Part VII - Zeitverlust
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Alles ist dunkel, Leere und Stille.
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Schmerzen unsägliche Schmerzen.
„Moment, Schmerzen? Wenn ich Schmerzen spüre, kann ich nicht Tod sein!", überlegt Nikas. Er versucht die Augen zu öffnen, doch es fällt ihm unendlich schwer. Mit größter Anstrengung kann er sie langsam öffnen - nur einen leichten Spalt.
Doch er schließt sie gleich wieder, zu hell. Viel zu hell, es schießen ihm Gedanken in den Kopf: „Bin ich im Himmel?" Erneut versucht er die Augen zu öffnen, zögernd immer etwas mehr. Dann blinzelt er ein paar mal und es dauert nicht lang, bis sich seine Augen an das helle Licht gewöhnen.
Er sieht sich um, scheinbar liegt er und starrt auf eine weiße Raufasertapete an der Decke. „Bitte was?" Etwas weiter links ist der Ursprung des Lichts, Leuchtstoffröhrenlicht. Langsam reckt er die Hand nach oben und reibt sich die Augen.
„Na, du hast dir aber Zeit gelassen!"
Ist die Stimme wieder da? Nein halt diese Stimme klingt anders, aber er kennt sie! Langsam dreht er sich zur Seite, um die Quelle der Stimme zu entdecken. Doch seine Augen werden immer größer.
Riesengroße grün-blaue Augen sehen ihn an. Ein warmer Schauer läuft ihm über den Rücken, der sich zu einer Gänsehaut entwickelt, die wie eine Welle bis zu den Fingerspitzen läuft.
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„Cyana!"
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Sofort setzt er sich auf, erstaunt sieht er sie an und beginnt zu stottern: „Cya, w-wie, i-ich m-meine, was ist passiert?" Tränen rinnen seine Wangen hinab. Sie legt ihre Hand auf seinen Arm. „Ganz ruhig. Du bist im Krankenhaus!" Das erklärt zwar die Raufasertapete, aber nicht, warum er hier im Bett liegt. „Was ist passiert? Das Auto, er kam da so angerast, konnte ich dich in Sicherheit bringen?"
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Doch irgendetwas ist anders, sie streicht noch immer über seinen Arm und lächelt ihn an. Da ist sie wieder, ihre Aura, die sie wie in einem hellen Licht erscheinen lässt. Sie scheint so glücklich und lebensfroh; ihm war nie klar, wie sie das in ihrer Situation sein kann.
Beruhigend spricht sie zu ihm: „Es ist nichts passiert! Der Wagen von den Halbstarken war zu schnell, ja, aber er hat die Kurve bekommen. Er hat uns nicht erwischt, oder sowas!"
Doch wie kann das sein, schließlich liegt er hier im Krankenhaus! „Aber warum liege ich dann hier und viel wichtiger, geht es dir gut?"
Sie rutscht etwas vor und legt seine Hand in ihre Hände. „Als du mich zur Seite geschoben hast, bist du an der letzten Stufe am Café' vorbei getreten und gestürzt. Daraufhin hast du dir übel den Hinterkopf angeschlagen."
Er tastet mit der anderen Hand an die Stelle, es fühlt sich etwas abgeschürft an, jedoch beginnt es zu verheilen. Cya beobachtet das.
„Die lieben Leute im Café haben einen Krankenwagen gerufen, denn du bist sofort ohnmächtig geworden. Ich habe meinen Rollstuhl zu dir umgedreht und war die ganze Zeit bei dir. Die Fahrer im Krankenwagen haben mich sogar mitgenommen."
Die Türen im Zimmer öffnen sich und ihre Eltern betreten das Zimmer. Seine Mutter bricht sofort in Tränen aus und nimmt ihn in den Arm; auch sein Vater kämpft mit den Tränen.
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Nach einem kleinen Moment erzählt Cya, wie es weiterging. „Hier im Krankenhaus haben sie die letzten Wochen überwacht. Sie sagten, das könnte eine Panikattacke gewesen sein, zusammen mit dem Sturz war es eine üble Zusammenstellung."
Er lauscht gebannt ihren Worten, doch bei einem Wort werden seine Augen immer größer. „Moment, Wochen?"
Dann ergreift seine Mutter das Wort: „Ja, wir sind jetzt in der dritten Woche und Cya bestand darauf, bei dir zu bleiben. Sie ist nur zum Schlafen zu Hause gewesen, jede freie Minute saß sie an deinem Bett und hat darauf gewartet, dass du aufwachst!"
Nikas sieht sie sofort an, in ihren Augenwinkeln sammeln sich Tränen. Etwas verlegen lacht ihr Vater, auch um die Stimmung etwas aufzuhellen: „Zum Glück sind Sommerferien!"
Doch gehen seine Worte unter, Nikas macht sich nur weitere Vorwürfe: „Das wollte ich nicht, ich.. ich wollte nicht, dass ihr euch meinetwegen Sorgen machen müsst. Ich hätte auf dich aufpassen sollen, ich werde so etwas nie wie..."
Doch er kommt nicht zum Ausreden, als er sieht, wie Cya in Tränen ausbricht. „Nikas, ich liebe dich, du bist der beste Bruder, den man sich wünschen kann. Du hast mein Leben mit Freude geflutet und mir das Glück auf einem Tablett mit Liebe serviert!"
Nikas muss schlucken, wendet sich ab um nicht vollends in Tränen auszubrechen. Nach einem kleinen Moment bemerkt er etwas, hier stimmt etwas nicht, er sieht sich im Zimmer um. Mit dünner Stimme fragt er: „Wo ist eigentlich dein Rollstuhl?"
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Da lächelt Cya ihn an und ihre Eltern treten etwas zurück. Er sieht zwischen ihnen hin und her, was haben sie vor. Da lässt Cya seine Hand los und lehnt sich etwas zurück. „Du hast mir gezeigt, dass es immer weiter geht. Wie schön das Leben doch sein kann, wenn man nur an sich glaubt."
Sie greift unter ihren Stuhl und zieht zwei Gehhilfen hervor, klemmt sie unter Ihre Arme und beginnt vorsichtig aufzustehen. Tränen rollen ihre Wangen herab, als sie mit zitternder Stimme weiter spricht: „Das Schönste, was wir erleben können, ist das Geheimnisvolle!" Sie läuft mit den Krücken ein paar Schritte auf das Bett zu, während Nikas sich auf den Rand setzt. „Doch manchmal ist das Geheimnisvolle näher, als man denkt, man muss er nur ergreifen und man darf NIE aufgeben!" Sagt Cya als sie vor ihm sieht, dann legt sie die Gehhilfen zur Seite und steht freihändig vor ihm.
Auch wenn ihre Beine zittern und er ihr die Anstrengung ansieht, steht sie ohne Hilfe vor ihm. Da kann Nikas seine Tränen nicht mehr zurückhalten, als sie sich in seine Arme fallen lässt.
Sie hat vor ein paar Monaten bereits angefangen, die Muskulatur in den Beinen aufzubauen, ohne das er davon wusste - sie wollte ihn überraschen. Doch als er ins Koma fiel, war es für sie ein Zeichen. Sie musste ihm zeigen, dass sie den Mut hatte alles zu versuchen: dass sie alles erreichen kann – alles – sogar das Laufen! Das wollte sie ihm beweisen, deswegen trainierte sie umso mehr und langsam stellten sich die ersten Erfolge ein, was sie nur noch mehr motivierte. Heute konnte Nikas sehen was sie erreicht hat, auch wenn es noch ein weiter Weg ist.
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Spätestens jetzt wird auch ihm klar, dass sie niemals aufgeben wird und dass auch sie immer für ihn da ist. Mit der gleichen Hingabe, mit Mut und nicht zuletzt mit der Liebe, die er ihr entgegenbrachte. Er hat ihr mit seinem Verhalten gezeigt, dass man nie aufgeben darf und so alles erreichen kann. Deswegen wollte sie für ihn stark sein und hat jeden Tag, als sie auf sein Aufwachen wartete, versucht aufzustehen. Ihr war egal, dass die Ärzte sagten, sie würde nie wieder laufen können, sie sollten sich irren.
Sie knüpften ein Band untereinander, das sie niemals trennen wird. Die schönen Seiten des Lebens erleben sie gemeinsam, sicher auch die schlechten. Doch sie sind immer füreinander da, geben sich halt, komme, was da wolle.
Sie bleiben mutig, werden niemals aufgeben, dann ist nichts unmöglich.
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Habe den Mut, das Geheimnisvolle zu entdecken.
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Ich habe mir sagen lassen, das sei das Schönste.
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ENDE
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„War ja klar, dass an mich wieder keiner denkt!"
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