Kapitel 16

♠Phoenix♠

"Oh mein Gott, ich liebe diese Sendung wirklich, aber das? Ich verstehe ja, es ist eine Show für Hobbybäcker, aber das hat doch nichts mehr mit Hobby-Backen zu tun, oder seh' ich das falsch?"

"Nein, siehst du nicht, ich sehe das genauso. Dieser Typ braucht nur die Hälfte der Zeit, die die Anderen benötigen und seine Gebäckstücke sehen immer aus wie aus der Konditorei. Also ich glaube das iss'n Profi der sich für 'nen Hobbybäcker ausgibt."

"Ja, das glaube ich auch."

Ich verfolge dieses Gespräch und versuche herauszufinden, um was genau es geht, und vor allem, wo ich bin. Ich würde so gerne meine Augen öffnen, doch werden sie von zwei Schlauchbooten ausgebremst. Was zum Teufel hab ich nun schon wieder getrieben. Ich versuche den restlichen Tag Revue passieren zu lassen, doch mir scheint, da sind nur Bruchstücke in meinem schwammigen Hirn. Haben wir überhaupt denselben Tag? Oder ist es schon der nächste?

An was ich mich aber noch gut erinnern kann, ist die Nachricht von Liam und dass ich in die Stadt gefahren bin.

"Er ist süß, nicht wahr Liebling?", höre ich eine der Stimmen um mich herum sagen und ich würde wirklich, wirklich gerne meine Augen öffnen.

"Mag sein, dass er es ohne Alkohol ist, aber der ganze Schnaps und Rum macht ihn hässlich und mich macht es traurig."

Ahh diese Stimme kenne ich, Damon. Guardian of the Drunks. Wenn ich bei ihm gelandet bin, dann habe ich wohl mal wieder zu viel getrunken. Dabei wollte ich es doch sein lassen.

Ein kühlendes Tuch wird auf mein Gesicht gelegt, was mich kurz frösteln, dann aber erleichtert seufzen lässt. Tut das gut.

"Ja, das glaub ich dir sofort", brummt Damon.

"Hab ich das laut gesagt?"

"Ja hast du. Wie geht es dir? Kannst du deine Augen öffnen?"

Eric streicht mir über den Kopf. Ich gehe davon aus, dass es Eric ist, denn die Stimme kommt mir bekannt vor. Und wenn ich bei Damon bin, dann ist die andere Person Eric.

Doch ich habe noch eine Stimme vernommen. Wer ist der Dritte?

Ich versuche erneut, nachdem das Tuch meine Augen etwas gekühlt hat, sie zu öffnen und schaffe es auch ein Stück.

Verschwommen erkenne ich Damon und Eric die über mir gebeugt stehen. Dann drehe ich meinen Kopf und sehe noch einen Mann, sitzend auf einem der Sessel.

Plötzlich schießen Bilder durch meinen Kopf. Ich, wie ich lachend auf den Mann vor mir zeige, als seine Faust auf mich zugeflogen kommt. Dann ist wieder alles dunkel.

"Wieso hast du mich geschlagen?", fauche ich ihn im ersten Moment an, denn mehr als das habe ich ja nicht gesehen.

Der Mann steht auf und kommt zu den anderen.

"Ich befürchte. du hattest gestern noch einen schlechteren Tag als die letzten Tage, dass du so viel getrunken hast. Der Filmriss wundert mich nicht."

Seine distanzierte Art lässt mich stutzig werden, denn er sieht eher aus wie ein Bär, aber nicht wie ein Grizzly, sondern eher wie Papa Bär. Seine Statur und seine gütigen sanften Augen lassen ihn gutmütig und warm erscheinen. Doch seine Stimme ist schneidend und herablassend.

Was habe ich ihm angetan, dass er sich mir gegenüber so verhält?

"Du kannst dich im Bad erstmal frisch machen, wenn du möchtest und dann reden wir darüber, was passiert ist."

Nickend hieve ich mich vom Sofa, auf dem ich liege und laufe in die Richtung, in die Eric zeigt. Der Umstand, dass ich nur Boxershorts und sonst nichts trage, wundert mich zwar, aber stört mich nicht. Die drei sind ja auch nur Männer, die nichts anderes herum baumeln haben, wie ich auch.

"Ehm...." Ich drehe mich noch einmal um und sehe Klamotten, die mir entgegengestreckt werden. Genau nach denen wollte ich gerade fragen.

"Ich habe sie gewaschen, du hattest dich vollgekotzt", meint Papa Bär harsch und drückt mir meine Kleidung dann gegen die Brust, bevor er sich umdreht und sich wieder auf seinen Sessel setzt.

"Leon!", höre ich Eric mahnend, noch bevor ich die Türe zum Bad schließe. Den Rest der folgt höre ich nicht mehr.

Ein Blick in den Spiegel lässt mich zusammenzucken. Mein rechtes Auge ist vollkommen blau. Kein Wunder, dass es geschwollener ist als das andere. Das war wohl das Werk von diesem Leon.

Vorsichtig, aber schnell wasche ich mich, geh' noch zur Toilette und ziehe dann meine frisch gewaschene Kleidung an. Der Duft erinnert mich an zu Hause. Und plötzlich denke ich an Yves und die Nachricht von Liam. Ist da was dran? Bin ich Yves vielleicht zu unzulänglich, nachdem was im Büro und in diesem Schuhladen passiert ist? Ich kann doch auch nichts dafür, dass in letzter Zeit alles so ausartet.

Ich muss wissen, was ich heute getan habe, wieso ich nichts mehr weiß und wieso dieser Leon so eine Wut auf mich hat. Normalerweise bin ich wirklich umgänglich. Und vor allem habe ich noch nie jemanden so verärgert.

Ich verlasse das Bad wieder und komme in ein frisch gelüftetes Wohnzimmer. Alle drei sitzen auf dem Sofa, auf dem ich bis eben noch geschlafen habe, da fällt es mir wie Schuppen von den Augen und wieder bekomme ich kleine Bilder in meinen Kopf geblitzt. Leon wie er Eric küsst, ich sehe mich, wie ich Leon voller Wut von Eric ziehe und ihn anschreie. Leon sagt irgendwas, was mich zum Lachen bringt und dann fliegt die Faust.

Ich kann den Blick nicht von den Dreien abwenden. Wie Eric an Damon lehnt und dabei seine Beine über Leons Schoß liegen hat, wo Leon ihm die Füße massiert.

"Setz dich", meint Damon, was ich sogleich auch tu.

"Ich möchte dir jetzt nicht die Leviten lesen oder sonst was, dazu habe ich nicht das Recht, jedoch möchte ich, dass du dir bitte dieses Video anschaust. Das sind mehrere kleine Videos in einem."

Er streckt mir sein Handy entgegen. Ich schaue zwischen dem Handy und ihm hin und her, bevor ich es in die Hand nehme und das Video starte.

Man sieht mich sitzend an der Bar, irgendwas zum Trinken in der Hand und mein Kopf gefährlich schwankend über dem Glas. Ein etwas älterer Mann setzt sich neben mich, lächelt mich freundlich an und fragt mich, ob alles okay sei. Wenn ich reden möchte, hätte er ein offenes Ohr. Ich hebe meinen Kopf, zumindest versuche ich es und spucke ihm mit meinem ersten Wort ins Gesicht. "Offenes Ohr? Ich glaube bei dir alter Sack ist was ganz anderes offen. Verpiss dich und lass mich in Ruhe", höre ich mich sagen und schüttel geschockt den Kopf.

Was ist nur mit mir los? Macht das der Alkohol? Ich muss auch wiederholt zugeben, so viel wie in letzter Zeit habe ich noch nie getrunken. Noch nie habe ich mich so gehen lassen.

Eine neue Szene bildet sich vor meinen Augen. Ich sitze immer noch an der Bar, als der Barbesitzer, Eric, küsst. Ich weiß nicht, was ich mir dabei gedacht habe, im nüchternen Zustand kann ich darüber nur den Kopf schütteln, denn genau solche Menschen hasse ich, aber ich bin aufgestanden und mit wutverzerrtem Gesicht zu den sich Küssenden gegangen und ziehe Papa Bär von Eric weg.

"A-ah, das geht so nicht, Junge. Lass die Finger weg von diesem Mann, der ist schon vergeben. Such dir jemandem mit deinem Kaliber, Fetti", höre ich mich lallen. Fest schluckend schaue ich zwischen den drei Männern hin und her. Tränen bahnen sich den Weg über meine Wangen. Denn noch nie in meinem Leben habe ich jemanden wegen seinem Aussehen oder anderem diskriminiert. Ich war immer der toleranteste Mensch. Dachte ich zumindest.

Eric macht Anstalten aufzustehen, doch Damon lässt ihn nicht los.

"Aber..."

"Nein Liebling, da muss er durch." Damon setzt ihm einen Kuss auf den Kopf und gibt mir mit einem Handzeichen zu verstehen, dass ich weiter schauen soll. Was ich eigentlich nicht wirklich will, aber mache es trotzdem.

Papa Bär sieht mich wutentbrannt an und meint, dass Eric auch mit ihm vergeben sei und mich das gar nichts anginge. Da beginne ich zu lachen und schreie:" WAS? Dich will doch keiner zum Freund. Schau dich doch mal an. Bekommst du beim Sex überhaupt noch Luft? Also ich wäre nicht gerne Schuld, wenn du einen Herzinfarkt dabei bekommen würdest."

Das brachte Papa Bärs Fass zum Überlaufen, was ich voll und ganz verstehen kann, und rumms, hatte ich seine Faust im Gesicht. Ich falle um und kotze über mich und auf den Boden.

Nein, ich will mir den Rest gar nicht anschauen. Es reicht mir, was ich gesehen habe.

Nicht in der Lage, das Handy an Damon zurückzugeben, lege ich es neben mir auf die Lehne des Sessels.

Hier ist es still, zu still und ich weiß nicht, was ich denken, geschweige denn sagen sollte. Ich bin fertig. Mit mir und mit der Welt.

Wie tief kann man bitte sinken?

Ich verstehe es nicht.

"Phoenix?"

Erics warme Hand streicht sanft über meine Schulter, zieht sich aber sofort wieder zurück. Ich habe schon bemerkt, dass er Probleme damit hat andere anzufassen, doch diese kleine Geste gibt mir den Rest und ich vergrabe mein Gesicht in meinen Händen und beginne zu schluchzen.

"Es tut mir so leid, so sehr. Bitte verzeih mir." Ich rutsche von meinem Sessel runter und Knie mich vor Papa Bär, der mich mit zusammengekniffenen Lippen ansieht.

"Ich weiß, dass es unentschuldbar ist, was ich getan habe, aber sei dir sicher, dass ich nichts von dem, was ich gesagt habe, ernst gemeint habe. So bin ich nicht. Wirklich. Ich weiß nicht, was in letzter Zeit mit mir los ist, ich erkenne mich selbst nicht wieder."

Ich möchte nach Hause, oder dass Yves da ist. Ich möchte mich in seine Arme schmeißen, eine Decke über mich ziehen und mich einfach verstecken. Nie wieder hervorkommen.

Eine Hand packt mich unter den Achseln und zieht mich auf meine Füße, dann schlingen sich starke, breite Arme um mich und ohne hinzusehen weiß ich, dass es Papa Bär ist.

"Kümmer dich darum, dass es so nicht weitergehen kann. Damon ist jederzeit bereit, dir beizustehen und kennt auch einen guten Arzt, wenn du bereit bist", sagt er und seine sanfte Stimme rollt mir den Rücken in Form von Gänsehaut hinunter. Ich wusste, dass er nicht so ist, wie er sich mir gegenüber verhalten hat. Alles nur, weil ich so gemein zu ihm war.

Ich drücke mich von ihm weg, sehe ihm in die Augen und nicke.

"Ich will nicht so sein, wie ich die letzten Tage war. Es tut mir wirklich leid."

"Ich weiß, ich weiß."

"Du schaffst das, wir glauben an dich", meint Eric dann und lässt sich von Papa Bär in die Arme ziehen, nachdem Damon ihn endlich freigegeben hat.

Wir sitzen noch ein Weilchen zusammen und unterhalten uns, wobei ich auch erfahre, dass es einfach mitten in der Nacht ist. Was mir die ganze Zeit gar nicht aufgefallen ist. Sie erzählen mir von ihrem Kennenlernen und Damon von seiner Sucht.

Am Ende verabschiede ich mich bei ihnen mit einer Karte des Psychologen hier aus dem Ort in meiner Hand.

An mein Handy habe ich die ganze Zeit nicht gedacht, erst im Resort nehme ich es in die Hand, doch habe ich noch keine Antwort von Yves auf meine Nachricht. Kurzerhand entscheide ich mich dazu, sie zu löschen, denn ich vertraue ihm und glaube, dass, wenn er mit Liam in Kontakt getreten ist, dann hatte er sicher einen guten Grund dafür. 

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