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"Hier ist ihr Hotelzimmer" leicht angeekelt gab er der Tür einen Schups, sodass sie sich mit knarzenden Tönen öffnete und einen Blick auf das spärlich eingerichtete Zimmer ermöglichte.
"Ich verstehe das nicht!" murmeld kratzte sich der Butler an seinem Dreitage Bart und seufzte schwer, als ihm keine Erleuchtung geschenkt wurde. "Dieses Hotel hier, ist das schlechteste in ganz Euphoria. Warum wirst du hier hin geschickt? Warum nicht eines, dass mehr-" kurz suchte er nach Worten. "-Stil hat?"
Forschend wanderten seine Augen durch das Zimmer, bis er einen Entschluss fasste und in meine Richtung blickte. "Ich fahre dich in ein anderes Hotel. Hier kann man nicht wohnen!" kurz schüttelte ich protestierend mit meinem Kopf. Das gäbe ein mächtiges Problem. Diesmal nicht nur für mich, sondern auch für den unschuldigen und viel zu gutmütigen Butler. Jedoch schien er die Meinung zu vertreten, dass jeglicher Protestlaut zwecklos wäre und schliff mich an meinem Handgelenk, welches im übrigen protestierend knarzte aus dem Raum. Nicht nur die plötzliche Aufopferung und Barmherzigkeit, welche mir entgegen gebracht wurde, sondern auch die Tatsache, dass er mich mal Siezte und wieder Duzte verwirrte mich. Es verwirrte mich, dass eine fremde Person mit mir umging, als wäre ich ein nahestehender Verwandter. Noch nie hatte ich solche Erfahrungen machen dürfen. Zuhause erntete man stets abschätzige sowie misstrauische Blicke, wenn man um Hilfe bat. Die einzige Lösung dies zu umgehen, war sich dies abzugewöhnen. Man fragte nicht mehr. Dort lernte man, alleine zurecht zu kommen. Es war üblich kleine Kinder elternlos auf den vollen Straßen vorzufinden. Sie weinten, waren verwirrt und verstanden die Welt nicht mehr. Sie hatten keine Ahnung, weshalb ihre Väter und Mütter nicht an ihrer Seite waren und sie trösteten und unterstützen, so wie es sich gehörte. Sie wussten ebenfalls noch nicht in welche Welt und in welche Ungerechtigkeit sie hinein geboren wurden. Ich gab stets mein bestes, vielen Kindern Brote zu geben, sobald ich noch restliche Waren übrig hatte, die man gegen Lebensmittel eintauschen konnte.
"Okay. Sie wollen also nicht mit mir reden" stellte ein seufzender Mann fest. Ich antwortete nicht. "Es muss schwer sein, wenn die eigene Familie ihre Existenz verschweigen möchte oder?" Ich antwortete wieder nicht. Ich wusste, dass ich es hätte machen sollen. Immerhin half er mir, obwohl zu viel schief gehen konnte. Ich konnte nicht. Ich konnte mich einfach nicht dazu motivieren, meinen Mund aufzubekommen. Zu bitter war der Nachgeschmack meiner Gedanken. Zu salzig waren die Tränen, die sonst vergossen werden würden. Zu giftig wäre der Zorn, den ein Unschuldiger zu spüren bekommen würde. Ich konnte das nicht verantworten. Ich durfte keinen Fehler begehen. "Aussteigen bitte. Wir sind da" stolz gab er seinem Auto einen Klaps auf das Amaturenbrett und schnalzte mit der Zunge. Er voraus, ich trottete hinterher.
Schnell erreichten wir die Tür, hinter der ein junger Mann an der Rezeption wartete und uns sogleich mit einem proffesionellen Lächeln begrüßte. "Willkommen im Hotel da Ville. Was kann ich für die Dame und den Herren tun?"
Geschäftlich nickte der Mann neben mir. "Einmal ein Zimmer mit Doppelbett. Ich habe es vor einigen Minuten auf Colson reserviert." Ich erstarrte augenblicklich. Colson? Hatte ich mich eben verhört?
"Mr. Colson, ich bitte sie vielmals um Entschuldigung. Hier liegt dem Anschein nach ein Fehler vor. Wir sind bereits seit zwei Wochen komplett ausgebucht. Ich könnte ein Zimmer in zwei Wochen für sie reservieren." entschuldigend lugte der Hotelfachmann hinter seinem Computerbildschirm hervor und betrachtete stillschweigend das Mienenspiel von Colson. Ich fasste es noch immer nicht. Der Mann neben mir und Flinns Butler sollte also der Vater von dem toten Colson aus der Bar sein? Der Vater des Verräters? Ich wusste nicht was ich tun sollte. Allerdings glaubte ich auch nicht an Zufall. Ich war mich sicher, dass es nicht viele Menschen gab, die mit Nachnamen Colson hießen. Während sich Colson Senior darüber aufregte, dass dieses Hotel hier ein inkompetenter Saftladen wäre -was es definitiv nicht war- versuchte ich ihn zu beruhigen. "Wir schauen einfach in einem anderen Hotel. Lass uns gehen." meinte ich versöhnlich, um der weiteren, möglichen Diskussion über Bildungslücken und fehlerhaften Angestellten zu entgehen. Als er dennoch nicht auf mich reagierte und eine aggressive Haltung einnahm, was ich allerdings eher semi gut fand, drückte ich meine Hände in seinen Rücken und dirigierte ihn zum Ausgang. "Hast du das eben mitbekommen?!" beklagte er sich lautstark und drückte auf einen Knopf um sein Auto aufzusperren. Meine schlichte Antwort lautete "Ich bin nicht taub", dann stieg ich ein. "Weißt du was?" fing er an und machte eine Pause. Ich drehte mich in seine Richtung. "Du beziehst in meinem Haus eine Wohnung!" felsenfest entschlossen startete er den Motor, fuhr aus einer Parklücke und drehte das Radio laut. Ob er es tat um Gegenworte und möglichen Protest zu erschweren, oder weil er gerne Oper hörte, war mir nicht ganz klar. Ich jedenfalls wollte protestieren und diesem Geschreie nicht mehr zuhören wollen. Also versuchte ich vergeblich diese Musik auszublenden und widmete mich wieder meinen Gedanken. Wenn das also wirklich Colsons Vater war, wusste er, dass sein Sohn tot war? Natürlich bekam man das von der Polizei gesagt. Aber müsste er dann nicht auch wissen, dass ich dort ebenfalls war. Wusste er, dass ich den Tod seines Sohnes mit angesehen habe und nichts dagegen getan hatte? Musste er mich dann nicht eigentlich hassen und verabscheuen? "Haben Sie eigentlich Kinder?" Augenblicklich wollte ich die Frage zurücknehmen. Es war lediglich geschmacklos und verdammt egoistisch. Seine Hände umklammerten das Lenkrad, als wäre es sein letzter Halt. Ich tat, als würde ich es nicht bemerken. Einige Zeit hörte man nur die helle Frauenstimme aus dem Radio, bis er es ruckartig leise stellte. Er antwortete nicht und ich wollte ebenfalls keine falschen Bewegungen machen. Ich lehnte mich im Sitz zurück und betrachtete die Landschaft, die an uns vorbeiflog. Er fuhr viel zu schnell. All diese Anzeichen bestärkten meine Annahme. Ich hatte also Recht...
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