~Twentyfour~
Nachdem er die Tür geschlossen hatte, schob ich umgehend die Decke von mir, als Yonathan plötzlich wieder aus dem Bad heraustrat. In meiner Bewegung innehaltend, starrte ich ihn an. Mich überkam umgehend die Angst, er könnte etwas von meinem Vorhaben ahnen.
„Was machst du?", fragte Yonathan sichtlich irritiert.
„Der Fernseher ist mir zu dunkel. Ich wollte das Licht anstellen", log ich, woraufhin ein trauriger Ausdruck auf seinem Gesicht entstand. Er schien mir die Lüge abzukaufen und ging unmittelbar zu dem Lichtschalter, um das Licht anzuschalten.
Danach kramte er in seinem Koffer und schien etwas zu suchen. Ich setzte mich auf und schaute verlegen auf meine Hände im Schoß, als mir etwas Wichtiges in den Sinn kam.
„Nate?" Er drehte sich langsam zu mir herum und nur verhalten schaute ich ihm ins Gesicht. „Was ist mit meinem Ausweis und mit allem anderen?"
Yonathan schloss für einen Bruchteil der Sekunde seine Augen und ein für mich undefinierbarer Ausdruck entstand auf seinem Gesicht. Langsam kam er auf mich zu und setzte sich zu mir auf das Bett, ehe er lange die Luft ausstieß.
„Die habe ich leider noch nicht", antwortete er bestürzt. „Aber wir holen diese in zwei Tagen."
„Wie meinst du das? Wir holen sie?", hakte ich nach. Da er die Papiere nicht hatte, erschwerte es mir natürlich einfach zu fliehen. Doch zwei Tage warten hörte sich für mich unzumutbar an.
„Deine Papiere sind bei dem Veranstalter von der Versteigerung", informierte er mich.
„Und der rückt sie dann ohne Beanstandung raus?"
Yonathan verneinte mit einem Kopfschütteln und ich sah ihn mit geweiteten Augen an. Was hatte er mit mir vor?
„Du brauchst dir absolut keine Sorgen zu machen. Ich werde jede Summe zahlen, egal in welcher Höhe, um all das endlich zu beenden", sagte er, wobei ich die Wut in seiner Stimme hören konnte.
„Wieso kannst du es nicht ohne mich erledigen? Yonathan, ich möchte da nicht hin!", erwiderte ich mit flehenden und mit bebenden Lippen.
„Sky, beruhige dich. Ich werde nicht zulassen, dass da etwas schiefgeht. Aber ohne das Kaufobjekt, kann es keine Versteigerung geben, von daher musst du leider mit anwesend sein", erklärte er mir. Ich verzog meine Lippen bei dem Wort »Kaufobjekt«. Allerdings war es das, was die Händler in mir sahen. Ein billiges Objekt, das man mit Geld kaufen konnte.
Yonathan stand auf und blieb direkt vor dem Bett stehen. „Du musst mir einfach vertrauen."
Doch so einfach war es für mich nicht. Wie sollte ich ihm nach allem, was passiert war, vertrauen? Er hatte mich schon einmal anstandslos weggegeben. Wer sagte, dass er es kein zweites Mal tun würde?
„Aber jetzt versuche zu schlafen. Wir können morgen in Ruhe über alles reden und du kannst mich alles fragen, was du möchtest", bot er mir an. Ich nickte nur und legte mich wieder hin, ehe Yonathan mit einem letzten Blick in meine Richtung abermals in dem Badezimmer verschwand.
Ich lauschte einige Minuten und als ich das Wasser im Bad laufen hörte, warf ich die Decke beiseite und sprang hastig aus dem Bett. Aus dem Koffer nahm ich schnell eine Jacke und meine Schuhe, ehe ich leise in den schmalen Eingangsbereich ging.
Mir stach der Autoschlüssel ins Auge und eilig nahm ich diesen, ehe ich lautlos die Tür öffnete und nach draußen verschwand. Ich hatte weder einen Führerschein, noch hatte ich Ahnung davon, wie man ein Auto fuhr. Es war lediglich eine Notlösung und immerhin konnte Yonathan mich so nicht mit dem Auto verfolgen.
Zugegeben mein Plan war nicht sonderlich ausgereift, denn in einem fremden Land ohne jegliche Orientierung war es kaum möglich wirklich weit zu kommen. Aber ich hatte die Hoffnung, dass man mich dennoch ernst nahm und mir vielleicht die Polizei helfen würde.
Anstatt auf den Fahrstuhl zu warten, nahm ich direkt die Treppen und lief diese die drei Stockwerke nach unten. In der Hotellobby rannte ich zu der Rezeption, an der noch immer der Mann war. Er saß mittlerweile und schien sich einen Film auf dem Tablet anzusehen. Nur widerwillig hob er seinen Blick und schaute mich erwartungsvoll an.
„Sie müssen mir helfen! Rufen Sie die Polizei!", sagte ich aufgebracht, während mein Blick immer wieder über meine Schulter glitt. Ich hatte vermutlich einige Minuten Vorsprung, allerdings hätten auch Max und Dawson jeden Moment das Hotel betreten können.
„Ich werde gegen meinen Willen festgehalten!", rief ich panisch. Der Mann hinter dem Tresen schaute mich nur ausdruckslos an und blinzelte verwirrt einige Male, ehe mir auffiel, dass er vermutlich nicht ein einziges Wort verstand von dem, was ich von mir kam.
„Scheiße", fluchte ich und rannte aus dem Hotel hinaus, um daraufhin überfordert zwischen den Autos hin und her zusehen. Mein Herz hämmerte ängstlich in meiner Brust.
Die einzige Möglichkeit war, mit dem Auto zu einem Polizeirevier zu fahren, in der Hoffnung, dass es dort jemanden gab, der meine Sprache verstand. Dafür musste ich jedoch die Hürde meistern, ein Auto überhaupt zu steuern.
Ich lief eilig auf den Mercedes zu, entriegelte die Türen und stieg hinter dem Lenkrad in den Wagen. Überfordert mit der Situation und Angst jeden Moment erwischt zu werden, fummelte ich nervös mit dem Schlüssel am Lenkrad. Ich suchte vergeblich nach dem Zündschloss, ehe ich feststellte, dass es sich bei dem Schlüssel um gar keinen richtigen Schlüssel handelte.
„Fuck", murmelte ich und suchte nach einer Öffnung, in die dieser passte. Ich fand nach einigen Suchen auch das sogenannte Zündschloss. Der Motor brummte laut auf, als ich das Auto startete und daraufhin den Schalthebel betrachtete. Statt zahlen waren dort Buchstaben drauf.
Immerhin hatte ich als Beifahrerin häufig darauf geachtet, wie man einen Gang einlegt, weshalb ich dies ohne Probleme schaffte. Mit dem Fuß auf der Bremse umfasste ich das Lenkrad und sah mir völlig überfordert all die Knöpfe und Schalter an.
Da es nachts war, wollte ich zuerst das Licht einschalten, weshalb ich an dem Hebel am Lenkrad zog. Ein quietschendes Geräusch ließ mich zusammenzucken und als ich aufschaute, erkannte ich die Scheibenwischer, wie sie schnell über das Glas wischten.
„Nein, scheiße!", fluchte ich und zog noch einmal an dem Hebel, woraufhin die Wischer stoppten. Ich probierte auch an dem zweiten Hebel zu ziehen und zu drücken, jedoch gingen dabei nur die Blinker an. Immerhin wusste ich somit, wie man blinkt.
Mir stach ein Schalter ins Auge, auf dem ich auch das Zeichen für Licht erkannte, weshalb ich an diesen einmal drehte und daraufhin das Licht anging.
Ich ließ einen kleinen Freudenschrei aus, ehe ich mich dann dem Navi widmete. Zum Glück war dieses nicht auf Russisch, sodass ich in dem Suchfeld eilig „Police Departement" tippte und mir umgehend eine Route angezeigt wurde.
Mit einem letzten Blick über meine Schulter in Richtung Hotel ließ ich die Bremse los und der Wagen fuhr langsam an.
Meine Knie zitterten heftig, als ich das Gaspedal durchdrückte und der Wagen nach vorne schoss. Eilig nahm ich den Fuß von dem Pedal und tastete mich langsam an die Beschleunigung heran. Ich fuhr auf die Hauptstraße und stellte dabei erleichtert fest, dass ich die einzige um diese Zeit auf der Straße war.
Ich folgte den Anweisungen des Navis und nach einer turbulenten zehnminütigen Fahrt kam ich tatsächlich unbeschadet auf dem Parkplatz des Polizeireviers an. Mittlerweile war es Yonathan sicher aufgefallen, dass ich nicht mehr da war und mir blieb kaum noch Zeit.
Panisch und mit zitternden Händen schnallte ich mich ab, ehe ich aus dem Wagen sprang und zu dem Eingang des Reviers rannte. In dem kleinen Büro sahen mich plötzlich zwei Polizisten an und mit rasendem Herzen ging ich zügig auf die beiden zu.
„Ich brauche dringend Hilfe. Sprechen Sie meine Sprache?", fragte ich. Die beiden sahen mich ebenso fragend an, wie der Mann an der Rezeption, ehe einer der beiden aufstand und einfach davonging.
Ich schaute ihm hinterher und konnte dabei nicht verhindern, dass bereits die ersten Tränen mein Sichtfeld einschränkten. Meine Nerven lagen vollkommen blank und am liebsten wäre ich einfach auf den Boden gesunken, hätte mich zusammengerollt und unkontrolliert geweint. Doch das würde mir keineswegs weiterhelfen.
Nach kurzer Zeit kam ein weiterer Polizist und reichte mir umgehend die Hand.
„Hallo, ich bin Officer Stanton und werde mir Ihr Anliegen anhören. Folgen Sie mir bitte." Er hatte keinen russischen Akzent und schien somit auch kein russischer Polizist zu sein. Dennoch folgte ich ihm und er brachte mich in ein kleines Büro.
„Setzen Sie sich", forderte er mich höflich auf und ich kam seiner Aufforderung umgehend nach. Der Officer setzte sich gegenüber von mir an den Schreibtisch und schaute mich abwartend an.
Ich fing augenblicklich an ihm von der Entführung zu erzählen und dass ich 8 Tage von der russischen Mafia festgehalten wurde. Der Officer schaute mich emotionslos an und nickte nur einige Male.
„Und Sie konnten fliehen?", fragte er, als ich ihm von der Zelle im Keller erzählte.
„Ja. Nein. Ich wurde aus dem Haus befreit. Allerdings ist derjenige, der mich dort herausgeholt hat, ebenso ein geisteskranker Psychopath! Er möchte mich in zwei Tagen zu einem Menschenhändler und einer Versteigerung bringen", sagte ich hastig. „Bitte, Sie müssen mir helfen!"
Der Polizist nickte und reichte mir eine Taschentücherbox, als bei mir alle Dämme brachen und mir meine heißen Tränen die Wangen herunterliefen.
„Ich sorge dafür, dass Ihnen nichts mehr passiert", meinte er mit einem liebevollen Ton. „Jedoch müsste ich dafür einmal mit der amerikanischen Behörde telefonieren, da Sie keinerlei Ausweise haben."
„Okay", nickte ich und fühlte eine Erleichterung, da der Alptraum anscheinend endlich ein Ende hatte. Officer Stanton stand auf und verließ das Büro, da er laut seiner Aussage telefonieren musste. Mein Bein wippte nervös auf und ab, während ich wartete.
Nach mehreren Minuten, die sich wie Stunden anfühlten, stand ich auf und lief in dem Büro auf und ab. Das Büro hatte ein Fenster, aus dem ich direkt auf das Revier blicken konnte. Officer Stanton war nirgends zu sehen, dafür erkannte ich aber die anderen beiden Polizisten, wie sie hektisch ihre Schreibtische aufräumten.
Einer von denen wirkte beinahe leichenblass. Vermutlich gab es eine Kontrolle auf dem Revier, warum sonst waren alle plötzlich so übermotiviert?
„Miss MacKenzie, ich habe mit der Behörde gesprochen. Es wird jeden Moment jemand auf das Revier kommen und Sie mit zu der Ausländerbehörde begleiten, wo man Ihnen helfen kann", teilte der Polizist mir mit. Ich atmete erleichtert aus und bedanke mich bei ihm.
„Sie dürfen hier so lange warten", sagte er noch mit einem freundlichen Lächeln, ehe er mir einen kleinen Plastikbecher mit Wasser reichte.
Ich trank ein wenig von der Flüssigkeit und wartete auf den Beamten der Behörde, während ich mich zurück auf den Stuhl vor dem Schreibtisch setzte.
Die Erschöpfung machte sich allmählich bemerkbar, weshalb ich meinen Kopf an die Wand lehnte und meine Augen schloss. Ich döste ein wenig vor mich her, als ich hörte, wie die Tür geöffnet wurde.
„Hallo Skylar."
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top