Part II - Vergangenheitsbewältigung
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Er überlegt, was die letzten Tage passierte. Doch es ist nicht immer sehr erfreulich in Erinnerungen zu schwelgen, nicht alles ist gut und es gibt nicht wie in den meisten Filmen immer ein Happy End. Manchmal ist es sogar schmerzhaft, man sagt das körperliche Schmerzen verheilen, seelische jedoch begleiten dich dein Leben lang.
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Langsam schält sich der Schatten aus der Dunkelheit und vereinzelte Lichter flackern auf, setzen verworrene Erinnerungen in Bewegung, die lange im Nebel verborgen lagen. Mit jedem schimmernden Lichtstrahl wird das Bild vor ihm allmählich deutlicher, und die Fragmente seiner Gedanken finden langsam ihren Platz. Allmählich kehren diese flüchtigen Momente zurück, wie Geister aus der Vergangenheit, die sich leise und zögernd zeigen.
Nein, das Leben, vielleicht auch das Schicksal, hatte andere Pläne für ihn. So auch an diesem Tag; er wäre bereit, alles zu geben, um die Ereignisse ungeschehen zu machen. Doch so einfach ist es nicht, war es das jemals? Wahrscheinlich nicht, denn er kann sich nicht erinnern, dass es in seinem Leben jemals etwas gab, das leicht war.
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Es war einmal ein scheinbar gewöhnlicher Tag. Sein Vater war bereits zur Arbeit aufgebrochen, während seine Mutter noch damit beschäftigt war, sich um Cyana, seine kleine Schwester, zu kümmern. Doch wer auch immer in die tiefgründigen, grün-blauen Augen des Mädchens sah, spürte von Beginn an eine seltsame Anziehung, die nur schwer zu fassen war. Ihr zartes, freundliches Gesicht und die langen, dunklen Haare schienen ein Geheimnis zu bergen, das weit über das Gewöhnliche hinausging. Die meisten Menschen nannten sie einfach nur Cya, als ob sie instinktiv spürten, dass ihr voller Name einfach zu viel Gewicht trug.
Doch für ihn, Nikas, war sie das Wichtigste in seinem Leben. Auch wenn er, im Gegensatz zu seiner Schwester, eher unscheinbar wirkte. Seine längeren braunen Haare verdeckten meist ein halbes Gesicht, doch das gefiel ihm. So musste er sich nicht mit neugierigen Blicken oder unnötigen Gesprächen auseinandersetzen; er war lieber allein.
Wie oft ließ er die Schule sausen, die er für Zeitverschwendung hielt, nur um mehr Zeit mit ihr verbringen zu können. Sicher hatten die anderen Jungs in seinem Alter mit siebzehn völlig andere Interessen, doch das war ihm egal. Er wollte nie irgendwo dazugehören; das war schon immer so. Er war der unscheinbare Typ, der zwar präsent war, aber von dem niemand Notiz nahm. Für ihn war vieles anders, das würden sie nie verstehen, denn wie sollte man ihnen erklären, dass ein Siebzehnjähriger lieber Zeit mit seiner drei Jahre jüngeren Schwester verbrachte, um ihr die schönen Seiten des Lebens zu zeigen, anstatt um die Häuser zu ziehen oder ähnliches. Doch alles hat seinen Grund.
- Sie hat schon genug durchstehen müssen. -
An diesem Tag war es nicht anders: Seine Mutter musste arbeiten, also war es seine Aufgabe, sich um sie zu kümmern. Schließlich waren Ferien. Das sollte für ihn kein Problem darstellen, zumal seine Eltern nur durch das Leben hetzten, um alles irgendwie zu schaffen. Wahrscheinlich funktionierten sie nur noch, doch Nikas machte ihnen dafür keinen Vorwurf. Bei seinen Eltern musste alles unter einen Hut gebracht werden; seine Aufgabe war eine andere.
Er wollte seiner Schwester alles zeigen, was sonst auf der Strecke blieb. Sie besuchten den Jahrmarkt, wenn er wieder in der Stadt war, oder fuhren in den Park. Als Begleitperson kam er zwar überall mit rein, doch das war nicht das Problem. Er war schon immer erfinderisch, wenn es um Wegfindungsprobleme ging. Das sind Sachen, die sonst niemandem einfallen würden; es wurde immer als zu kompliziert oder zu schwierig abgetan, und das war's dann.
- Seit dem Unfall ist alles nicht mehr so einfach. -
Nur darf man sich von nichts und niemandem unterkriegen lassen, das hat er ihr versprochen und immer Wort gehalten. Das wird auch immer so bleiben, das weiß auch Cya, sie ist dankbar dafür. - Ausbrechen aus dem Alltag - Das war ihr Satz, ihr Credo. Er musste ihr nur sagen: „Bereit zum Ausbrechen aus dem Alltag?" Da fingen ihre Augen an zu leuchten, sie fiel ihm förmlich um den Hals, na ja, so gut es halt ging.
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Sie saßen noch beisammen am Frühstückstisch, als sich ihre Mutter verabschiedete. Sie sagte nur: „Macht keine Dummheiten! Ich beeile mich, dass ich nicht so spät zurück bin."
Er sah nur auf und legte den Kopf zur Seite: „Wir werden den ganzen Tag vor der Konsole sitzen, Mama, weißt du doch!"
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Meistens hatten sie diese Ausflüge Wochen im Voraus geplant, es war ihr Highlight, und diese Ausflüge haben sie immer mehr zusammengeschweißt, als es bei normalen Geschwistern der Fall gewesen wäre! Diese Momente der Unbeschwertheit, die in ihrer Kindheit nahezu komplett fehlten, sind in diesen Tagen wieder da. Das war wichtig, sehr, sehr wichtig. Sowohl für sie als auch für ihn.
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Seine Mutter lächelte ihn an, auch wenn ihr bewusst war, dass das nicht der Fall sein würde. Auch wenn sie nie wusste, was sie den Tag über gemacht hatten, da sie meist rechtzeitig zuhause waren. Ihre Antwort auf die Frage, was sie gemacht hätten, lautete immer:
- nur gelangweilt -
„Nikas, pass einfach auf, ja!" Sie sah ihn an, wohl wissend, dass er das immer macht, nur eben auf seine Weise.
Trotzdem sagte er: „Mach ich!"
Sie lächelte, während sie zwischen beiden hin und her sah: „Was würde ich nur ohne euch beiden machen?"
Da sahen sich Cya und Nikas an und fast im gleichen Ton beantworteten sie nahezu zeitgleich: „Vermutlich ein Wellness-Wochenende!"
Dann mussten beide laut loslachen, auch ihre Mutter lachte kurz, bis sie wieder in ihre Ernsthaftigkeit verfiel und tief durchatmete: „Ihr wisst, wie sehr ich euch liebe?"
Da stand Nikas auf und nahm sie in den Arm: „Ja, wissen wir." Sie sah ihm in die Augen und biss sich auf die Unterlippe, bevor sie die Wohnung verließ. Kaum fiel die Tür ins Schloss, drehte Nikas sich um und sah zu seiner Schwester:
„Na, bereit zum Ausbrechen aus dem Alltag?"
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