pferd zu beschaffen. Deshalb musste jetzt auch Ivan's Pferd dran glauben. Aus Fehlern lernte man ja bekanntlich. Einige Sekunden wartete ich noch, dann waren die Beiden verschwunden. Das war meine Chance. Schnell wechselte ich die Boxen, band seinen schwarzen Hengst los, und führte ihn auf eine kleinere Wiese welche gleich neben dem Stall lag. Hastig rannte ich zurück, setzte meinen Rucksack auf und stieg auf das Pferd welches mit einem freudigen Wiehern losritt. "HEY. HEEEEEY. HALTE SOFORT AN." drohend stand ein Mann einige Meter vor mir und streckte seine Hand aus, als wolle er das Pferd bändigen. Das Tier jedoch verschnellerte sich von selbst und sprang kurz vor dem Mann über ihn drüber. Seufzend drehte ich mich dann um. Ich wusste das er zur Siedlung rennen würde um die anderen zu informieren. Nur leider war es dann zu spät. Ich wäre schon über alle Berge. Wie der Wind ritten wir durch den Wald, durch kleinere unbemannte Dörfer und kahl gebrannte Flächen. Doch ich war glücklich. Denn meine Vorstellung der Rache, nahm mit jedem Atemzug mehr Gestalt an.

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