~Thirtyone~

Sky's überforderter und hilfesuchender Blick fand meinen und obwohl sie so besorgt wirkte, erkannte ich zum ersten Mal auch wieder etwas Leben in ihren Augen.

Ich hätte mich eigentlich nie auf so eine schwachsinnige Idee eingelassen, wenn ich nicht gewusst hätte, dass Sky der Umgang mit Stenja und Aljoscha gut tat. So absurd es auch klang , aber sie schienen sich gut zu verstehen. Immerhin waren die beiden Clowns in ihrem Alter, was vermutlich eine Menge ausmachte. Sie brauchte in dem Moment Menschen, die mit ihr auf Augenhöhe waren.

„Kein Alkohol, kein Nikotin und keine Drogen, kapiert?", richtete ich mein Wort nochmal an Stenja und Aljoscha, die beide daraufhin genervt zu mir sahen.

„Dein Daddy ist voll der Langweiler", sagte Aljoscha zu Sky, die daraufhin erneut leise kicherte und mir damit mein Herz erwärmte.

Es war die richtige Entscheidung...

„Ja, ich glaube das haben ältere Menschen so an sich", antwortete sie und sah mich provozierend an.

Sagte sie gerade alt?

Dafür, dass ich angeblich so alt war hatte ich aber eindeutig die bessere Kondition!

Meine Hand zuckte leicht bei ihren Worten und nur zu gerne hätte ich sie von Gegenteil überzeugt, allerdings musste ich mich mit meiner gestörten Familie auseinandersetzen.

„Versucht einfach nicht das Hotel abzufackeln. Euer Talent habt ihr ja schon mehrmals unter Beweis gestellt", bat ich und umgriff ein letztes Mal die Hand von Sky. Ich zog sie eng an mich und atmete ihren Duft ein, ehe ich ihr Kinn mit meinen Fingern umfasste und in ihre glanzlosen Augen schaute.

In ihrem Blick konnte ich beinahe ihren inneren Kampf sehen, weshalb ich seufzend ihr Kinn losließ und ihr einen Kuss auf die Wange hauchte. „Ich versuche so schnell wie möglich wieder hier zu sein."

Sie blickte verlegen nach unten und nickte befangen, was mir nur zu deutlich zeigte, wie misstrauisch und innerlich zerrissen sie noch immer war. Meine Geduld war nie die beste, doch ich wollte ihr wirklich die Zeit geben, die sie nach allem benötigte.

Mit einem letzten warnenden Blick zu Stenja und Aljoscha verließ ich das Zimmer, um direkt von Max und Dawson empfangen zu werden.

***

Ich betrat den Club von Kirill und ging den dunklen Flur entlang, um sofort die Treppe nach unten zu nehmen. Die Musik dröhnte in meinen Ohren und auch die flackernden Lichtern nervten mich nach nur wenigen Sekunden.

Mir stieg umgehend der Geruch von Zigaretten und billigem Parfüm in die Nase, als ich den düsteren Club betrat und über die große Tanzfläche ging. An der langen Bar rechts von mir arbeiteten mehrere leichtbekleidete Frauen und sahen mich sofort auffordernd an, als wäre ich verpflichtet bei Eintritt direkt etwas zu bestellen.

Ringsherum um die Tanzfläche standen einige Tische mit dunklen Sesseln. Ebenso gab es mehre schwarze Podeste mit Stangen, an denen sich weitere der Frauen räkelten, wenn sie nicht bereits auf einen Schoß von einem reichen alten Sack tanzten.

Obwohl es mitten am Tag war, war der Club bestens besucht. Dabei dachte ich immer, dass solche Etablissement nur von den Nächten leben.

Als ich meinen Blick durch den Club schweifen ließ, entdeckte ich eine kleine Treppe, die nach oben führte. Dort gab es eine weitere Etage, von der aus man nach unten in den Raum sehen konnte. Mir blickte Kirill von dem Geländer aus entgegen und nickte mir kaum merklich zu, weshalb ich umgehend die Treppe nach oben zu ihm lief.

Als ich oben ankam, saß Kirill bereits an einem längeren Tisch, an dem viele weitere ziemlich reiche Männer saßen, während die Frauen sie bei Laune hielten.

Ich begrüßte Kirill mit einem Handschlag, ehe ich den restlichen Männer ein Kopfnicken zuwarf und mich setzte.

„Ich habe von dem Vorfall mit Sky gehört. Hoffentlich hast du sie angekettet", meinte Kirill gefühllos, wie immer, während er auch seinen Blick desinteressiert in meine Richtung wandte.

„Wieso? Hast du Angst um sie?", fragte ich ihn provozierend, weshalb er mich einige Sekunden abschätzend anschaute.

„Wenn es nach mir gehen würde, wäre sie noch immer in der Hölle von dieser Hure", entgegnete er. „Aber du denkst ja, du wärst Gott persönlich."

Seine Stimme klang abwertend und zeigte mir nur wieder zu deutlich, was er von Sky hielt, obwohl man beinahe hätte meinen können, dass er ihr half. Doch natürlich tat er es nicht, weil er irgendein Interesse daran hatte, dass es ihr besser ging. Er wollte sie nur noch mehr Leiden sehen.

„Ich ermögliche ihr nur das, was die Hure, die sich deine Mutter schimpft, nie auf die Reihe bekommen hat", knurrte ich. „Aber der Apfel fällt bekanntlich nicht weit vom Stamm."

„Da sprichst du wohl aus Erfahrung", funkelte Kirill mich an, ehe seine Lippen sich zu einem flüchtigen Schmunzeln verzogen. Wütend ballte ich meine Hand unter dem Tisch zu einer Faust, doch bevor mich meine Wut einnehmen konnte, forderte eine weitere Person meine Aufmerksamkeit.

Nikolaj trat zu uns und gleich darauf standen die Männer von dem Tisch auf, nur ich blieb unbeeindruckt sitzen. Alle begrüßten sich flüchtig, ehe Nikolaj den Knopf seines Jacketts öffnete und sich an den großen Tisch setzte.

Kirill forderte umgehend einer der Frauen auf uns etwas zu trinken zu holen, während Nikolaj jeden einzelnen an dem Tisch mit Blicken durchbohrte. Bei mir angekommen, verharrte er länger und bescherte mir damit ein unangenehmes Gefühl im Magen.

„Wären wir damit dann vollzählig?", fragte er und schaute erneut in die Runde. Die anderen Männer schenkten meinen Vater ihre gesamte Aufmerksamkeit und man konnte deren Anspannung förmlich fühlen. Sie wussten vermutlich noch nicht, was ihnen gleich verkündet werden würde.

„Bis auf Demjan sind alle da", erwiderte einer der Männer und bekam von Nikolaj ein stummes Nicken.

„Ja, Demjan ist heute Abend leider verhindert, allerdings hat sich die Nachfolgerschaft ohnehin geändert", erklärte Nikolaj, woraufhin nun alle Augenpaare auf mich gerichtet waren. Einige an dem Tisch kannten mich natürlich, doch es gab auch den ein oder anderen, der mich noch nie zu Gesicht bekommen hatte.

„Mein Sohn Yonathan hat sich dazu entschieden, der Nachfolger meiner Geschäfte zu werden. Doch nicht nur das hat sich in den letzten Stunden geändert. Mein Bruder Artjom und auch sein Sohn Timofey sind tot, wodurch die Hierarchie der Bruderschaft neu geordnet werden muss", teilte Nikolaj weiterhin mit, als eine Frau mit einem Tablett zu uns trat. Sie stellte Gläser, sowie mehrere Flaschen Wodka auf den Tisch, ehe eine weitere der Frauen noch Brot und andere Kleinigkeiten auf den Tisch anrichtete.

Sofort fing eine hitzige Unterhaltung an, als Nikolaj die großen Neuigkeiten verkündete, allerdings hörte ich denen nicht mehr zu. Viel mehr fragte ich mich, ob bei Sky wohl alles gut war. Natürlich wusste ich, dass sie nicht völlig auf sich gestellt war, jedoch fragte ich mich, ob Stenja und Aljoscha wirklich die beste Option waren ihr Gesellschaft zu leisten.

Nur war Sky auch bei ihrer ersten Flucht bei ihnen. Sie hatte keine Angst vor den beiden und mit deren Chaos konnten sie es vielleicht sogar schaffen sie für wenige Stunden auf andere Gedanken zu bringen.

Ihr leises Kichern kam mir erneut in den Sinn und vielleicht brauchte es auch einfach nur ein wenig Zeit, bis Sky all das überwand, ehe sie glücklich an meiner Seite werden konnte. Jedoch würde sie mir weiterhin böse sein, wenn ich sie gegen ihren Willen festhielt und dies machte alles nur umso komplizierter.

Immerhin wollte ich bei ihr kein Stockholm-Syndrom verursachen, indem ich sie von der Außenwelt isolierte.

„Yonathan?"

Mein Blick schwang umgehend zu dem meines Vaters und er sah mich mit einem zornigen Ausdruck an, als er verstand, dass ich nicht einem Wort von seiner Gerede gelauscht hatte.

„Könntest du wenigstens versuchen so zu tun, als ob es dich auch nur ansatzweise interessieren würde?", fragte er mich wütend. Ich setzte mich aufrechter hin und nahm eines der Gläser, um dieses mit den Wodka zu füllen.

„Ich weiß nicht, um welchen heißen Brei du reden möchtet", sagte ich und trank den Wodka, ehe ich mich erneut meinen Vater zuwandte. „Es ist doch offensichtlich. Mit Artjom's und auch Timofey's Tod ist nun der Menschenhandel ohne Führung. Legen wir einfach einen Nachfolger dafür fest."

Ich zuckte desinteressiert mit den Achseln und wollte lediglich, dass dieses Treffen so schnell wie möglich beendet wurde, damit ich mich den wichtigen Dingen des Lebens widmen konnte.

„So einfach ist es leider nicht.", widersprach Nikolaj mir. „Die etlichen Zwischenhandel, die Artjom mit anderen Bruderschaften führte, müssen ebenso abgedeckt werden. Wer garantiert, dass keiner von denen einen Krieg anzettelt, um etwas einzufordern?"

„Ich finde es ohnehin fraglich, dieses Geschäft weiterlaufen zu lassen. Wieso konzentrierst du dich nicht mehr auf die Waffengeschäfte? Du hast noch den Drogenhandel, wodurch du auch viele Schutzgelder erpresst. Wieso willst du den Menschenhandel so sehr aufrechterhalten?"

„Weil dieser uns schon bald sehr große Probleme bringen wird", sagte Nikolaj leise und zu meiner Überraschung auf Englisch, sodass die wenigsten seine Worte verstanden.

Ich zog meine Stirn in Falten und versuchte allein aus seinem Gesicht abzulesen, wovon er sprach, doch ich kam zu keinem Ergebnis.

„Artjom ist aus einem guten Grund tot, allerdings hat sein Tod Konsequenzen, um die wir uns frühzeitig kümmern müssen."

„Auf was genau möchtest du hinaus?", hinterfragte ich skeptisch.

„Du solltest morgen bei der Versteigerung besonders auf den Betreiber acht geben", sprach Nikolaj noch immer mit gedämpfter Stimme. „Denn dieser wird zukünftig unser größtes Problem sein." Nikolaj lehnte sich zurück, ehe er seinen Blick in die Runde warf.

„Wir werden Folgendes tun! Die Drogen- und Waffengeschäfte bleiben bestehen. Kirill, du übernimmst die Verantwortung für die Mädchen, die morgen geliefert werden und nimmst Kontakt auf zu den Mexikanern. Sollen die sich um das kümmern. Ich werde das Geschäft erweitern, um der Bruderschaft noch größere Macht zu geben, indem wir auch in illegalen Glücksspielen mitmischen werden. Und Yonathan ... du wirst dich um unsere Partner der USA kümmern. Wir erweitern unser Spektrum und sorgen dafür, dass wir nicht nur in Russland die Macht haben", teilte Nikolaj mit.

Mein Blick glitt über all die Männer an dem Tisch und diese wiederum sahen mich abschätzend an.

„Mein Sohn Yonathan wird von jetzt an die Befehle geben und diesen wird ohne Zögern folge geleistet!", sprach mein Vater mit solch einer Autorität, dass die Russen nur nickten. Also wollte er mich lediglich nur vorstellen. Innerlich verdrehte ich die Augen, denn diese Zeit hätte ich definitiv anders nutzen können.

Hoffentlich wollte er nicht noch einen lächerlichen Stuhlkreis veranstalten, in dem sich jeder vorstellen musste ...

Auf den Stuhlkreis verzichteten die Russen zu meinem Glück, stattdessen stellten sie sich mir vor und verwickelten mich immer wieder in ein Gespräch, auf das ich keine Lust hatte. Und zu allem Überfluss kam dann auch noch eines der leichtbekleideten Mädchen direkt zu mir und umfasste mit beiden Armen meinen Hals, um sich direkt hinter mir zu meinem Ohr vorzubeugen.

„Kann ich dir etwas Gutes tun?", hauchte sie mit einem starken französischen Akzent. Mit hochgezogenen Augenbrauen drehte ich meinen Kopf leicht in ihre Richtung.

„Danke, aber du könntest mir einen riesigen Gefallen tun", erwiderte ich mit freundlicher Stimme, woraufhin sie mich freudestrahlend ansah und um mich herumging. Sie platzierte sich umgehend seitlich auf meinen Schoß und wartete darauf, dass ich ihr eine Anweisung gab.

„Siehst du die Stange da hinten?", fragte ich und deutete auf ein Podest neben unserem Tisch. Sie nickte nur zögerlich, woraufhin ich weitersprach. „Zu dieser gehst du jetzt und wenn du mich überzeugst, überlege ich mir, ob du etwas für mich tun kannst."

Sie stand umgehend auf und schien sehr von sich überzeugt, weshalb sie ihre Haare zurückwarf und selbstsicher auf die Stange zulief. Ihre Augen lagen auf meinen, als sie anfing zu tanzen, allerdings juckte es mich nicht im geringsten, weshalb ich aufstand und meinen Vater die Hand auf die Schulter legte. Er unterhielt sich mit einem der Geschäftspartner, ehe er sich zu mir drehte.

„Ich werde noch einmal zu der Villa. Morgen Abend bringe ich Sky zu Iwan, aber ich möchte, dass Mikhail und Sergej mich morgen begleiten", sagte ich und nickte mit meinem Kopf in die Richtung der beiden. Nikolaj stimmte umgehend zu, weshalb ich den stickigen Club verließ und sofort von Max und Dawson empfangen wurde.

„Wir fahren zur Villa. Ich habe noch etwas mit meinem Bruder zu klären."

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