♠Orion♠
Zu meinem Leidwesen machte diese Krankenschwester eine Ausnahme, nachdem Chris sie angebettelt hatte, und ließ Bent ins Zimmer. Ich nickte es nur ab, doch gefallen muss mir das Ganze ja nicht, oder? Als ich mich dann wieder neben Chris ins Bett setzen will, kommt Bent mir zuvor, dreht sich dann seitlich und legt seinen Arm über Chris' Kopf ab.
Seufzend schließe ich die Augen, um nicht durchzudrehen. Nicht weil ich eifersüchtig wäre, denn das bin ich nicht, sondern weil dieser Bent einfach so egoistisch ist und Chris für sich alleine vereinnahmt. Und mich dabei vollkommen ignoriert.
Was denkt der bitte? Dass Chris und ich zwar verheiratet, aber getrennt sind? Chris muss ganz schnell mit offenen Karten spielen, sonst schnapp ich mir diesen Bengel an den Ohren und zieh ihn aus dem Zimmer und weiter aus dem Krankenhaus raus, scheiß egal wie viel größer und breiter er im Gegensatz zu mir ist. Ich bin bereit und fähig, meinen Mann mit anderen zu teilen, aber das muss auf Gegenseitigkeit beruhen.
Chris dreht seinen Kopf zu mir und sieht mich entschuldigend an.
"Liebling, möchtest du mir bitte ein Glas Wasser besorgen?"
"Und mir einen Kaffee", zieht Bent hinterher, allerdings ist sein Ton nicht so freundlich wie der von Chris.
Seufzend erhebe ich mich wieder von dem Stuhl, auf den ich mich eben noch gesetzt habe und verlasse das Zimmer, doch nicht ohne mich vorher noch einmal umzudrehen.
"Ich befürchte der Kleine weiß nicht sehr viel über dich. Wie wäre es, wenn du ihm ein paar Dinge erzählst, solange ich weg bin? Einfach nur, damit wir uns in Zukunft den Ärger ersparen können", fordere ich Chris auf und mein Ton zeigt ihm deutlich, was ich von dem Ganzen halte und dass es mir wichtig ist, klare Fronten zu schaffen.
Verständnisvoll nickend wirft er mir einen Handkuss zu, den ich erwidere, mich dann umdrehe und gehe.
Als ich um die Kurve zu den Aufzügen laufe, kommt mir sein behandelnder Arzt entgegen.
"Oh Mister Rigel, ich wollte gerade kurz nochmal nach ihrem Mann sehen, bevor ich Feierabend mache und mit ihnen sprechen", erklärt er mir.
"Okay, nur zu." Ich winke mit meiner Hand zum Zimmer.
Als wir eintreten steckt Bents Zunge tief in Chris Hals. Mein Blick huscht zu Doctor Tao, der zwischen mir und dem Paar hin und her sieht, sich dann aber zusammenreißt, aufrecht hinstellt und sich räuspert. Ich muss daran denken, mich später noch bei ihm zu bedanken. Er hat sich in Allem sehr verständnisvoll und vorurteilsfrei gezeigt.
Bent hingegen achtet gar nicht auf uns, sondern säubert weiter den Gaumen von Chris, bis dieser seine Augen öffnet und mich und den Arzt erblickt. Er legt seine Hand auf Bents Brust und schiebt ihn sanft von sich. Ein unzufriedenes Grummeln von Bents Seite quittiert er mit einem leichten Schlag gegen seinen Arm. Endlich checkt auch der begriffsstutzige Bent, dass Besuch im Zimmer ist. Unhöflichkeit - dein Name ist Bent.
"Mister Rigel, ich bin Doctor Tao, ich würde gerne kurz mit ihnen und ihrem Mann sprechen", erklärt der Arzt mit kurzem Blick auf Bent, der immer noch da steht, als hätte er eine Daseinsberechtigung.
"Bent, kannst du bitte?", fordere ich ihn auf und zeige auf die Glastüre. Doch dieser verschränkt bockig die Arme vor der Brust und setzt sich demonstrativ näher an Chris.
"Wir haben keine Geheimnisse, stimmts TOPHER?" Herausfordernd sieht er mich an, als er seinen Spitznamen für Chris ausspricht. Doch ich lasse mich nicht provozieren. Ich öffne gerade meinen Mund um etwas zu sagen, da klinkt sich Chris ein.
"Bent, geh bitte raus. Du kannst nach dem Gespräch wieder rein kommen."
"Aber..."
"Nichts aber...bitte"
"Okay."
Seine Arme immer noch vor der Brust verschränkt, stapft er an mir und Doctor Tao vorbei und zieht die Glastüre, nicht gerade sanft, hinter sich zu.
"Wie ich ihrem Mann schon angedeutet habe, sehe ich vor, sie in ein anderes Krankenhaus zu verlegen. Ihr Bruch ist um einiges komplizierter als gedacht und bedarf eines Spezialisten. Mit diesem habe ich jetzt die letzte Stunde telefoniert und wir sind uns einig. Also werden wir sie gleich morgen früh ins Windington Hospital verlegen, wo er und sein speziell geschultes Team sich um ihre Operation kümmern kann. "
"Nach Windington also?", fragt Chris und grinst mich an.
Doctor Tao sieht mich an und kneift die Augen zusammen.
"Gibt es da ein Problem?"
"Nein, nein, ganz und gar nicht. Im Gegenteil, ich wohne dort. Also ist das mehr als vorteilhaft für mich."
"Zufälle gibt's", sagt er lachend und dreht sich wieder zu Chris. "Ein Arzt wird auf dem Flug dabei sein und eine Krankenschwester, die nach ihrer Stabilität während des Fluges schauen werden", erklärt er weiter und ich werde hellhörig.
"Kann ich auch mitfliegen? Ich bin akademisch qualifizierter Krankenpfleger und könnte die Krankenschwester sogar ersetzen, wenn das möglich wäre."
"Sie sind...? Oh. Wieso haben sie nichts gesagt?" Aus ihm spricht die Neugier und ich lächle ihn verständnisvoll an.
"Wieso sollte ich? Die Damen machen hier einen super Job. Und ich habe nicht vergessen, wie nervig es ist, wenn sich Familienangehörige immer einmischen und alles durcheinander bringen, nur weil sie meinen, dass 'vom Fach zu sein' den Schwestern helfen würde. Ich habe es früher immer gehasst und muss ihnen sagen, ich war mehr als einmal versucht, den Bruder eines Patienten oder auch die Mutter aus dem Krankenhaus zu komplimentieren. Aber zurück zu meiner Frage... Wäre es möglich?"
Er nickt anerkennend und ich schätze, damit habe ich ein paar Pluspunkte bei ihm gesammelt.
"Okay, ja, ich denke, das geht klar. Ich mache dann alle Papiere heute noch fertig, bevor ich gehe, damit sie morgen früh direkt los können", meint er und verabschiedet sich von uns, bevor er das Zimmer verlässt.
"Das lief doch ganz gut, oder? Ich werde ganz in deiner Nähe sein, du musst dir kein Hotel suchen, sondern kannst zuhause schlafen und jeden Tag in die Klinik kommen."
"Ja, das stimmt."
Ich gehe zwei Schritte vor, an Chris Bettkante, beuge mich über ihn und gebe ihm einen Kuss.
"Ich hol dir dann mal ein Glas Wasser und Bent seinen Kaffee. Bis gleich."
"Bis gleich. Ich liebe dich."
"Ich dich auch."
Ich dreh mich um und verlasse das Zimmer, vor dem Bent schon von einem Fuß auf den anderen hampelt und wartet, bis er wieder rein kann. Ich werde jetzt darauf verzichten, ihm zu sagen, dass Chris ab morgen in einem anderen Krankenhaus ist, das soll Chris mal schön selbst tun.
Im Gehen greife ich nach meinem Geldbeutel in meiner Potasche und merke erst jetzt, dass ich Chris' Handy auch dort hineingestopft habe. Das hat mir die Krankenschwester mit seinen übrigen Sachen gegeben.
Ich zucke zusammen, als es plötzlich in meiner Hand vibriert. Ohne auf das Display zu sehen gehe ich ran.
"Rigel?", melde ich mich, als würde ich an mein eigenes Handy gehen.
"Ohhh, was für eine schöne Stimme. Da Christophers Stimme nicht so weich und lieblich klingt, gehe ich stark davon aus, dass du Orion bist?!", fragt mich der Mann am anderen Ende keck, was mir ein Schmunzeln auf die Lippen legt. War das ein wenig geflirtet? Wer das wohl ist?
"Ja, der bin ich", antworte ich freundlich und wette, er kann mein Grinsen durch die Leitung hören.
"Gut, dann habe ich ja den Richtigen dran, der mir ein wenig mehr Auskunft geben kann. Ich bin im Übrigen Preston. Christopher nennt mich Pres, also darfst du das auch gerne tun. Wie du möchtest."
Mein Mund klappt auf, als wäre der Weihnachtsmann persönlich am anderen Ende des Handys. Noch nie habe ich mit Chris' bestem Freund telefoniert, geschweige denn, dass ich ihn überhaupt kennengelernt hätte. Ich weiß nur aus Chris Erzählungen von ihm. Und irgendwie bin ich nun ziemlich aufgeregt.
"Orion? Ori? Bist du noch da?"
Prestons Stimme wirkt besorgt und reißt mich aus meinen Gedanken.
"Ja, ja natürlich. Hey Preston."
"Oh Gott sei Dank, ich dachte schon, ich habe dich vergrault. Falls ja, dann glaube mir bitte, es war bestimmt nicht mit Absicht. Aber der Grund, wieso ich anrufe. Ich habe den Flugzeugabsturz in den Nachrichten gesehen. Geht es Christopher gut? Sie sprachen von einem Toten und vielen Verletzten. Ich wusste, dass es sein Flug war, anhand der Flugnummer, da er nach Boston fliegen sollte und ich ihn hier am Flughafen abholen wollte. Ich habe es schon ein paar Mal bei ihm versucht, bis jetzt endlich du ans Handy gegangen bist."
Oh verdammt. In der ganzen Aufregung habe ich das total vergessen. Ich hätte Preston gleich Bescheid geben müssen, aber...
"Es tut mir so leid, Preston, ich habe in der ganzen Aufregung nicht daran gedacht dich zu informieren. Wirklich, es tut mir so leid. Chris geht es den Umständen entsprechend gut. Eine Platzwunde am Kopf, eine Beinfraktur, die nach der Operation nun fixiert wurde, mit einem Fixateur und eine Rippenprellung. Allerdings hatte er einen Herzinfarkt auf dem OP-Tisch ...."
"Was? Oh mein Gott, das ist heftig. Ich komme so schnell ich kann nach New York", beschließt er spontan, doch muss ich ihn bei seinem Vorhaben gleich unterbrechen.
"Das brauchst du nicht, Chris wird morgen in das Krankenhaus in Windington verlegt, da ist ein Spezialarzt, der ihn nochmal operieren wird, da der Bruch komplizierter ist als vorher vermutet."
"Da wo das Resort ist?"
"Ja", bestätige ich mit einem Lächeln in meiner Stimme.
"Gut, dann sag mir bitte Bescheid, sobald ihr angekommen seid und ich komme dann zu euch. Ich wollte sowieso schon immer mal Urlaub in deinem Resort machen und wenn ich nebenbei noch meinen besten Freund besuchen und ihm helfen kann, dann mach ich das."
Zu einem verschmitzten Lächeln ziehe ich meinen Mundwinkel nach oben, was Preston leider nicht sehen kann und schüttle den Kopf.
"Du weißt aber, dass ich dort wohne und ich Chris nach dem Krankenhausaufenthalt mit in meine Wohnung nehme?", frage ich ihn und jetzt ist er es, der lacht.
"Ori...das weiß ich. Keine Angst, ich werde euch schon nicht zu sehr auf die Pelle rücken, nur ein ganz kleines bisschen."
Ori! Der Einzige, der mich ab und zu mal Ori nennt, ist Chris und das meistens nur, wenn er was will. Den Spitznamen aus Prestons Mund zu hören, finde ich irgendwie...süß? Ich weiß nicht, aber ich höre es gern und er ist mir auch super sympathisch. Eigentlich ja wirklich schade, dass es zwischen Chris und ihm nicht für eine Beziehung gereicht hat.
Chris erzählte mir einmal, dass er gerne mit Preston zusammengekommen wäre, allerdings war es hier Preston, der es für richtig hielt, nur befreundet zu sein, wenn auch mit gewissen Vorzügen. Chris ist einfach nicht Prestons Typ. Anscheinend zu ähnlich vom Aussehen. Ich habe Preston noch nie gesehen und Chris hatte es nicht weiter erläutert. Doch jetzt interessiert es mich ziemlich, wie Preston aussieht.
"Also, was sagst du dazu? Würde es Christopher recht sein, wenn ich nach ihm sehe?", unterbricht Preston erneut meine Gedanken und ich nicke.
"Ja, natürlich. Und mir auch!", ergänze ich aus einem Bauchgefühl heraus, wofür ich ein dankbares Seufzen vom anderen Ende ernte. Er ist wirklich nett.
"Okay, danke. Dann kümmere ich mich schon mal um Urlaub und einen passenden Flug für mich."
"Okay. Dann bis bald."
"Ja bis bald. Und Ori??"
"Ja?"
"Es war schön dich endlich mal kennenzulernen, auch wenn es zunächst nur telefonisch war."
"Dito", antworte ich ihm und lege dann auf.
Mit einem Lächeln mache ich mich endlich wieder auf den Weg, die bestellten Getränke zu holen. Ich hoffe, sie haben alles geklärt, wenn ich zurückkomme, lange genug Zeit dafür hatten sie ja.
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