Kapitel 5

Althea's Sicht

Edmund war in seinem Element als Krieger. Er wusste genau, was zu tun war und ich fühlte mich sicher in seiner Gegenwart. Zu meinem erstaunen steuerte er auf die Geräusche zu. Ein mutiger Weg, den ich definitiv nicht eingeschlagen hätte. Früher als mir lieb war, standen zwei Männer vor uns, die ein erlegtes Reh trugen. Sie zückten ihre Waffen, ebenso wie mein Begleiter.

„Seid ihr überlebende aus Altburg?" fragte einer der Männer. 

„Ja – wir brauchen Vorräte und ein weiches Bett. Könnt ihr uns in euer Dorf führen?" Die Jäger steckten ihre Waffen zurück und gingen bereitwillig vorweg.

„Ich könnte das ganze Reh verspeisen." knirschte Edmund. Auch mein Magen knurrte und ich hoffte er ließ mir etwas übrig. 

„Warum sitzt eure Frau im Sattel?  Ihr seit verwundet und lauft?" fragte einer der Männer. „Sie ist schwanger." antwortete der Hauptmann knapp. Er war kaum wiederzuerkennen. Seine sanftmütige Art war augenblicklich verschwunden und der Krieger durch und durch da. Ein kribbeln durchfuhr mich, während ich intensiv an meinen Begleiter dachte. Vermutlich war das auch nur die Schwangerschaft oder der Hunger...

Endlich gelangten wir in das Dorf, wo freundliche Frauen gleich auf uns zukamen. Edmund wollte mir vom Pferd helfen, doch seine Wunden ließen das nicht zu. Einer der Jäger tat es an seiner Stelle. Sein griff war fest und er ließ auch nicht mehr so schnell los. Ich räusperte mich, um ihn darauf aufmerksam zu machen, dass er seine Hände von meinem Körper nehmen sollte. Er grinste dreckig, bis Edmund dicht hinter ihm stand. „Nimm die Finger von ihr, wenn du sie behalten willst!" warnte er ihn eindringlich. Widerwillig tat der Jäger, wie ihm geheißen und gesellte sich zu seinen Kumpel. 

Einer der Dorfbewohner rannte zu ihm und flüsterte was in sein Ohr. Die Blicke der Männer veränderten sich und von da an ließ man mich in Ruhe. Junge Frauen nahmen mich mit und kleideten mich neu ein. „Mylady ihr musstet sicherlich schwere Zeiten durchstehen und dann auch noch schwanger." bemerkte eine der Damen mit einem Knicks. Was war hier los? Ich lächelte einfach und überging dieses Kommentar. „Sagt sind drei junge Mädchen hier, die ebenfalls aus Altburg flüchteten?" Die jungen Frauen sahen sich wissend an und sprachen sehr leise mit mir. „Ja vor zwei Tagen waren sie hier. Ihnen geht es gut, doch die Männer hier sind lüsterne, schamlose Halunken. Wir versuchten sie vor denen zu schützen so gut es ging und wiesen ihn den Weg zum nächsten Dorf, wo die Bewohner mehr Manieren haben. Doch das ist zu Pferd ein Dreitagesritt." 

Ich war erleichtert, meinen Mädchen ging es gut. Sie waren wohl auf, unverletzt und vereint. Ich werde mit Edmund reden, um sobald wie möglich ihnen nachzureiten. „Liegt das Dorf auf dem Weg nach Edoras?" fragte ich. „Nein, das wäre ein Umweg." bekam ich als knappe Antwort. Hoffentlich wird Edmund den Umweg mit mir mitmachen. Ich hatte eine Ahnung, dass er davon nicht begeistert sein würde. „Nach ungefähr einen Tagesmarsch zu Fuß kommt eine Abzweigung. Die nach rechts führt nach Edoras, die nach links zum anderen Dorf."

Also wäre der Umweg mehrere Tage lang ... das wird Edmund nicht gefallen – er wollte sicherlich schnellstmöglich zu seiner Verlobten nach Edoras. Meine heitere Laune war mit einem Schlag zunichte. Ich hatte angst aber wohl oder übel genommen musste ich einen recht langen Weg alleine antreten. Doch auch der Gedanke, dass sich in wenigen Tagen Edmunds und mein Weg trennen würde, betrübte mich zu tiefst. „Sagt kam ein Mann hier vorbei? Er heißt Aaras, hat mittellange braune Haare und stechend grüne Augen....?" Ratlosigkeit stand in den Gesichtern meiner Gesellschaft. „Er kam hier also nicht an..." schlussfolgerte ich. Allesamt zuckten mit den Schultern. Das Rätsel blieb also weiter ungelöst, ob ich noch Ehefrau oder eher Witwe war.

„Habt ihr zufällig Kräuter da? Und Verbände? Mein Begleiter ist verwundet und ich muss die Verbände wechseln." Ungläubig sahen mich alle an. „Ihr seit Heilerin?" fragte mich eine Frau mit einer Bisswunde an der Hand. Bestätigend nickte ich und schon verbreitete sich die Nachricht. Man gab mir alles im Überfluss und das halbe Dorf kam, um mir deren Schmerzen zu schildern und behandeln zu lassen. Das nahm unglaublich viel Zeit in Anspruch. Zufällig bemerkte ich, wie Edmund nahezu nackt aus einer Hütte raus kam und einem Mädchen, was sich gerade ihr Kleid zurecht rückte, einen Klaps auf den Hintern gab. Täuschten mich meine Augen? Nein er war es wirklich ... doch nur ein lüsterner Mann, wie so ziemlich alle. Meine Enttäuschung konnte ich kaum verbergen. Ich bat eine Frau mir ein Bett zu geben und Vorräte fertig zu machen.

„Ihr wollt morgen aufbrechen?" fragte sie mich verwundert. Eifrig nickte ich und machte mich auf dem Weg zu Edmund mit meinem Verbandsmaterialien.

„Althea, was machst du hier?" fragte er mich überrascht. Spitz antwortete ich nur: „Deinen Verband wechseln! Ich denke das ist heute zum letzten Mal." erfreut grinste er. „Dann bist du zufrieden mit meiner Heilung?"

Tatsächlich sahen seine Wunden sehr gut aus. „Ja das bin ich. Wer war die Frau eben?" fragte ich mürrisch. Er zog eine Augenbraue hoch. „Eine Dame die mein Bett wärmte und nur allzu gut weiß, was ein Mann braucht." sagte er scherzhaft. Also stimmte meine Vermutung, was meine Enttäuschung nicht minderte. Kopfschüttelnd vollendete ich mein Werk und machte Anstalten zu gehen. Edmund hielt mich fest. „Ich brauche deine Erlaubnis nicht! Ich tue es wann ich will und mit wem ich will – sofern diejenige es auch will." fügte er hastig hinzu. „Fein." kommentierte ich sein Kommentar übellaunig, packte meine Sachen und ging. Noch einmal warf ich einen Blick auf den schönen Mann – mein Herz schmerzte.

Eine junge Frau holte mich von der Tür ab und brachte mich in meine Unterkunft, wo alles bereit war. Man brachte mir sogar neue Kleidung für die Reise. Um möglichst früh aufbrechen zu können, legte ich alles griffbereit hin.

In dieser Nacht weinte ich mich in den Schlaf. Ich vermisste meine Schwestern und war unsicher wegen meiner Situation. Ich mochte den Hauptmann sehr und wollte ihn nicht schon so früh verlassen, doch er würde sowieso nicht den gleichen Weg einschlagen wie ich. Irgendwie hatte ich Mitleid mit seiner Verlobten, er hatte sie betrogen ohne mit der Wimper zu zucken. Hatte ich mich wirklich so in ihm getäuscht? Es spielte keine Rolle mehr. Ich war ihm nichts mehr schuldig. Er schwebte nicht mehr in Lebensgefahr und seine Wunden am abheilen.

Noch bevor die Sonne aufging, machte ich mich auf dem Weg zum Stall. Butterblume stand bereit, sogar schon gesattelt. Eine der Frauen, der ich gestern am Meisten helfen konnte, stand neben dem Pferd - scheinbar war sie meine Helferin. „Was soll ich ihm sagen?" fragte sie leise. „Die Wahrheit, ich suche nach meinen Schwestern."

Freundlicherweise half mir meine Unterstützerin aufs Pferd und öffnete die Stalltür. Ich folgte dem Weg auf dem sie zeigte.

Eilig ritt ich in den Sonnenaufgang. Schnellstmöglich wollte ich das Dorf hinter mir lassen, ehe einem gewissen Mann meine Abwesenheit bemerken würde. Ohne Begleitung kam ich deutlich schneller voran und mein Pferd war nicht so schnell ausgelaugt.

Zugegeben machte sich Angst in mir breit, denn ich war unbewaffnet und ohne Beschützer unterwegs. Ständig hörte ich Geräusche, vor denen ich am liebsten fliehen wollte. Ich musste unbedingt die Gabelung vor Sonnenuntergang erreichen, um wirklich ausschließen zu können, dass mich Edmund einholte. Sicherlich würde er sich aus dem Dorf ein Pferd geben lassen, um ebenfalls schneller an seinem Ziel zu gelangen.

Am frühen Abend schaffte ich es und lenkte sofort auf dem Pfad ein, der mich zum Rest meiner verbliebenen Familie führen würde.

Krampfhaft suchte ich nach einer Möglichkeit für mein Nachtlager. Ruhe konnte mein Körper dringend gebrauchen ... all die Belastung war nicht gut in meinem Zustand. Ich fühlte mich nicht wohl ... mein Bauch wurde hart und meine Eingeweide krampften sich zusammen. Mit der Schwangerschaft stimmte etwas nicht. Ich musste so schnell wie möglich rasten. Erstaunlicherweise fand ich eine kleine Höhle, die mir vor Wind und den aufziehenden Regen bot – sie war unbewohnt. Unter qualvollen Schmerzen richtete ich mir ein Plätzchen her und sammelte Holz für ein wärmendes Feuer – die Nächte waren sehr kalt, besonders ohne Edmund, der meinen Rücken und mein Herz wärmte.

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