~Sixtyone~
Zugegeben es nervte mich tierisch, nicht zu wissen, wie das Treffen mit Sky und ihrer Tante verlief. Es wurmte mich so sehr, dass ich mich auf nichts konzentrieren konnte. Die Tatsache, dass Mr. Pearce mit genügend Männer auf sie Acht gab beruhigte mich keineswegs, denn er war nicht verpflichtet mir Auskunft zu geben.
Ich stand zu meinem Wort mich nicht einzumischen und ihn zu bestechen, allerdings zerrte es extrem an meinen Nerven. Er mochte zwar gut in seinem Job sein, aber Sky war keineswegs stabil genug, um solche Alleingänge zu tätigen. Ich wäre ihr zu gern eine Unterstützung gewesen, aber sie blockte mich vollkommen ab.
Ich war nicht so dumm und wusste, dass sie es tat, um ihre eigenen Gefühle zu schützen. Dennoch war ich der Meinung, sie hätte wenigstens ein bisschen meiner Hilfe in Anspruch nehmen können.
Um nicht völlig den Verstand zu verlieren, oder ihr einfach unaufgefordert zu folgen hatte ich bereits im Vorfeld dafür gesorgt ebenso beschäftigt zu sein. Auch wenn ich absolut keinen Kopf dafür hatte.
Dennoch war ich in meinem Auto und auf dem Weg zum Flughafen, um Raya dort abzuholen. Sie war vermutlich die Einzige, die mich noch von den Dummheiten, die mir im Kopf schwirrten abhalten konnte.
Die Fahrt zog sich und meine Gedanken schwirrten immer wieder zur selben Frage. Ging es ihr gut? Während ich in einem Stau stand und es einfach nicht mehr aushielt mich mit dieser Ungewissheit zu quälen, beschloss ich die Person anzurufen, die mittlerweile besser über Sky wusste, als ich und das obwohl ich mit ihr unter einem Dach lebte.
Nach wenigen Sekunden nahm Stenja das Gespräch entgegen. „Irgendwie habe ich nur auf diesen Anruf gewartet. Ich bin beinahe enttäuscht das es so lange gedauert hat. Allerdings werde ich dir nichts verraten, egal was dir auf der Seele brennt."
Ein einfaches »Hallo« hätte auch gereicht.
„Hast du bereits was von ihr gehört?", ignorierte ich seine vorherige Ansprache.
„Welchen Teil von ich werde dir nichts verraten, hast du nicht verstanden?", knurrte er mich regelrecht an. Ich atmete tief ein und stieß die Luft laut aus.
„Okay, ich hab's verstanden. Du bist auf ihrer Seite. Aber ich will doch nur wissen, ob sie sich bei dir schon gemeldet hat."
„Warum interessiert es dich?", hakte er missmutig nach und sorgte dafür, dass mein Geduldsfaden immer dünner wurde.
„Willst du mich komplett verarschen, Stenja?", entfuhr es mir laut, ehe ich mich dazu zwang ruhig zu bleiben. Mit beiden Händen umfasste ich das Lenkrad fester und wünschte es wäre sein Hals, den ich würgte. „Sage mir einfach, ob es ihr gut geht!"
„Ich kann es dir nicht sagen, okay?", wurde auch er lauter.
„Scheiße, Stenja! Beantworte doch einfach meine Frage", schrie ich weiter auf ihn ein.
„Sie hat sich nicht gemeldet, seit sie bei ihrer Tante angekommen ist!" Mittlerweile wütete Stenja auf Russisch, was mir deutlich zeigte, wie sauer er war.
„Wann war das?", unterbrach ich sein wildes Gebrumme und bekam von ihm daraufhin ein genervtes Seufzen.
„Vor knapp 2 Stunden", antwortete er dennoch.
„Danke!" Ich wusste, sie war in Sicherheit, denn wäre sie es nicht gewesen, hätte ich es schon gewusst, aber mir ging es hauptsächlich auch eher um ihren psychischen Zustand. Das war Stenja auch bewusst. Natürlich wusste er, warum ich ihn fragte.
„Sie boxt sich durch und sie wird mutiger", unterbrach er meine Grübeleien. Es war beinahe beängstigend, als hätte er meine Gedanken gelesen. „Ich denke, die Trennung tat ihr gut."
Ich presste meine Kiefer fest aufeinander, obwohl ich wusste, dass er damit recht hatte. Sky wirkte gelöster und nicht mehr allzu sehr in sich gekehrt. Sie zeigte mir natürlich noch immer nicht ihre wahren Gefühle, aber sie öffnete sich Stenja und das war ein gewaltiger Schritt. Auch wenn es meinem Ego ziemlich zusetzte, da es ausgerechnet dieser Paradisvogel schaffte, worum ich so lange gekämpft hatte.
„Ich weiß und ich bin froh, dass du für sie da bist. Wobei ich dir heute Morgen schon gern eine Kugel zwischen die Augen gejagt hätte", scherzte ich, als ich gedanklich einige Stunden zurückdachte, als ihre Lippen hart auf meinen lagen.
„Beruht auf Gegenseitigkeit, aber du solltest sie nicht so bedrängen. Das bewirkt in den meisten Fällen nur das Gegenteil", erzählte er mir seine Meinung. Hätte ich wissen wollen, worüber die beiden wirklich immer sprachen?
„Hat sie etwas zu dir gesagt? Also wegen mir?" Ich kam mir echt erbärmlich vor bei meinem Cousin um Informationen zu betteln, aber was blieb mir für eine Wahl? Er schien um einiges besser zu verstehen, wie es Sky ging.
„Hmm Nö. Du warst eigentlich nie wirklich Thema." Er log. Natürlich log er für sie, um sie zu schützen. Ein Schmunzeln legte sich auf meinen Lippen, obwohl ich ebenso frustriert war nicht mehr herausgefunden zu haben.
„Danke Stenja", sagte ich aufrichtig und überraschte damit offensichtlich uns beide, weshalb ich umgehend eine Erklärung hinterherwarf. „Dafür, dass du dich um sie kümmerst."
„Ich versuche nur den Dreck zu beseitigen, für den du verantwortlich bist!"
„Ja, ich weiß", seufzte ich, begleitet von einem Stich in meiner Brust. „Ich habe einiges-"
„Stepan! Die Waffen reinigen sich nicht von selbst! Der Deal ist bereits in einer Stunde! Idiot!", hörte ich meinen Vater im Hintergrund auf Russisch laut fluchen.
„Was für ein Deal?", fragte ich unmittelbar, wurde von Stenja jedoch einfach abgewürgt, indem er ohne ein weiteres Wort das Telefonat beendete. Warum wusste ich von nichts?
Der Verkehr hatte sich beruhigt und ging mittlerweile fließender voran. Daher lag meine Konzentration hauptsächlich auf diesem, obwohl ich meinen Vater liebend gern zur Rede gestellt hätte, was das sollte. Er machte mich zum Boss der Bruderschaft und weihte mich nicht ein, wenn ein Deal bevorstand?
Und was sollte das mit Stenja? Er war weder für den Waffenverkauf, noch für sonstige Übergaben zuständig. Er hatte keinerlei Erfahrungen mit sowas und konnte einen Deal niemals allein durchführen! Und was verflucht war mit Demjan? All das oblag einzig ihm!
Ich wusste, warum ich mit dieser scheiße nichts zu tun haben wollte, denn nun war ich der Angeschissene, der sich um diesen Mist kümmern und schlimmeres verhindern musste!
Allerdings kam ich genau bei dem Gedanken am Flughafen an, weshalb ich das Problem vorerst beiseite schieben musste. Ich parkte mein Auto, ehe ich ausstieg und die Türen verriegelte. Ein leichter Anflug von Freude machten sich in meinem Bauch breit. Es war wirklich eine willkommene Abwechslung neben all dem Scheiß und den negativen Gefühlen, die sonst mein Inneres dominierten.
Mit großen Schritten betrat ich das Terminal, um direkt in der Empfangshalle zwischen all den Menschen kurz innezuhalten. Ich verschaffte mir eilig einen Überblick und wollte auch sofort weiter zu den Gates, als sich plötzlich Hände über meine Augen legten und ein zierlicher Körper sich ruckartig gegen meinen Rücken presste.
„Wie sehr hast du mich vermisst, Kingsley?", sprach sie mit russischem Akzent. Behutsam schob ich ihre Hände beiseite, ehe ich mich herumdrehte und zu ihr herabsah. Obwohl sie für eine Frau relativ groß war, überragte ich sie ein ganzes Stück, weshalb sie auch ihren Kopf in den Nacken gelegt hatte.
„Sehr. Du hast keine Ahnung, wie froh ich bin, dich zu sehen", erwiderte ich aufrichtig und gab ihr einen Kuss auf ihre erwärmte Wange. Obwohl sie ebenso Teil meines Lebens war, dessen Existenz ich am liebsten vollständig vergessen wollte, bekam ich in ihrer Nähe dieses vertraute warme Gefühl im Bauch. Es hatte etwas von nach Hause kommen.
„So sentimental. Du musst mir unbedingt erzählen, was passiert ist. Ich platze vor Neugier." Mit diesen Worten wandte Raya sich ab, griff ihren Koffer auf Rollen und lief mit eleganten Schritten auf den Ausgang zu. Perplex sah ich ihr kurz hinterher, ehe ich ihr folgte. Draußen angekommen schloss ich zu ihr auf und gemeinsam gingen wir zu meinem Auto.
„Du hast vor deiner Abreise nicht zufällig noch irgendwas bezüglich der Bruderschaft mitbekommen?", fragte ich so beiläufig, wie es mir möglich war. Ich schloss meinen Wagen auf und öffnete den Kofferraum, um Rayas Gepäck in diesen zu laden. Dabei entging mir ihr fragender Blick nicht.
„Ich weiß weniger von deren Machenschaften, als der niedrigste Laufbursche", meinte sie zweifelnd und hob dabei ihre perfekt geschwungen Augenbrauen an. Natürlich, sie war eine Frau und diese hatten absolut kein Mitspracherecht, noch wurden sie in irgendwas eingeweiht.
„Hätte ja sein können, dass du was aufgeschnappt hast", zuckte ich mit den Schultern. „Oder, dass Demjan was gesagt hat."
Ihre Brauen wanderten bei dem Namen meines Bruders noch höher und ich bereute es, dieses Thema angeschnitten zu haben. „Vergiss es."
Eilig umrundete ich den Wagen und stieg ein, um ihren fragenden Blick zu entkommen. Allerdings wäre sie nicht Raya, wenn sie nicht ebenso schnell eingestiegen und mich weiterhin mit diesem Blick gemustert hätte.
„Auf was genau spielst du an. Du fragst nicht grundlos", stellte sie weiterhin skeptisch fest.
„Ich mache mir Sorgen um Stenja. Während des Telefonats habe ich etwas aufgeschnappt. Aber egal, wir machen uns erstmal einen schönen Nachmittag. Um die Geschäfte kümmere ich mich später", erwiderte ich belanglos. Die würden schon selbst wissen, was sie tun, immerhin kamen sie auch vorher ohne mich bestens zurecht. Und was hätte ich schon von Boston aus ausrichten sollen?
„Nein, wenn es wichtig ist, halte ich dich von nichts ab", entgegnete Raya jedoch hastig.
„Ich schreibe Stenja gleich. Allerdings denke ich, wird meine Sorge ohnehin grundlos sein", winkte ich ab. „Also worauf hast du Lust?"
Mit diesen Worten startete ich den Motor und fuhr von dem Gelände des Flughafens. Es war erst früher Nachmittag, allerdings war es so trist und grau, dass es wirkte, als würde es schon bald dunkel werden. Es wehte ein eisiger Wind und die Temperaturen fielen immer weiter, sodass bald vermutlich der erste Schnee fallen würde.
„Ich würde gern shoppen und danach so richtig amerikanisch essen", antwortete Raya mit einem sehnsüchtigen Seufzen in der Stimme.
„Dann steht der Plan ja."
Letztes Kapitel ❤️ nun folgt nur noch der Epilog und dann lassen wir es krachen 🍾🤣🥰
Wer Zeit, Lust und ne Therapiesitzung benötigt, kann gerne später in mein Live kommen 😂❤️ ab 21 Uhr ist jeder herzlich willkommen 🫶🏻
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