Kapitel 1

♠Phoenix♠

"Hey Guys, ich bin es wieder, euer Nix. Heute teste ich für euch 'Ronjas Boutique'. Bei ihr gibt es die angesagtesten Designer-Stücke für einen Schleuderpreis. Ob das auch der Wahrheit entspricht? Wir werden es sehen."

Ich schwenke meinen Selfie-Stick und drücke mit meiner Schulter die Tür zur Boutique auf.

"So hier betreten wir Ronjas und schauen mal, was sie so alles da hat und vor allem, ob diese Kleidungsstücke überhaupt echt sind", wende ich mich wieder an meine Follower.

Seit einem Jahr mache ich schon diese Empfehlungsvlogs und habe einen Followerpool von 1 Million, also gar nicht so schlecht.

Ich stöbere durch Kleidung von Vouis Luitton, Parda und Tucci, bis ich finde was ich suche. Eine einreihige Jacke aus Mohairwolle von Parda für Männer, die im offiziellen Shop schlappe 3.500 Dollar kostet. Ich nehme das Preisschildchen in die Hand und drehe es, damit ich lesen kann, was sie in diesem Laden hier kostet.

"Heeey, hiiii ich kenne dich, du bist Nix, der Influencer der Kleidung, Essen und Clubs testet. Hab ich recht? Du darfst hier gerne Filmen", höre ich eine schrille Frauenstimme rufen. Ich drehe mich um und sehe sie auf mich zueilen, in der Hand ihr eigenes Handy, mit dem sie mich direkt aufnimmt. Glaube ich zumindest so, wie sie es in der Hand hält. Da sie mir ihre Erlaubnis zum Filmen gegeben hat, habe ich auch nichts dagegen, dass sie mich filmt. Sie ist nicht die Besitzerin Ronja. Scheint ihre Angestellte zu sein, also setze ich mein bestes falsches Lächeln auf und halte die Jacke ein wenig in die Luft.

"Schätzchen, ich liebe diese Jacke und ich habe gehört die gibt es bei euch einfach viel billiger", flöte ich, gehe auf sie zu und gebe ihr links und rechts ein Küsschen auf die Wange.

"Oh ja, diese Jacke ist sehr beliebt, das ist auch der Grund, wieso sie hier so günstig ist. Wenn wir sie mit dem normalen Preis auszeichnen, wird sie nicht gekauft, machen wir sie aber billiger, gehen sogar mehr über den Ladentisch und wir machen mehr Gewinn, verstehst du das?"

Mit großen Augen sieht sie mich an und nickt eindrücklich. Denkt sie wirklich ich bin so dumm, dass man mit mir reden muss wie mit einem Kind?

Ich lache auf, jedoch nicht wegen dem, was sie gesagt hat, sondern weil ich es wirklich nicht glauben kann, wie die Menschen mich einschätzen, nur weil ich solche Vlogs mache, aussehe wie eine bunte Partymaus und so extrovertiert bin wie niemand anderes.

"Ja, ich verstehe das und ich möchte sie gerne kaufen, doch zuerst muss ich sie mir näher anschauen, ich hoffe das ist für dich in Ordnung?"

"Aber natürlich. Doch falls du denkst, sie ist nicht echt, dann muss ich dich enttäuschen, sie ist so echt wie meine Möpse", gurrt sie und ich verziehe angeekelt mein Gesicht. Wer will denn schon wissen, ob ihre Möpse echt sind oder nicht? Vor allem läuft mein Stream ja immer noch und ich befürchte meine Follower sind von ihrer Aussage auch nicht so begeistert.

Mein Blick huscht auf mein Handy und ich schnappe ein paar lustige Kommentare auf zu dem Thema Brüste, welche mich kurz zum Lachen bringen.

Dann wende ich mich wieder der Verkäuferin und der Jacke zu.

"Davon will ich mich dann schon selbst überzeugen. Also nicht von deinen Brüsten, sondern von der Jacke", berichtige ich mich schnell, bevor sie sich noch weiß der Geier was einbildet.

Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht schwul zu sein, doch wenn man mich ansieht müsste bei jedem Menschen sein Gaydar anschlagen und klar machen, dass ich zumindest nicht hetero bin. Dennoch werde ich regelmäßig von Frauen angemacht. Ich belächle das meist und mache ein paar Schritte zurück. Dabei werde ich zwar immer komisch angesehen, aber das ist mir egal.

Ihr albernes Kichern holt mich aus meinen unschönen Gedanken raus. Sie zeigt auf eine der Umkleidekabinen und dann zum Verkaufstresen.

"Wenn was ist, werde ich dort auf dich warten."

Ich nicke und gehe in die Umkleide, wo ich den Vorhang zuziehe und meine Tasche auf den kleinen Hocker in der Ecke stelle. Die Jacke hänge ich an den vorgesehenen Kleiderhaken. Ich richte das Handy zur Jacke aus, so dass jeder sie sehen kann und untersuche Schildchen und Nähte. Denn bei Fälschungen sind meistens die Nähte schlecht verarbeitet, Fäden reißen schnell oder es sind Stichfehler drin. Außerdem ist Mohairwolle weicher und geschmeidiger als Schafwolle und kratzt zudem nicht. Was hier auch nicht der Fall ist. Die Nähte sind super verarbeitet und das Material fühlt sich an wie es sollte. Also ist die Jacke echt.

"So meine Lieben, entschuldigt, dass ich euch so lange habe warten lassen, doch wie ihr ja selbst mitbekommen habt, wurde ich unterbrochen. Also ich kann euch sagen, auch die 3500 Dollar wären diese Jacke wert. Dennoch ist es doch total genial Fashionmode für einen geringen Preis zu kaufen, was ich nun tun werde, denn diese Jacke ist wirklich ein Schätzchen. Ich melde mich gleich wieder, sobald ich bei Jerrys Shoes angekommen bin, denn dort gibt es krasse Vouis Luitton Schuhe für einen Schleuderpreis. Also, see you later Alligator! ...."

Ich stecke mein Handy in die Tasche, schlüpfe schnell in die Jacke rein und betrachte mich im Spiegel.

Magnifique! Würde mein Bärchen jetzt sagen. Ohh ich kann es gar nicht erwarten ihm meine neue Errungenschaft zu zeigen.

Auf dem Weg zur Kasse ziehe ich die Jacke gar nicht erst aus.

"Kann ich sie gleich anbehalten?", frage ich die Verkäuferin. Sie schaut von ihrem Handy auf, macht mit ihrem Kaugummi eine Blase und lässt ihn dann platzen, bevor sie weiter auf ihm herum kaut, als hätte sie einen steifen Knochen zwischen ihren Zähnen.

"Aber natürlich, lass mich nur schnell das Preisschild entfernen."

Sie kommt hinter ihrem Verkaufstresen vor, langt in meinen Nacken, den sie so ganz beiläufig streichelt, was mich erschaudern lässt, aber nicht auf die gute Art, schnappt sich dann das Preisschild und schneidet es raus.

Nachdem ich endlich habe bezahlen können, renne ich fast schon aus der Boutique und schwöre mir, nie wieder einen Fuß hier reinzusetzen.

Auf dem Weg zu Jerrys Shoes überlege ich, mir noch etwas zum Essen zu holen, bevor ich mich auf die vielen tollen Schuhe stürze. Doch verwerfe ich die Idee wieder. Mein Bärchen kocht heute Abend sicher wieder etwas Leckeres, wenn er von der Arbeit nach Hause kommt. Wenn ich jetzt esse, dann tue ich das heute Abend nicht mehr, und das wäre schade.

Ich biege in die Seitenstraße ab, in der der Schuhladen ist und ziehe mein Handy wieder aus der Tasche.

"Hey, hey Guys, hier bin ich wieder, euer Nix. Ich stehe jetzt direkt vor dem Schuhladen..."

Ich schwenke das Handy, um die Front des Ladens zu zeigen.

"..nun wollen wir mal sehen, ob der Laden hält, was er verspricht."

Ich öffne die Türe und spaziere hinein, mein Blick fällt sofort auf die ausgestellten VL Driver Mokassins in schwarz/orange. Ich nehme einen davon vorsichtig in die Hand und zeige ihn in die Kamera.

"Wow, wenn ich gewusst hätte, dass sie meine Lieblingsschuhe haben, hätte ich die Pardajacke nicht gekauft", kichernd drehe ich den Schuh in der Hand und sofort fällt mir etwas auf.

"Könnt ihr das sehen? Ich hoffe ihr könnt es. Die Nähte sind ausgefranst und man erkennt Klebespuren. Dadurch dass diese Schuhe mit der Nadel handgefertigt werden, kann man super schön erkennen, dass dieser Schuh gefälscht ist. Auch wenn ich über das Leder streiche, fühle ich, dass es sich um Kunstleder handelt. Nicht zu fassen, das...."

"Hey, sie da, was machen sie da? Aufnehmen ist hier verboten, machen sie sofort die Kamera aus", höre ich jemanden schreien, drehe mich um und sehe den Verkäufer, der wie ein wilder Stier auf mich zu stürmt.

Ich lasse meinen Arm, in dem mein Handy liegt, sinken, doch ich streame weiter. Wer weiß was noch alles passiert.

"Ich kann hier nirgends ein Schild sehen wo darauf steht dass es verboten ist mich selbst zu filmen wie ich Schuhe aussuche und anprobiere."

"An der Türe hängt ein riesiges Schild, wenn sie nicht gerade blind sind, hätten sie es sehen müssen", faucht der Verkäufer mich an und ich hebe meine Augenbrauen.

"Also entschuldigen sie, aber wie sprechen sie mit mir? Erstens, dort war kein Schild, ich achte immer explizit auf sowas, zweitens habe ich ihnen nichts getan und drittens wenn sie nicht gerade etwas zu verbergen hätten, dann könnten sie sich freuen, dass ich über 1 Million Follower habe, die, wenn ich ihnen gute Rezensionen gebe, bei ihnen einkaufen kommen", sage ich ihm auf den Kopf zu.

"Ich habe nichts zu verbergen." Er fühlt sich sofort angegriffen, greift nach meinem Arm und zieht mich mit sich. Da ich eher klein und schmächtig bin, habe ich nicht einmal die Chance mich von diesem Typen zu lösen.

Im hinteren Bereich des Verkaufsraumes, befindet sich eine Türe. Diese öffnet er, schiebt mich hinein und schließt die Türe.

"Hey, sagen sie mal, spinnen sie? Was soll denn das? Lassen sie mich gefälligst raus", schreie ich und klopfe mit voller Wucht gegen die Türe.

"Ich lasse sie erst wieder raus, wenn die Polizei da ist, die ich soeben informiert habe."

"Was? Wieso? Was soll das denn?"

Ich hebe mein Handy wieder hoch und sehe die ganzen Kommentare, die einer nach dem anderen auftauchen.

>Was ist das für ein Arsch!<

>Ja genau, wieso sperrt er Nix ein, er hat gar nichts Verbotenes getan.<

>Welches Schild denn? Ist der Typ dumm? Da war keins.<

Bis auf einen Kommentar waren alle für mich und gegen den Verkäufer, was mich erleichtert aufatmen lässt. Wenigstens meine Follower glauben mir.

Die Zeit vergeht extrem langsam. Ich versuche in dieser dunklen Kammer nicht verrückt zu werden. Irgendwann geht mein Handy aus. Fuck. Akku leer. Es war ja auch nicht geplant, so lange in der Stadt zu bleiben.

Ich klopfe noch mal gegen die Türe und rufe, doch antworten tut mir niemand.

Was für eine verdammte Scheiße. Ich hab doch nichts getan. Und mit dieser Aktion verhindert der Typ auch nicht, dass ich ihn wegen Betrugs anzeigen werde, denn der Schuh, den ich in der Hand hatte, war definitiv ein Plagiat und anhand von meinem Video kann ich das sicher auch beweisen.

Gefühlt nach einer halben Stunde geht endlich die Türe auf und zwei Polizisten stehen vor mir.

"Sir, würden sie uns bitte auf das Revier begleiten? Der Ladeninhaber hat sie angezeigt wegen des Filmens seines Ladens, trotz ausgewiesenem Verbot."

"Ich habe nichts Verbotenes getan, da war kein Schild, als ich den Laden betreten habe. Ich verstehe wirklich nicht wo das Problem ist, vor allem weil er doch derjenige ist, den man anzeigen muss. Nämlich wegen Betrugs. Er verkauft Fälschungen und ich kann es auch beweisen", äußere ich und ziehe mein leeres Handy aus der Tasche. Seufzend schiebe ich es wieder ein, als mir einfällt, dass der Akku leer ist.

Da ich nicht weiß wie ich mich weiter verhalten soll, lasse ich mich am Arm, der immer noch von dem festen Griff des Ladenbesitzers schmerzt, nach draußen führen und mich ins Polizeiauto setzen.

Was für eine verdammte Scheiße. In was hast du dich jetzt schon wieder reingeritten, dummer Phoenix?

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