Kapitel 17

♠Yves♠

"George, wir müssen reden."

Ich stürme ohne vorher anzuklopfen in Georges Büro. Erschrocken sieht er mich an und versteckt schnell etwas in seinem Schreibtisch. Skeptisch ziehe ich meine Augenbrauen hoch und zeige mit dem Finger zur Schreibtischschublade.

"Was hast du da gerade vor mir versteckt?", frage ich bissig.

George ähnelt einer Wand, so blass wird sein Gesicht.

"Nichts, was dich etwas angehen würde", faucht er. "Und im Übrigen, wie kommst du dazu einfach in mein Büro zu stürmen? Also, in letzter Zeit erlaubst du dir schon etwas viel Fehltritte oder nicht?"

Wieder ziehe ich meine Augenbrauen nach oben. Wenn ich das noch öfter mache, bleiben sie wohl irgendwann dort oben.

Was will er mit Fehltritten sagen? Ich hatte keinen Einzigen. Oder zählt er das, was mit Phoenix passierte, zu meinen Fehlern? Was für ein Idiot.

"Ach vergiss was ich gesagt habe, meine Laune ist heute etwas auf dem Tiefpunkt. Was wolltest du mit mir reden?", lenkt George schnell ein und ich muss mich zusammenreißen, damit ich mich nicht von seiner Idiotie ablenken lasse.

"Tut mir leid für deine Laune. Wobei, nein, eigentlich nicht. Ich werde deine Laune wohl gleich noch schlechter machen, aber um ehrlich zu sein, stört mich das nicht."

Nun ist er dran, mich skeptisch anzuschauen, also fahre ich gleich fort, bevor er mir den Wind aus den Segeln nehmen kann.

"Ich kündige. Meine schriftliche Kündigung reiche ich noch heute ein."

George holt Luft und will irgendetwas sagen, doch ich lasse ihn nicht zu Wort kommen.

"Bevor du etwas sagst, werde ich dir meine Gründe kurz darlegen. Wobei dir eigentlich klar sein sollte, worum es geht. Ich habe herausgefunden, dass Al meinem Mann die Drogen untergeschoben und Michael ihn dazu angestiftet hat. Ich weiß auch, dass Michael die Drogen besorgt hat und woher. Und ich kenne auch seine Gründe. Wusstest du eigentlich, dass zwischen ihm und Al was läuft? Egal, wie es aussieht, hat er darauf spekuliert, meinen Platz als Hauptanwalt bei dir übernehmen zu können."

Ich habe gelernt, einen Angeklagten oder Zeugen genau im Auge zu behalten, ohne dass er sich dessen bewusst ist, und genau das tue ich jetzt mit George. Als Politiker ist er eigentlich darin geschult, seine Reaktionen hinter einer Maske zu verbergen, aber das gelingt ihm in diesem Fall nicht. Man kann seinen Schrecken über alles, was ich weiß genauso an seiner Mimik ablesen wie die Hoffnung in seinen Augen sehen, dass ich nichts von seiner Beteiligung an dem Ganzen weiß.

"Wieso, so habe ich mich gefragt, glaubt er, eine Chance auf diesen Platz zu haben, nur weil er meinen Mann vergrault? Sicher, wenn er mich gut genug kennt weiß er, dass ich ihn nie im Stich lassen und ihm folgen würde, aber das würde ihm noch lange nicht die Position einbringen, die er begehrt. Seine fachliche Kompetenz reicht dafür kaum aus."

Jetzt starre ich ihm direkt in die Augen, nagle ihn regelrecht mit meinen Blicken in seinem Stuhl fest, bevor ich mein Ass aus dem Ärmel lasse. "Bis ich erfahren habe, dass du Michael damit beauftragt hast, Phoenix rauszuekeln."

Ich mache eine Kunstpause, lasse das gesagte sacken, bevor ich die Frage stelle, die mich seitdem umtreibt.

"Wieso? Wieso, George? Hast du wirklich geglaubt, ich würde meinen Mann im Stich lassen und mich dir zuwenden? George, in dem Moment, als ich das hörte, fielen mir so viele Dinge auf. Auf jeder Feier hast du Phoenix ausgegrenzt und mich für dich beschlagnahmt. Dauernd erzählst du mir, dass Phoenix nichts für mich wäre. Zu bunt, zu frech, zu laut. Du umwirbst mich mit extravaganten Geschenken zu Weihnachten und zum Geburtstag und Phoenix bekam sogar schlechtere Geschenke als seine Kollegen. Wie konntest du nur?"

Als ich ihn endlich zu Wort kommen lasse, nutzt er seine Chance. Mittlerweile ist er aufgestanden und steht mir nun gegenüber. Er packt meinen Arm und zieht mich näher.

"Yves, ich liebe dich schon seit ich dich das erste Mal gesehen habe. Mir blieb gar nichts anderes übrig, als so zu handeln. Phoenix ist seit du ihn hast, ein einziger Störfaktor. Gemeinsam können wir richtig groß werden. Warum lässt du dich von ihm so runterziehen?"

Er meint das wirklich ernst, er ist blass, aber auch ehrgeizig und sich sicher. Ein bunter Vogel wie Phönix im Vergleich zu einem ach so hohen Tier wie ihm? Er kapiert es einfach nicht. Er müsste ein Herz haben, um zu verstehen, warum mir Phönix tausendmal mehr Wert ist, als sein Prestige.

"Ich ziehe die ehrliche, offene Liebe meines Mannes jederzeit deinen miesen Machenschaften vor. Ich hielt dich immer für einen netten und umgänglichen Menschen, aber um ehrlich zu sein, will ich nur noch raus hier und zu meinem Mann, denn ich vermisse ihn richtig und ich habe so ein schlechtes Gewissen, ihn mit dem ganzen Mobbing alleine gelassen zu haben. Kein Wunder, dass er irgendwann zur Flasche gegriffen hat."

Ich sehe den Moment, in dem er seine Taktik ändert. Wenn die Leute nicht freiwillig tun, was er will, dann zwingt er sie eben, oder verspricht ihnen etwas, das er ihnen am Ende doch nicht geben will, wie Michael wohl mittlerweile erkannt haben dürfte.

"Du kommst hier aber nicht so einfach raus. Darf ich dich daran erinnern, dass du einen Vertrag hast, an den du gebunden bist? Denkst du wirklich, ich lasse dich da so einfach raus, nur damit du zu diesem verrückten Vogel gehen und deine Karriere wegwerfen kannst?"

Kopfschüttelnd schaue ich ihn nur noch mitleidig an. Vermutlich redet er sich auch noch ein, mir etwas Gutes zu tun. In Ordnung, wenn er auf dieser Schiene fahren will, dann kann ich gerne auf den Zug aufspringen und die Richtung bestimmen, die er nimmt. Meine Glaubwürdigkeit als Anwalt könnte darunter leiden, wenn das hier jemals rauskommt, aber mir bleibt keine andere Wahl, denn ich will wirklich weg von hier. Jetzt kommt es vor allem auf die richtigen Formulierungen an.

"Ich teile hier nicht nur den Bürotratsch mit dir, George. Ich habe handfeste Beweise dafür, dass Phönix die Drogen untergeschoben bekommen hat und von wem. Ich habe Laborberichte sowie Aussagen von dir und Michael auf Band, die nicht nur seine, sondern auch deine Beteiligung an allem beweisen und ich habe Zeugen, die die Echtheit der Aufnahme bestätigen können." Ich weiß, dass ich etwas hoch pokere, denn noch liegen mir nicht alle Beweise vor. Ich weiß auch, dass eine heimliche Tonbandaufnahme vor Gericht als Beweis abgelehnt werden kann. Und er weiß das auch.

"Du drohst mir Yves? Dein Ernst?"

Er hat recht, denn die einzige Möglichkeit, mir mit diesen Beweisen meine Freiheit zu erkaufen, ist die Drohung, das alles der Öffentlichkeit zu übergeben. Wenn das alles herauskommt, ist es egal, was vor einem Gericht dabei herauskommt. Ein Senator der zum Mobbing anstiftet mit Anwälten, die sich der Bestechung schuldig machen, Drogen beschaffen und sich der Körperverletzung mittels dieser Drogen als Auftraggeber mitschuldig machen? Das würde nicht nur seiner jetzigen Kandidatur schaden, sondern auch seine ganze politische Zukunft ruinieren. Doch natürlich spreche ich nichts davon offen aus, denn das wäre wirklich eine Drohung, die mich meinen eigenen Hals kosten könnte. Und auch wenn ich die Tür hinter mir geschlossen habe, als ich in sein Büro gestürmt bin, so gibt es andere Möglichkeiten, dass ich hier aufgenommen werde. Daher wähle ich einen geschickteren Weg.

"Nein, ich drohe dir nicht, ich gebe dir nur einen letzten, guten Rat als dein Hauptanwalt, bevor ich mein Amt niederlege." Erkläre ich gelassen. "Phönix kann dieses Büro wegen Körperverletzung und Mobbing anzeigen. Tu dir selbst und mir einen Gefallen und schmeiß Michael und Al raus. Denn sollte es jemals dazu kommen, dass irgendwer Wind von der ganzen Sache bekommt, dann kannst du wenigstens behaupten, dass du sofortige Maßnahmen eingeleitet hast, als du von ihren Taten erfahren hast."

Die ungesprochenen Worte zwischen den Zeilen machen klar, dass es an ihm liegt, ob wir den Beweis, dass er von allem wusste, gegen ihn benutzen oder nicht. Ich überlasse es George, sie zu interpretieren. Wofür wird er sich entscheiden, für Krieg oder Frieden?

Schockiert sieht er mich an. Ich kann sehen, dass er damit nicht gerechnet hat. Was mich immer mehr davon überzeugt, dass er als Präsident wahrscheinlich wirklich nicht viel taugen würde. Ich denke, ich werde meine Wahl gründlich überdenken.

Nach kurzer Überlegung dreht er sich um, setzt sich hinter seinen Schreibtisch und beginnt auf seiner Tastatur zu tippen. Nach fünf Minuten ertönt das Geräusch des Druckers, George steht auf und reicht mir einen Stapel Blätter.

"Lies es dir durch, unterschreib und wenn ich wieder komme, bist du weg. Räume bitte auch dein Büro."

Ich nicke und beginne, die Blätter durchzulesen.

George bleibt mit der Klinke in der Hand stehen, bereit zu gehen, doch dreht sich noch einmal um, wie ich aus dem Augenwinkel bemerke.

"Dein kommendes Gehalt lasse ich zusammen mit deiner Abfindung auszahlen. Es ist wirklich schade, dass es so gelaufen ist." Er glaubt noch immer, dass ich mit Phönix die falsche Entscheidung getroffen habe. Er hat ja sowas von keine Ahnung.

"Bevor du das nächste Mal jemanden für dich haben willst, versuch es einfach auf die altbewährte Art und greif nicht auf solche Spielchen zurück, George, denn eigentlich bist du ein netter und umgänglicher Mensch." Meine Worte verhallen unbeantwortet, als er durch die Tür verschwindet.

Und was mache ich jetzt, mit meiner neu gewonnen Freiheit?

Genau, Urlaub, im Resort, bei meinem Mann.

Auf dem Weg nach Hause klingelt mein Handy. Ich betätige die Freisprecheinrichtung und begrüße Liam.

Ich hatte noch kein Ergebnis von Liam, als ich George gegenüber behauptete, dass ich Beweise hätte, doch nach dem Gespräch zwischen Michael und Al war mir klar, was Liam im Flachmann finden würde.

"Hey Yves. Also ich habe Neuigkeiten für dich", grüßt er mich zurück.

"Okay, ich bin ganz Ohr."

"Also im Flachmann war tatsächlich die Droge Jabkick nachweisbar. Zudem habe ich die Fingerabdrücke von einem gewissen Albert Fizz auf der Außenseite des Flachmanns sicherstellen können. Ist er dir bekannt?"

Ich lache kurz freudlos auf und nicke.

"Ja, Al. Das ist Phoenix Kollege und mein Mitarbeiter, der das Zeug in den Flachmann geschüttet hat. Danke Liam. Wenn du mir das Ergebnis noch schriftlich zukommen lässt, wäre ich dir sehr dankbar. Im Übrigen arbeite ich nicht mehr im Wahlkampfbüro ab heute."

"Oh okay. Darf ich fragen, was passiert ist? Abgesehen von dem Offensichtlichem?"

"Klar, aber erklären tu ich dir das ein anderes Mal, denn ich bin jetzt Zuhause und packe meine Sachen, um zu Phoenix zu fahren."

"Ins Resort? Mhm...." Er hört sich plötzlich traurig an.

"Ja ins Resort, was ist los Liam? Hast du was auf dem Herzen?", frage ich ihn deshalb.

"Mhm..naja..ich habe mich gefragt, ob du mich eventuell mitnehmen würdest. Ich meine, ich würde wirklich auch mal wieder gerne Urlaub machen und ich möchte mich mit Phoenix vertragen. Ich habe ihm schon ein paar Mal geschrieben, nachdem du hier warst, aber er antwortete nicht. Geht das? Kannst du mich mitnehmen?"

"Du hast ihm geschrieben? In den letzten Tagen? Hast du ihm gesagt, dass wir gesprochen haben?"

"Ja", antwortet er vorsichtig, was mich seufzen lässt.

"Verdammt. Ich hoffe, es ist alles ok bei ihm. Liam ich bin jetzt daheim und packe meine Sachen, dann komme ich dich abholen. Sei bis dahin fertig."

"Okay, danke Yves."

Ich lege auf, gerade als ich in meine Einfahrt einbiege. Ein Blick auf die Garage zeigt mir, dass noch mehr komische Karikaturen und Farben dazu gekommen sind. Kopfschüttelnd laufe ich daran vorbei.

Jetzt kümmere ich mich erstmal um Phoenix und den Urlaub. Diese Schmierereien können warten.

Bis ich loskomme und Liam abgeholt habe, ist es schon nach Mitternacht. Mein Handy habe ich seither nicht mehr beachtet.

Ich hoffe nur, den Chefinnen macht es nichts aus, wenn wir so spät oder früh aufschlagen. 

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