Kapitel 9
♠Orion♠
Wie ein wilder Stier renne ich schon fast zum Restaurant. Mit Schwung stoße ich die Türe auf, hechte an Erin und Gunnar vorbei direkt in die Küche zu Thomas. Keiner sagt was, keiner hält mich auf.
Auch wenn es mittlerweile ein zwei Sterne Restaurant ist, sitze ich trotzdem oft in der Küche und unterhalte mich mit Thomas. Seit Bernard gestorben ist, entwickelte sich zwischen Thomas und mir eine Freundschaft. Ja, ich denke, ich könnte sogar behaupten, dass wir sowas wie beste Freunde sind.
"Orion, was ist los? Du bist ja ganz aufgelöst."
Ich liebe seine Aufmerksamkeit. Er merkt schon daran, wie ich gehe, dass etwas nicht stimmt. Okay. Wahrscheinlich würde das im Moment jedem auffallen, denn ich bin auch auf 180. Zumindest in mir drin.
"Bent kam heute zusammen mit Preston an", platzt es aus mir heraus und ich setze mich auf die Edelstahlarbeitsfläche in der hinteren Ecke, die nie benutzt wird.
"Wie jetzt? Der Möchtegern-Freund von Chris?"
Während Chris hier im Krankenhaus lag, war ich oft bei Thomas und habe ihm schon von der ganzen Situation erzählt.
"Ja, genau und ich weiß nicht, was ich machen soll. Er ist so, so...ich kann nicht mal erklären, wie hart er mir auf den Sack geht."
"Tzzz Orion, also wirklich, deine Contenance'', tadelt mich Thomas, doch ich schüttle mit dem Kopf.
"Mir egal. Es macht mich sauer. Erst erzählt mir Chris nichts von ihm und dann muss ich seinen Bauerntrampel auch noch ertragen. Ich hasse es so zu sein, wirklich, aber...."
"Du hast Angst, das ist ganz normal."
"Ich kann aber keine Angst haben, ich weiß was Chris und ich haben und ich weiß dass er mich nicht ausschließen würde. Aber vielleicht habe ich wirklich Angst davor, dass sich etwas zwischen uns ändert. Ich liebe Chris."
Mitfühlend sieht er mich an, legt sein Messer auf die Seite, mit dem er gerade noch Gemüse geschnitten hat, zieht seine Handschuhe aus und stellt sich vor mich. Ich öffne meine Beine so dass er sich dazwischen stellen kann. Dann tritt er einen Schritt vor und nimmt mich in seine Arme. Meinen Kopf lege ich an seiner Schulter ab und seufze tief.
"Ich weiß das Orion und Chris weiß das auch. Ich habe euch nicht nur einmal zusammen gesehen. Vielleicht muss sich dieser Bent einfach erstmal selbst an die Situation gewöhnen. Es ist nicht jeder schon so erwachsen mit 23 wie ich es damals war. Denk daran. Und mit Polyamorie hat man leider auch nicht tagtäglich zu tun. Gib ihm die Zeit."
"Das würde ich auch sagen", höre ich eine Stimme und zucke kurz zusammen. Thomas löst sich von mir und geht einen Schritt zurück.
"Es tut mir leid, aber Gäste haben in der Küche nichts zu suchen"; tadelt er Preston streng, aber dennoch freundlich.
Prestons entschuldigender Blick bringt mich zum Lächeln. Er ist so ein attraktiver Mann. Trotz der Größe und Behaarung eines Bären. Er ist mindestens fünf Zentimeter größer als Chris, der alleine schon nicht klein ist, mit seinen 1,85m und viel breiter. Während Bent und Chris in etwa dieselbe Statur haben. Ich glaube, würde ich zwischen den dreien stehen, würde ich mich als kleiner unbedeutender Twink fühlen. Was ich ja auch bin. Ein kleiner Twink. Gerade mal 1,67m groß.
"Hi, ich bin Preston Wheeler . Der beste Freund von Christopher", stellt er sich vor und streckt Thomas die Hand entgegen.
"Thomas Baker, Chefkoch und bester Freund von Orion", erklärt er selbstbewusst und sieht Preston mit seinem typischen Thomas-Lächeln an.
"Sehr erfreut. Wenn ich mich hier, neben Orion hinstelle, darf ich dann bleiben? Ich bin auch ganz brav", fragt Preston Thomas und klimpert mit seinen schön geschwungenen Wimpern, die eigentlich so gar nicht in das bärtige Gesicht passen wollen, doch ihn genau aus dem Grund wahnsinnig Attraktiv wirken lassen.
Ein Fingerpieks an der Außenseite meines Oberschenkels holt mich zurück aus meinem Starren und ich nicke einfach, dabei ist das nicht meine Entscheidung.
"Ihr dürft euch auch an den kleinen Tisch dort setzen. Wollt ihr was essen?", fragt Thomas, während er mit seiner Hand auf den Tisch in der Ecke zeigt.
"Also eigentlich wollte ich etwas zum Essen für uns alle holen..."
"...aber wir beide können gerne hier essen und den anderen beiden Zeit lassen, um sich zu beruhigen und über die Situation zu sprechen", unterbricht mich Preston frech. Eigentlich habe ich keine Lust, Chris noch länger mit Bent alleine zu lassen, aber ...
"Das ist doch eine gute Idee"; mischt sich Thomas ein und beginnt in der Küche herumzuwuseln und Zutaten aus verschiedenen Schränken einzusammeln. Die beiden haben vielleicht recht und ich überlasse es Chris, Bent in seine Schranken zu verweisen. Ich muss einfach darauf vertrauen, dass er nach wie vor zu mir steht. Auch wenn mir seine Geheimniskrämerei ein paar Ecken in dieses Vertrauen gehauen hat.
Schnaubend rutsche ich von der Arbeitsplatte herunter, komme ins Straucheln und stolpere gegen Preston, der mich sofort auffängt, als würde ich nichts wiegen und wieder vor sich hinstellt.
"Ui, nicht so stürmisch, mein Hübscher. Manchmal kann ich ganz schön umwerfend sein."
Thomas' Kichern, hallt durch die ganze Küche und ich spüre, wie ich rot anlaufe. Gott wie lange ist es her, dass ich verlegen auf das Flirten eines anderen Mannes reagiert habe?
Immer noch hält mich Preston an meinen Armen fest und auch wenn er es ganz ohne Druck macht, werden die Stellen mächtig heiß. Also wenn da mal keine Fingerabdrücke bleiben.
Langsam lässt er mich los, allerdings streicht er mit seinen Fingern meine Arme entlang, drückt leicht meine Hand und lässt mich dann einfach stehen. Ungläubig bleibe ich noch ein paar Sekunden stehen, um meine Gefühle unter Kontrolle zu bekommen, bevor ich ihm dann zu dem kleinen Tisch in der Ecke folge. Mein Blick wandert zu Thomas, der sich mit seiner Hand in seinem Gesicht herum wedelt, als wäre es heiß und immer noch vor sich hin kichert.
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