Kapitel 2

♠Sebastian♠

Der Club im Resort ist ziemlich exklusiv und ich schätze mich glücklich, einer der wenigen Außenseiter zu sein, der eine Mitgliedschaft erwerben konnte. Sicher, die Tatsache, dass ich ein Arzt bin hat mir dabei sicherlich auch geholfen.

Ein absolut gemischter Club, in dem jede mögliche Vorliebe akzeptiert wird, ist ein gewagtes Projekt aber ich mag die Stimmung hier. Die Atmosphäre ist nicht so sexuell aufgeladen wie in reinen Schwulenclubs, weil man sich auf der Tanzfläche und im offenen Barbereich etwas zurück nehmen muss und doch aufgeheizt genug, sodass sich immer wieder Paare finden, die im angrenzenden Darkroom verschwinden. Oder für die ganz Harten unter uns, in den BDSM Bereich noch einen Stock tiefer.

Ich sitze an die Bar um mir ein Getränk zu bestellen und mich umzusehen. Hier einen entsprechenden Partner zu finden dürfte für einige eine anspruchsvolle Aufgabe darstellen, denn nicht jedem kann man ansehen, ob er an Männern oder Frauen interessiert ist, mir zum Beispiel. Die wenigsten würden mich auf den ersten Blick richtig zuordnen aber meine Ausstrahlung sorgt auch dafür, dass es zwar hier und da interessierte Blicke gibt, aber selten jemand, der sich mir ohne meine Aufforderung nähert.

Meine Blicke fallen auf ein Häufchen Elend in der Ecke, welches mir schon beim Hereinkommen ins Auge gesprungen ist. Gott, bei diesem Mann besteht nicht der geringste Zweifel daran was er ist, er ist schwul und er ist ein Twink. Im Dämmerlicht des Clubs ist er nicht klar zu erkennen und er hat sich einen Platz ausgesucht, der ihn eher verbirgt als präsentiert, aber selbst so kann er seine Identität nicht verleugnen. Man muss ihn suchen um ihn zu finden und wenn ich seine Blicke, die immer wieder Richtung Eingang gehen, richtig deute, dann wartet er auf jemanden.

Zu Schade, er entspricht genau meinem Typ. Blond, klein, zierlich, mit einem femininen Touch ohne tuntig zu wirken. Aber seine traurigen Blicke und seine abwartende Haltung lösen bei mir alle Alarmglocken aus und halten mich zurück. Ich bin zu fordernd für jemanden in seinem Gemütszustand und auch wenn ich Aftercare sehr ernst nehme, so ist es doch etwas, das nach einer befriedigenden Session erfolgt und nicht schon vorher.

Geduldig sehe ich mich weiter um, doch irgendwie wandern meine Blicke immer wieder zurück zu diesem traurigen Twink. Na toll, mein Unterbewusstsein hat sich für ihn entschieden genauso wie mein Körper. Aber mein Verstand ist nicht so dumm. Verdammt.

Ich bestelle mir einen Gin-Tonic und beende somit meine Jagd, denn trinken und spielen passt nicht zusammen. Was soll's, wenn ich einfach nur jemanden hätte abschleppen wollen, hätte ich auch ins Cosmics fahren können. Aber um ehrlich zu sein mag ich die Herausforderung. Also verlege ich mich darauf, den jungen Mann zu beobachten und die Frau, die sich ihm jetzt nähert.

Na Mädchen, da hast du dir aber den Falschen ausgesucht, das wird wohl nichts, denke ich bei mir, als sie ihm die Hand auf die Schulter legt, was ihn zusammenzucken lässt. Doch dann lässt sie sich neben ihm nieder und nimmt ihn in den Arm. Habe ich ihn so falsch eingeschätzt? Verdammt!

„Wer ist das?", frage ich den Barmann, der mir meinen bestellten Drink bringt und nicke mit dem Kinn in die gewünschte Richtung. Seine Blicke folgen meinen bevor er grinst. „Den Jungen kenne ich nicht, aber die Frau die ihn im Arm hält ist Heya." Oh. Interessant.

Der Mann hinter der Bar wendet sich wieder seiner Arbeit zu und ich analysiere über den Rand meines Drinks hinweg den jungen Mann weiter. Ich kann mich ja täuschen, aber dieser Twink scheint eindeutig submissive Tendenzen zu haben, so wie er sich an die Frau lehnt. Aber vielleicht ist es auch nur eine Nebenwirkung seiner Niedergeschlagenheit. Als Heya den Süßen an mir vorbei aus dem Club führt kann ich sehen, dass er einen Brief in seiner Hand hält, so fest dass seine Knöchel weiß hervortreten. Schlechte Nachrichten? Gott, was für eine Verschwendung.

Ich trinke noch einen zweiten Gin-Tonic, lasse die Umgebung auf mich wirken, unterhalte mich etwas mit dem Barkeeper über die weiteren Angebote eine Etage tiefer und wehre dann doch noch ein junges Pärchen ab, dass mich zu einem Dreier einladen will. Sorry, aber nein Danke. Mit Frauen kann ich nichts anfangen – zumindest nicht im Bett.

Schließlich habe ich genug gesehen. Da es noch früh ist, beschließe ich, mein Glück bei Cody zu versuchen. Ein unangemeldeter Besuch birgt gewisse Risiken, aber da er nicht nur mit seinem Freund sondern auch mit seiner Tochter zusammen wohnt gibt es eine nicht allzu geringe Chance, dass einer von ihnen Lust hat, etwas Zeit mit mir zu verbringen.

Der Weg ist recht weit, doch durchaus zu schaffen und mit etwas Glück bringt Cody mich später mit seinem Caddy zurück zum Taxistand. Die laue, sternenklare Nacht und Stille genießend wandere ich die Wege entlang und folge den Schildern in Richtung Reitställe, als ich plötzlich ein Wiehern höre, dass ziemlich aufgeregt und irgendwie panisch klingt. Okay, von Pferden hab ich, im Gegensatz zu meinem besten Freund, keine Ahnung, aber normal hört sich das nicht an.

Anastasia, die Tochter meines besten Freundes, hat mir schon viele Geschichten über Nosy Checker erzählt, ein Shetlandpony mit einem Hang zum Abenteuer. Da die Reitställe noch einiges entfernt liegen und das Geräusch aus einer anderen Richtung kommt, beschließe ich nachzusehen. Vielleicht hat es sich mal wieder irgendwo in Schwierigkeiten gebracht und braucht Hilfe.

Während ich mich eilig auf das ununterbrochene Wiehern zu bewege, ziehe ich mein Handy und suche die Nummer von Cody heraus. Vor mir taucht eine große Hecke auf, die mir im Weg steht und ich suche eine Weile, bis ich einen Weg hindurch – in Ponygröße - erspähe und ihn nutze. Das Bild was sich mir dahinter bietet lässt mir das Blut in den Adern gefrieren. Zum Glück setzt mein Notarzt-Instinkt ein und statt zu erstarren übernimmt mein Körper automatisch.

Ohne zu überlegen stürme ich auf den Baum zu unter dem tatsächlich ein kleines Pony steht und wie verrückt wiehert. Über ihm eine Person, die sich ganz offensichtlich selbst einen Strick geknüpft hat in dem Versuch, sich umzubringen. Neben den beiden liegt ein Stuhl im Gras der, wie gewünscht, umgefallen ist, doch das Pony hat seinen Platz unter den Füßen eingenommen und weigert sich, ihn wieder zu verlassen.

„Cody? Ich bin auf halbem Weg zwischen dir und dem Hotel. Checker ist hier. Kannst du kommen? Schnell, es geht um Leben und Tod!" Ich habe seine Nummer im Laufen gedrückt und auf Lautsprecher gestellt. Ohne aufzulegen schmeiße ich mein Handy ins Gras und suche stattdessen nach meinem Taschenmesser in meiner Hosentasche. Gelobt sei meine Pfadfinder-Ausbildung, die mich schon als kleiner Junge gelehrt hat, immer ein Schweizer Taschenmesser in der Hosentasche zu haben.

„Hilfe!", röchelt der junge Mann den ich nun erkenne und mein Herz zieht sich schmerzhaft zusammen. Welche traurige Nachricht er auch immer erhalten hat, sie muss ihn zu diesem Schritt getrieben haben. Sein Versuch ist, vermutlich sogar dank dieses Ponys, missglückt doch jetzt hängt er in einer wirklich misslichen Lage aus der er sich allein nicht mehr befreien kann. „Ganz ruhig", nutze ich meine Arztstimme um sowohl das Pony als auch den Menschen zu beruhigen. „Ich werde helfen", verspreche ich, während ich vorsichtig den Stuhl wieder aufstelle und nah an den jungen Mann bringe.

Das Tier scheint zu ahnen, was ich vorhabe, denn es weicht nicht zurück und bleibt ganz ruhig stehen. Ich klappe das Messer auf, steige auf den Stuhl und strecke mich zu dem gespannten Strick über dem Kopf des Kleinen. „Wie heißt du?", lenke ich ihn mit einer Frage ab, während ich das zum Glück immer scharf gehaltene Messer benutze um den Strick durchzusägen. „D..D...Daryll", müht er sich ab und ich sehe, wie eng der Strick ist. Das Atmen fällt ihm schwer, aber die Luftzufuhr ist nicht ganz abgeschnitten und er hat es irgendwie geschafft die Finger einer Hand zwischen Hals und Strick zu bekommen. „Okay, Daryll, wir holen dich hier runter. Kannst du dich an mir festhalten?"

Er sieht mich nur panisch an und ich verfluche das dicke Seil, das nur langsam unter dem Messer nachgibt. „Daryll!", in meiner Sorge mischt sich der befehlsgewohnte Ton meines inneren Dom. „Halt dich an mir fest. Jetzt!" Diesem Tonfall kann er sich nicht widersetzen. Zaghaft greift er nach meiner Schulter. „Das kannst du besser, Kleiner!", knurre ich und endlich folgt er und wickelt seinen Arm um meinen Nacken. „Gut so, wirklich sehr gut. Jetzt nur nicht loslassen, hörst du?" Ein weiterer Strang des Seils ist durchschnitten und lässt das Seil etwas ruckeln was dem Jungen einen erschreckten Aufschrei entlockt. Das Pferd unter ihm scheint die Schwankung jedoch auszugleichen und seine Finger werden zwar zwischen Hals und Seil ein wenig gequetscht, können seinen Atemweg jedoch frei halten.

„Sebastian?" Der laute Ruf meines Freundes bringt das Pony dazu, mit einem lauten Wiehern zu antworten und ich bin dankbar dafür, denn so kann ich mich weiter auf meine Aufgabe konzentrieren. Schließlich gibt das Seil endgültig auf und schnell schlinge ich meine Arme um den Twink und ziehe ihn an meine Brust. Erleichterung durchströmt uns beide und löst einen Tränenschwall bei Daryll aus.

„Oh mein Gott", Cody kommt, mit Daniel im Schlepptau, angerannt um zu helfen. Dankbar für seine Unterstützung steige ich mit seiner Hilfe vom Stuhl, ohne den Kleinen in meinen Armen frei zu geben und lasse mich dann darauf sinken. Er kommt dabei rittlings auf mir zu sitzen und ich ziehe ihn sofort wieder an meine Brust um ihn zu trösten. „Bekommt er genug Luft?"

Ich sehe wie Daniel sich um Checker kümmert und Cody den Strick um Darylls Hals befingert, schließlich löst und ganz entfernt. Ein lautes Schluchzen entkommt dem Geretteten als er endlich wieder frei durchatmen kann und ich halte ihn einfach weiter fest, während ich mich mit den beiden anderen Abspreche.

„Cody, kannst du uns zum Hotel fahren? Und Daniel, vielleicht rufst du Heya an und sagst ihr Bescheid." Die beiden Männer nicken nur und überlassen mir die Führung. Gut so.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top