~Sixteen~

„Hast du eine Ahnung, warum die Tür nicht aufging?", fragte ich Demjan, als all die Russen und auch die gefangenen Mädchen weg waren.

„Keine Ahnung. Kurzschluss oder so?", zuckte er mit seinen Schultern. Demjan hatte sein Gesicht in seine Hände abgestützt und ich sah es ihm an, dass es ihm alles andere als gut ging.

„Irgendwie glaube ich, dass da mehr hinter steckt", mutmaßte ich, als mein Blick abermals zu der Kamera ging.

„Was soll schon dahinterstecken? Zudem ist es für uns nicht einmal von Vorteil zusammen hier eingesperrt zu sein!" Seine Wut war deutlich herauszuhören, wobei es vermutlich eher die Verzweiflung war.

„Naja, aber so können sie mir erstmal nichts tun", murmelte ich verlegen, während ich meine Hände nervös knetete.

„Richtig, aber ich kann dir hier drinnen auch nicht helfen!", schrie Demjan mich an, wodurch ich heftig zusammenzuckte. „Und mir kann hier auch niemand helfen!"

„Doch, ich kann dir helfen. Also zumindest könnte ich mir deine Wunden ansehen", schlug ich zaghaft vor. Demjan hingegen schenkte mir nur einen genervten Blick.

„Weil du mit Abstand auch die meisten Medizinkenntnisse hast", schnaubte er, ehe er sich einfach zurück auf den Bauch fallen ließ. Seine plötzliche Abneigung mir gegenüber verletzte mich, aber ich versuchte es so gut es ging auf seinen Allgemeinzustand zu schieben.

„N-naja nein, aber-", setzte ich an und ging die wenigen Schritte auf Demjan zu. „Ich kann die Wunden dennoch reinigen, bevor schlimmeres passiert."

Einige Zeit blieb es still und ich wollte bereits wieder zurück an die Wand und auf den Boden sinken, als Demjan seinen Kopf in meine Richtung neigte.

„Es tut mir leid. Ich wollte dich nicht mit meinen Worten kränken", sagte er gedämpft. Ich lächelte zaghaft und nickte.

„Schon okay."

„Nein, es ist nicht okay. Bitte höre auf, immer so viel Verständnis aufzubringen", erwiderte Demjan mit einem niedergeschlagenen Ton in der Stimme.

„Ich kann dich aber verstehen. Ich kann verstehen, dass du aufgebracht bist. Du hast sicherlich auch Schmerzen und allgemein sitzen wir in einer echt beschissenen Situation fest", sagte ich einfühlsam. Auf Demjan's Gesicht entstand ein Lächeln und er schüttelte nur leicht mit seinem Kopf.

„Du solltest dennoch, egal wie viel Verständnis du hast, nicht mit dir so reden lassen", erwiderte er. Ich schaute beschämt auf den Boden und nickte mit zusammengepressten Lippen. „Du bist mehr wert, als dich nur herumschubsen zu lassen."

In meinen Augen bildeten sich bereits die Tränen und ich schüttelte sanft meinen Kopf. Woher wollte er schon wissen, was ich wert war?

„Ich schaue mir deinen Rücken an", wechselte ich eilig das Thema. Es war mir unangenehm, wenn er mit mir sprach, als sähe er mehr in mir. Letztendlich gehörte er ebenso zu denen, die mich hier festhielten, ob er mir dabei half oder nicht.

Ich nahm mir das Verbandszeug, ebenso wie das Desinfektionsmittel, ehe ich damit zu Demjan an das Bett trat. Seine Wunden hatten bereits angefangen zu heilen und eine Schorfschicht hatte sich über den Striemen gebildet.

Ich packte einige sterile Kompressen aus und tränkte diese mit dem Desinfektionsmittel.

„Bereit?", fragte ich und erhielt von Demjan nur ein leises Grummeln. Zaghaft legte ich die Kompresse auf die erste Wunde und rieb mit dieser über das angetrocknete Blut. Ich konnte das Muskelspiel auf Demjan's Rücken beobachten, da er sich immer wieder anspannte, sobald die Desinfektion die Wunde berührte.

„Dürfte ich dich eventuell etwas fragen?", flüsterte ich, als ich die blutgetränkte Kompresse auf den Boden fallen ließ und eine neue nahm.

„Ja, aber ob ich dir deine Fragen beantworten kann, weiß ich nicht", entgegnete Demjan mit gedämpfter Stimme. Er hatte sein Kopf in das Kissen gepresst und seine Arme fest um dieses geschlungen.

„Ich verstehe die ganze Situation mit Yonathan nicht. Warum hat er mich damals gerettet, wenn er mich dann doch an Artjom übergibt?"

„Weil Yonathan feige und hinterhältig ist. Denkst du echt, es war ein Zufall, dass ihr in derselben Stadt wohnt? Dass er dich um deinetwillen ausgesucht hat?", fragte Demjan, weshalb ich in meiner Bewegung innehielt.

„Wie meinst du das?", hakte ich skeptisch nach.

„Yonathan ist nicht dumm. Nachdem er dich vor Artjom gerettet hat, hat er deinen Vater erschossen und dafür gesorgt, dass du emotional leicht zu haben bist. Er hat dafür gesorgt, dass du ohnehin nichts mehr hast, damit er mit dir ein leichtes Spiel hat", meinte Demjan, woraufhin ich meine Stirn in Falten zog. Es passte irgendwie überhaupt nicht in das Bild von Yonathan, das ich in meinem Kopf hatte.

„Aber er war doch auch derjenige, der nach dem Tod meines Dads noch immer für mich da war", sagte ich zweifelnd.

„Und das findest du nicht irgendwie krank?", fragte er, wobei er seinen Kopf in meine Richtung drehte. „Er hat sich um dich gesorgt, als du ein Kind warst und 15 Jahre später fickt er dich?"

Seine Worte bescherten mir Bauchschmerzen und ich umfasste mit meinen Armen schützend meinen Oberkörper.

„Meinst du, ihn macht es an, wenn er sich mir als Kind vorstellt?"

„Keine Ahnung. Ich kann schließlich nicht in seinen Kopf sehen, aber normal ist es nicht. Wobei das vermutlich in der Familie liegt." Den letzten Teil murmelte Demjan nur vor sich hin, doch genau dies machte mich hellhörig.

„Wie meinst du das, es liegt in der Familie?"

„In solch mächtigen und einflussreichen Familien wird viel untereinander gemischt. Und das ist nicht weniger krank, als mit einem Mädchen zu schlafen, dass man bereits als Kind kannte", zuckte er mit den Schultern. „Immerhin hatte Yonathan damals etwas mit seiner Cousine, die zeitgleich auch seine Halbschwester ist."

„Redest du zufällig von Raya?", fragte ich kleinlaut, als ich weiter seine Wunden reinigte.

„Du kennst sie?", stellte Demjan überrascht eine Gegenfrage.

„Nein. Ich habe nur mitbekommen, wie sie vor einigen Monaten bei Yonathan im Büro war", teilte ich ihm mit. Er lachte leise auf und schien das ganze wesentlich amüsanter zu finden, als ich.

„Warum lachst du?"

„Naja du warst diejenige, warum Yonathan sich gegen Raya entschieden hat und dabei warst du gerade einmal 5! Und jetzt vögelt er wieder seine Halbschwester, die ihn eigentlich noch mehr hasst als unseren Vater. Ist irgendwie schon lustig", sagte Demjan und lachte dabei immer wieder auf.

„Ist das nicht Inzest?", rutschte es mir angeekelt heraus.

„Nicht wirklich. Letztendlich haben sich Nikolaj und Artjom auch nicht darum gekümmert", zuckte er abermals mit den Schultern. „Die haben ihre Frauen untereinander getauscht, wie sie lustig waren. Was denkst du, warum wir sonst alles nur Halbgeschwister und teilweise auch Cousins sind?"

„Das bedeutet, dass Nikolaj ein Kind von einer anderen Frau bekam-"

„Ja, mich", unterbrach Demjan mich. „Zuerst kam Yonathan. Danach hatte mein Vater seine erste Frau, mit der er mich zeugte. Kurz darauf hatte Artjom Verkehr mit Nikolaj's Frau und so entstand Raya. Allerdings werden Frauen bei uns nicht unbedingt akzeptiert. Nikolaj ließ sich scheiden und verließ die Frau, die ein Mädchen geboren hatte."

„Das ist mega unlogisch!", unterbrach ich ihn harsch, woraufhin er nur mit den Augen rollte.

„Ich war auch noch nicht fertig. Die Frauen werden von uns nicht verstoßen, aber die Mädchen kommen in der Regel erst zurück, wenn sie im gebärfähigen Alter sind. Die Jungs wachsen bei den Vätern auf und werden zu skrupellosen Männern erzogen und die Mädchen eben bei den Müttern, wo ihnen benehmen beigebracht wird."

„Und dann kreuzt ihr euch einfach?", fragte ich schockiert.

„Naja, du musst es so sehen. Yonathan hat die Gene von Nikolaj und Raya die Gene von Artjom. In der Mafia wird eine gute Blutlinie vorausgesetzt. Je weniger in diese Linie eindringen, umso besser und letztendlich ist es nicht verboten, Kinder mit der Cousine oder Halbschwester zu zeugen", erklärte Demjan mir.

„Es ist total Frauen verachtend!", sagte ich sauer. „Ich meine, ihr zeugt Kinder und werden diese Kinder Mädchen, haben sie absolut keine Wahl und leben nur, um eure Blutlinie zu erhalten?"

„Wir Männer sind leider auf Frauen angewiesen, um uns fortzupflanzen. Allerdings können wir dafür sorgen, dass die Frauen ebenso gute Gene haben wie die Männer."

„Das ist definitiv noch kränker, als das, was Yonathan irgendwie in mir sieht", meinte ich ausdruckslos.

„Mag sein, aber das mit Yonathan hat sich doch ohnehin erledigt", sagte Demjan und stützte sich auf seine Hände, um sich aufzusetzen.

„Wie meinst du das, es hat sich erledigt?", fragte ich, obwohl ich tief im Innern genau wusste, wie Demjan es meinte. Yonathan war schließlich nicht hier und er hatte mich anscheinend auch anstandslos an Artjom übergeben.

„Du wirst in wenigen Tagen verkauft und dann bist du nur noch eine Sklavin von einem reichen Mann. Ich habe wirklich versucht dir zu helfen, aber bei der Versteigerung kann ich dir leider nicht helfen", seufzte er niedergeschlagen.

„Ich weiß und ich bin dir da auch wirklich dankbar für, dass du für mich da warst", lächelte ich ihn zaghaft an. „Aber denkst du, dass es absolut ausgeschlossen ist, dass Yonathan noch kommt?"

„Soweit ich weiß, wird er nicht kommen. Ich hatte mit ihm das letzte Mal telefoniert, als du das erste Mal in den Club gebracht wurdest. Ich wollte von ihm wissen, wie diese Armbänder funktionieren, um dir zu helfen, da er die auch entwickelt hat, wie du sicherlich gesehen hast. Er hat sich über mich lustig gemacht und meinte, ich würde es ohnehin umsonst machen, da du ihm gegenüber auch immer undankbar warst."

Fassungslos sah ich Demjan an und konnte nicht vermeiden, dass mir abermals die Tränen kamen. Ich hatte mich anscheinend mächtig in Yonathan getäuscht, wenn er so über mich bei seinem Bruder sprach.

„Hat er mich deswegen an Artjom überreicht?", schluchzte ich und spürte, wie die Risse in meinem Herzen immer größer wurden. „Ihn hat es nicht einmal ansatzweise gestört, oder?"

„Er wusste, dass dieser Tag kommen würde", zuckte Demjan wieder mit den Schultern. „Daher hatte er auch keinerlei Einwände, als Maxim und ich zu dir nach oben gingen. Nikolaj hat ihm vorgeschlagen, dass er zu der Versteigerung kommen darf, aber er hat abgelehnt. Was auch Sinn ergibt, wenn du mir erzählst, dass er zu der Zeit schon wieder Kontakt mit Raya hatte."

Wie konnte ich nur so blind sein und all die Tage noch an meinem Glauben festhalten, dass Yonathan mich retten würde?

Ich weinte immer lauter und verzweifelt rang ich nach Luft, als ich drohte an meinen Tränen zu ersticken.

„Es tut mir leid", sagte Demjan und streckte seine Hand nach mir aus. Er umfasste meine und drückte meine Finger, um mir so den nötigen Trost zu spenden. Doch es half nicht, um den Schmerz meines Herzens zu lindern.

„Wie konnte ich nur so naiv sein und mich in ihn verlieben, obwohl er mir so oft Schmerzen zugefügt hat?" Dabei war der seelische Schmerz um weiten schlimmer, als der körperliche, den er mir so oft angetan hatte.

„Gegen Gefühle kann man nichts tun und er hat deine Einsamkeit einfach für sich ausgenutzt, um dich an ihn zu binden", meinte Demjan mitfühlend. Er strich mir eine Strähne aus dem Gesicht, ehe er mich behutsam zu sich heranzog.

„Sei froh, dass du die Wahrheit jetzt kennst. So kannst du all das vielleicht besser verarbeiten", sagte er und ich ließ mich verzweifelt gegen seinen Oberkörper sinken.

Es tat gut, eine starke Schulter zu haben, die mir in dieser schweren Zeit zur Seite stand.

„Ich bin für dich da. Lass dich einfach fallen", raunte Demjan mir zu.

„Danke", hauchte ich an seine von meinen Tränen überzogenen Haut. Er schlang seine Arme fest um meinen zitternden Körper und ich ließ all meine Emotionen freien Lauf.


Ai ai Demjan 🫣😪

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