Kapitel 15
♠Thomas♠
Oh Gott, oh Gott, was erzähle ich ihm denn jetzt? Soll ich die Wahrheit sagen, oder drumherum reden?
Ich möchte nicht, dass er mich hinterher in einem anderen Licht sieht, weil er mich für hilfsbedürftig und unfähig hält, denn so bin ich nicht. Ich bin bisher immer klar gekommen und auch wenn es mal eng wurde; irgendwas geht doch immer.
Natürlich nehme ich seine Trinkgelder an, aber nicht, weil ich ohne nicht überleben würde. Mein Auto hätte ich zum Beispiel auch so repariert bekommen. Aarons Dad hat mir nen echten Freundschaftspreis gemacht und außerdem einen Zahlungsaufschub oder Ratenzahlung angeboten. Ich hatte das schon angenommen, trotzdem war ich froh, als ich alles mit dem Trinkgeld von Bernard sofort bezahlen konnte.
Ich brauche keine Hilfe und lebe so gut, wie es eben für mich möglich ist.
"Cheri?"
Ich hebe meinen Kopf und sehe ihn an. Ich mag es wenn er mich Cheri nennt. Er hat das einmal gemacht und ich weiß nicht einmal ob es ihm aufgefallen ist, dass er es getan hat, aber ich fand es total schön, so wie jetzt auch.
"Ich...Also....das fällt mir nicht so leicht, bitte gib mir einen Moment", erkläre ich zurückhaltend und rühre weiter in meinem Topf herum, schließe den Deckel dann und stelle den Herd auf mittlere Hitze. Das Gulasch, welches ich heute koche, muss nun eineinhalb Stunden vor sich her köcheln. Zeit genug um Bernard etwas aus meinem Leben zu erzählen.
Ich verlasse die Kochnische und bitte Bernard mir auf das Sofa zu folgen, wo ich mich in die eine Ecke und Bernard in die andere setzt.
Meine Füße bringen mich noch um, weshalb ich sie hoch lege. Da ich trotz meiner langen Beine etwas klein geraten bin, haben Bernard und ich noch genug Abstand zwischen uns.
Ich ziehe ein Bein an, so dass ich meinen Fuß auf meinem Oberschenkel platzieren und massieren kann.
Abwartend sieht Bernard mich an. Er ist geduldig und wirkt eher interessiert als neugierig, was es mir leichter macht.
"Meine Mutter war sehr krank", fange ich an zu erzählen. "Sie starb vor meinem achtzehnten Lebensjahr."
Ich versuche alles so oberflächlich wie möglich zu erzählen, denn auch wenn schon so viele Jahre her ist tut es immer noch ungemein weh. Ich war mitten in der Pubertät und gezwungen mich um meine kranke Mum zu kümmern, während ich in die Schule ging und lernte. Mein Dad war zu nichts fähig, er begann zu trinken als Mum die Diagnose bekam. Es war wirklich schwer.
"Ein paar Tage nachdem wir meine Mum beerdigt hatten, brachte sich mein Vater um. Warum er das tat bleibt wohl für immer ein Geheimnis, denn er hinterließ keinen Abschiedsbrief. Ich kann nur spekulieren, obwohl ich versuche es nicht zu tun. Aber dann passiert es doch und ich denke dann, dass er Mum in mir sah und ohne sie nicht leben wollte.
Arm waren wir nicht, auch nicht reich, aber es reichte um mir ein Erbe zu hinterlassen. Da ich noch keine einundzwanzig war, kam ich zu meiner Oma und bis zu ihrem Sturz war das wirklich toll. Als sie dann ins Heim musste, weil ich mich nicht so um sie kümmern konnte, wie sie es brauchte, musste ich arbeiten gehen. Somit konnte ich keine Ausbildung machen. Das Haus indem ich wohne gehört Oma und ich bin froh darüber dass ich dort wohnen kann, so spare ich mir die Miete."
Ich mache eine Pause und nehme einen Schluck aus dem Wasserglas welches ich mir mit ans Sofa genommen habe. Plötzlich räuspert sich Bernard und rutsch etwas zu mir. Ich ziehe meine Füße ein damit er Platz hat doch er schüttelt lächelnd mit dem Kopf.
"Darf ich?", fragt er mich und ich verstehe nicht ganz was er möchte, bis er mit seinen warmen Händen meine Fußgelenke greift und sie sich auf seinen Schoß legt. Bevor ich reagieren kann beginnt er damit, mir die Füße zu massieren. Mir entfährt ein wohliges Stöhnen und lege meinen Kopf gegen die Lehne. Eigentlich sollte ich dass nicht zulassen, oder? Aber es fühlt sich so gut an.
"Danke, das ist sehr lieb von dir. Ich dachte ich sterbe bald, so tun mir die Füße weh. Heute war ein sehr anstrengender Tag und ich kam kaum dazu mich mal hinzusetzen", erkläre ich und Bernard nickt verstehend.
"Deswegen dachte ich, ich tu dir was Gutes, ich hoffe das ist okay?" Ihm die Füße weg zu nehmen wäre allerdings gleich doppelt dumm. Denn die Massage ist nicht nur super gut, ich hätte auch das Gefühl ihm sein Lieblingsspielzeug weg zu nehmen. Es macht ihm so viel Spaß.
"Ja", hauche ich und schließe die Augen.
"Bernard, ich möchte nicht dass du denkst ich bin hilfebedürftig. Ich habe wirklich darüber nachgedacht dir meine Geschichte nicht zu erzählen, denn ich möchte nicht das du dich zu irgendetwas genötigt fühlst. Ich habe alles im Griff. Ich kann alles bezahlen und noch gut leben. Ich habe noch einen Job den ich dreimal in der Woche nachts mache, damit komme ich wunderbar klar."
"Du arbeitest noch woanders? Nachts?", entsetzt sieht er mich an und hört kurz auf meine Füße zu kneten. Ich vermisse seine Hände sofort und wimmere leise. Als wenn er es gehört hätte nimmt er die Massage wieder auf, doch wirkt er jetzt sehr nachdenklich.
"Kann ich dir nicht doch irgendwie helfen? Ich möchte nicht, dass du in der Nacht arbeiten musst", sagt er fast flehentlich und ich wusste das sowas passieren wird.
"Bernard. Ich mach das schon ein paar Jahre. Ich habe schon lange zwei Jobs gleichzeitig und bin es gewohnt. Da ich nichts gelernt habe ist das Jobangebot für mich nunmal eingeschränk, aber ich bin arbeite sehr gerne als Küchenjunge und bin zufrieden mit dem zweiten Job als Zeitungsausträger", versuche ich ihm zu erklären, doch irgendwie mag er das wohl nicht hören.
"Ich möchte dir helfen Thomas. Was wäre wenn ich dir mehr Trinkgeld....."
"Nein Bernard, wirklich nicht. Du gibst sowieso schon reichlich, mit mehr würde ich mich nicht mehr gut fühlen."
Eine Weile ist es ruhig, während Bernard gedankenverloren meine Füße massiert. Manchmal sieht er sie an und ich frage mich ob er Füße mag. Ich habe für einen Mann relativ kleine Füße. Mum fand sie immer super süß. Ich wollte sie mir irgendwann mal lackieren, habe mich aber bisher nicht getraut. Vielleicht sollte ich es doch mal ausprobieren.
"Ich habe ein Fußmassagegerät Zuhause, aber das ist noch lange nicht so entspannend und toll wie deine Hände", lobe ich ihn einfach frei raus und Bernard lächelt mich selig an. Es ist so leicht ihn glücklich zu machen – man muss ihm nur zeigen, wie glücklich er einen macht. Der Gedanke lässt mich Lächeln.
"Freut mich dass es dir gefällt. Thomas du sagst du fühlst dich unwohl Geld von mir anzunehmen, aber wie wäre es wenn ich dir eine andere Möglichkeit geben könnte Geld zu verdienen? Könntest du dir vorstellen, für mich zu arbeiten? Würdest du dich da auch unwohl fühlen?", fragt er mich plötzlich und ich sehe ihn überrascht an.
"Wie meinst du das? Was sollte ich denn für dich arbeiten? Das Kochen gehört zum Service des Resorts."
"Mhm ja, aber du vergisst, dass ich Schriftsteller bin und ich habe deine Bilder gesehen und sie sind einfach fantastisch. Ich hätte dich gerne als Illustrator für meine Bücher, natürlich mit Vertrag und allem. Vielleicht kannst du damit sogar etwas mehr Geld verdienen als mit deinem Nachtjob und dadurch eine Ausbildung als Koch anfangen. Hast du Heya und Phedoka mal gefragt, ob du deine Ausbildung nicht hier im Resort machen kannst?
Es ist natürlich ganz allein deine Entscheidung und ich will dich auch zu nichts drängen. Aber ich möchte dir wenigstens eine Alternative aufzeigen, in dem ich dir dieses Angebot mache und dich darum bitte darüber nachzudenken."
Uff, damit habe ich nicht gerechnet. Sprachlos sehe ich ihn an. Was soll ich dazu nun sagen? So ein Angebot bekommt man selten, wenn überhaupt. Für mich war das Zeichnen immer ein Hobby und eine Möglichkeit, meine Gefühle raus zu lassen, so wie andere Tagebuch schreiben.
"Wow, das ist....ich weiß nicht was ich sagen soll Bernard."
"Ich brauche keine Worte, mir reicht es wie du mich ansiehst. Das ist mir Dank genug, das weißt du", strahlt er mich an als er erkennt, wie sehr mir die Idee gefällt. Dennoch möchte ich mich bei ihm bedanken und rutsche auf meine Knie, beuge mich etwas zu ihm und nehme ihn in die Arme.
"Danke Bernard, vielen Dank. Ich würde das Angebot wirklich gerne annehmen. Mir war eh immer mulmig in der Nacht herum zu fahren und nicht zu wissen auf was ich bei den Kiosken und Supermärkte treffe. Vielen Dank."
Lächelnd streicht er über meine Wange und seufzt.
"Schon gut. Aber eine Bedingung habe ich", sagt er dann und ich sehe ihn misstrauisch an.
"Was für eine?", frage ich und lehne mich wieder zurück ins Sofa.
"Du malst die Bilder hier. Du musst sowieso die Bücher lesen um mehr über meine Welt zu erfahren, damit du genug Illustrationen erstellen kannst, stimmts?"
"Ja, ja, natürlich das mache ich gerne hier", antworte ich ihm und freue mich jetzt wie ein Honigkuchenpferd. Das wird toll. Und ich muss nicht mehr Nachts arbeiten, darf all die spannenden Bücher lesen und werde für die Zeichnungen, die dabei entstehen auch noch bezahlt. Ohh wie ich mich darauf freue.
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