~Seventeen~
Erst nach gefühlter Ewigkeit löste ich mich aus der Umarmung und schaute schüchtern an Demjan vorbei. Seine Nähe fühlte sich falsch an, aber dennoch spürte ich auch die Geborgenheit, die er mir gab.
Ich fühlte mich verloren in dem Meer von Lügen und konnte die Wahrheit nicht mehr von der Falschheit unterscheiden. Was von alldem, was zwischen Yonathan und mir war, war echt?
„Tut mir leid", entschuldigte ich mich, während ich mir auch eilig die Tränen von den Wangen wischte.
„Das muss es nicht. Ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn man sich in einer Person täuscht", erwiderte Demjan. Ich sah ihn überrascht an, da er mir zum ersten Mal einen Einblick in seine Gefühlswelt gab.
„Yonathan hat uns alle geblendet", fügte er noch schulterzuckend hinzu.
„Standest du ihm sehr nahe?", fragte ich, als ich mich behutsam neben ihn setzte und wir beide nur geradeaus an die kahle Wand blickten.
„Er war immer mein Vorbild und ich habe zu ihm aufgesehen. Selbst nachdem er der Bruderschaft den Rücken gekehrt hat. Ich habe ihn immer für seine Stärke und seinen Mut bewundert, bis ich erkannte, dass es kein Mut war, sondern Feigheit. Er rennt vor seinem Schicksal weg, als sich dem zu stellen."
„Vielleicht möchte er sein Schicksal nur selbst in die Hand nehmen", entgegnete ich grübelnd. Mir kam der gequälte Gesichtsausdruck von Yonathan in den Sinn, als er mir erzählte, dass er Teil der Bruderschaft war. Er wurde nie gefragt, sondern wurde gezwungen, bei den Grausamkeiten seines Vaters mitzumachen. Ebenso wurde er aus seiner vertrauten Umgebung gerissen und sie haben ihn von seiner Mutter getrennt.
„Das wäre aber ziemlich egoistisch", sah Demjan mich skeptisch an.
„Ich finde nicht, dass es egoistisch ist, seine eigenen Ziele zu setzen und eigene Erfolge zu erzielen", widersprach ich, wobei ich seinem Blick selbstbewusst standhielt.
„Die Familie sollte sein einziger Erfolg sein. Ich erwarte aber nicht, dass du das verstehst", sagte er sauer und versetzte mir mit seinen Worten einen kleinen Stich.
„Weil ich keine Familie habe, verstehe schon", entgegnete ich ebenso gereizt. Die Stimmung drohte zu kippen, was angesichts der Tatsache in welcher Situation wir uns befanden, auch nicht verwunderlich war.
Demjan seufzte, ehe er aufstand und vorsichtig über die Kette stieg, die noch immer an dem breiten Halsband und zeitgleich auch an der Wand hinter mir befestigt war. Er ging zu der Gittertür und schien sich umzusehen, als wäre er noch nie hier gewesen.
„Wir stecken maximal in der Scheiße", murmelte Demjan und tastete seine Hosentasche ab. „Wie überaus freundlich, dass die mir Handy und Waffen weggenommen haben, aber mir meine Zigaretten gelassen haben."
„Du wirst wohl kaum einen Anschlag mit einem kleinen Feuerzeug verrichten", grummelte ich genervt, während ich dabei zusah, wie Demjan die zerknickte Schachtel nahm und sich eine der Zigaretten herausfischte.
„Sag niemals nie", erwiderte er mit der Zigarette zwischen den Lippen. Mit seinem Feuerzeug zündete er diese an und inhalierte den Qualm tief in seine Lunge. Abermals schaute er sich um, ehe er die Luft ausstieß und der Zigarettenqualm sich im Raum verteilte.
Erschöpft ließ ich mich seitlich auf die Matratze fallen und schaute an die gegenüberliegende Wand, während ich nur genervt Demjan lauschte, wie er an der Zigarette zog und kurze Zeit später den Qualm ausatmete.
„Wenn du schon meinst, du müsstest uns mit krebserregenden Nikotin vergasen, dann tue es wenigstens leise", meinte ich sauer, während ich mit meiner Hand vor meinem Gesicht wedelte.
„Warum auf einmal so feindselig?", fragte Demjan und zog ein weiteres Mal fest an der glühenden Zigarette.
„Vielleicht, weil ich gegen meinen Willen festgehalten werde und du es nicht einmal für nötig hältst, Rücksicht zu nehmen", giftete ich ihn weiter an. Ich spürte seinen stechenden Blick auf mir, dennoch verschränkte ich nur meine Arme und schloss meine Augen.
„Rücksicht? Hätte ich nicht versucht deinen Arsch zu retten, wäre ich überhaupt nicht in der Situation!"
„Ach so, also ist das jetzt meine Schuld?", wurde ich lauter. Wie gern, wäre ich Demjan ins Gesicht gesprungen!
„Hättest du einfach auf dem verfickten Tisch getanzt, hätten wir uns alle eine Menge Ärger ersparen können! Aber das Prinzesschen hielt es ja nicht für nötig auch mal das zu tun, was verlangt wird!", sagte Demjan wütend, während er die Zigarette auf den Boden warf und diese mit seinem Schuh zerdrückte.
„Ich habe dich nie um Hilfe gebeten!", zischte ich.
„Stimmt. Du könntest es mir dennoch danken." Demjan stand unmittelbar vor mir und sah auf mich herab. Sein Kiefer war zum Zerreißen gespannt und auch seine Augen funkelten mich böse an. Er sah erschöpft aus und die grausamen Bilder von Artjom kamen in meinem Kopf, wie er mit dem Rohrstock auf Demjan einschlug.
Ich seufzte ergebend und ließ meine Arme sinken, welche noch immer vor meiner Brust verschränkt waren.
„Danke." Ich setzte mich auf und schaute zu Demjan, dessen Gesichtszüge weicher wurden. Er fuhr sich seufzend durch seine zerzausten schwarzen Haare und strich mit seiner Hand über sein erschöpftes Gesicht.
„Wir sollten uns nicht gegenseitig zerfetzen. Hier drinnen müssen wir zusammenhalten, um zu überleben", meinte er und hielt mir seine Hand entgegen. „Frieden?"
Auf seinen Lippen entstand ein schiefes Grinsen und er wirkte mit diesem Blick genauso, wie sein Bruder liebevoll. Wie sollte ich ihm dann böse sein?
„Frieden", stimmte ich zu, während ich seine Hand ergriff und diese sanft schüttelte.
„Aber du solltest dich vielleicht hinlegen und dich noch ein wenig ausruhen."
„Ich habe bereits geschlafen, im Gegensatz zu dir", hielt Demjan mich auf, als ich von dem Bett aufstehen wollte.
„Ich kann mich auch dahin setzen und schlafen. Das stört mich nicht", widersprach ich und zeigte mit dem Finger an die Wand. Er öffnete bereits seinen Mund, als plötzlich eine laute weibliche Stimme ertönte.
„Ihr schwanzlosen Hurenpisser!"
Umgehend sprang ich auf und lief zu der Gittertür, wo ich ein blondes Mädchen sah, das mit viel Schwung zurück in ihre Zelle geworfen wurde. Sie stand eilig auf und lief direkt auf den russischen Gorilla zu. Mit ihrer Hand holte sie mehrere Male aus und schlug auf ihn ein.
„Sucht euch gefälligst eine andere Dumme, die euren Befehlen nachkommt", wütete sie weiter. Der Russe ließ es sich jedoch nicht gefallen und griff fest in ihre Haare, um sie mit einem Schlag ruhig zu stellen. Allerdings dachte das Mädchen nicht daran, so leicht aufzugeben.
„Hör auf!", rief ich, als der Große erneut zum Schlag ausholte.
„Sky, sei leise!" Demjan versuchte mich von der Gittertür wegzuzerren, doch ich krallte mich mit aller Kraft daran fest. Der Gorilla drehte sich in meine Richtung und grinste mich herablassend an.
„Lass sie in Ruhe!", verteidigte ich die Blondine, die mittlerweile nur noch wie ein nasser Sack an dem festen Griff des Russen hing.
„Was sonst?", lachte er, während sein Blick direkt meinen traf.
„Sky ich warne dich", flüsterte Demjan, der noch immer seine Arme fest um meinen Körper hatte. Zappelnd wollte ich etwas erwidern, allerdings hatte der Russe seine Waffe gezogen, bevor ich meinen Mund öffnen konnte.
Ohne den Blick von mir zu lösen, richtete er den Lauf der Waffe auf den Kopf des Mädchens. Er drückte vollkommen unberührt den Abzug und der laute Knall hallte von den Wänden wider.
Meiner Kehle entkam ein lauter Schrei, als das Blut der Blondinen aus ihrem Kopf floss und sie nur reglos zu Boden fiel. Demjan zog mich umgehend in seine Arme und redete leise aber bestimmend auf mich ein, wobei ich seine Stimme nur kaum wahrnahm. In meinen Ohren entstand ein Rauschen und meine Sicht war wegen meiner Tränen vollkommen verschwommen.
„Alles gut", redete Demjan weiterhin auf mich ein, während er mit seiner Hand beständig über meinen Rücken strich. Er drängte mich weiter zurück und zwang mich, meinen Blick von dem nun toten Mädchen abzuwenden. Der Geruch von Eisen stieg in meine Nase, der von der riesigen Blutlache kam und sofort die Übelkeit in mir aufsteigen ließ.
„Sie ist tot", faselte ich benommen vor mich her, während ich kläglich versuchte mich aus seinem Griff zu befreien. „Und das ist meine Schuld."
„Nein, ist es nicht", widersprach Demjan mir umgehend. Mich an meinen Schultern festhaltend, brachte er ein wenig Abstand zwischen uns, um mich daraufhin mit einem ernsten Gesichtsausdruck anzusehen. „Sie war bereits tot, bevor sie hierher gebracht wurde."
„Ich habe ihn provoziert", weinte ich. Demjan umgriff fest meine Wangen mit einer schnellen Bewegung, woraufhin ich ihn erschrocken und mit angehaltenen Atem entgegenblickte.
„Hör auf dir die Schuld für etwas zu geben, wofür nur sie ganz allein etwas konnte!"
„Aber-"
„Sky!" Demjan nahm mein Gesicht noch fester in seine Hände und sah mich streng an. Ich verstummte umgehend und schluchzte leise auf. Erneut glitt mein Blick zu dem Mädchen. Sie lag in all dem Blut und abermals überkam mich das Gefühl mich übergeben zu müssen.
Plötzlich erschien der Russe direkt vor uns und schaute belustigt zu Demjan und mir.
„Möchtest du noch etwas loswerden?", fragte er und richtete seine Waffe nun auf mich. Mein Herz klopfte, wie verrückt in meiner Brust und eilig schüttelte ich meinen Kopf, während ich mich schutzsuchend hinter Demjan stellte.
Mit einem Nicken entsicherte er die Waffe, als Demjan plötzlich vortrat und den Arm des Russen ergriff. Mit einer schnellen Bewegung zog er diesen nach unten, woraufhin ein weiterer Knall ertönte. Dieser fiel zum Glück ins Leere. Demjan zog sein Bein hastig an und stieß mit seinem Knie kräftig gegen den Arm des Gorillas. Ein Knacken ertönte, ehe die Waffe zu Boden fiel und umgehend von Demjan ergriffen wurde.
Alles passierte innerhalb von wenigen Sekunden und bevor ich einmal Luft holen konnte, presste Demjan die Waffe unter sein Kinn und drückte den Abzug. Die Kugel schoss senkrecht durch seinen Kopf, ebenso wie das Blut. Erneut wurde ein Schuss ausgelöst und zum zweiten Mal fiel ein Körper leblos zu Boden. Allerdings war ich in dem Moment einfach nur froh, dass es nicht mein Körper war, der zu Boden ging.
Erstarrt blickte ich auf den Russen und dann zu Demjan, der die Waffe entsicherte und das Magazin löste.
„Immerhin können wir uns damit verteidigen", meinte Demjan, als er nachsah, wie viel Munition in dem Magazin war, ehe er dieses wieder zurück in die Waffe steckte.
Meine Atmung wurde immer schneller und ich weinte lautlos, mit dem Blick auf die beiden Toten. Ich holte immer wieder Luft und doch füllten meine Lungen sich nicht mit dem so dringend benötigten Sauerstoff. Mein Brustkorb zog sich zusammen und es fühlte sich an, als würde ich langsam und qualvoll ersticken.
„Sky! Du musst dich beruhigen!" Demjan's Stimme hörte sich meterweit weg an, dabei stand er unmittelbar vor mir. Abermals umgriff er meine Schultern und redete beruhigend auf mich ein.
„Versuche, an etwas Schönes zu denken", sagte er mit sanfter Stimme. Es gelang mir jedoch nicht einen einzelnen Gedanken zu fassen, weshalb ich nur in die blauen, mir so vertrauten Augen von Demjan blickte. Ich fühlte von Neuem seine Lippen auf meinen und sein Gewicht auf meinem Körper. Erstaunlicherweise gab mir dieser Gedanke ein Gefühl von Sicherheit.
Meine Atmung wurde kontrollierter und mein Blick huschte zwischen Demjan's Augen und Lippen hin und her, während der Wunsch ihm näher zu sein immer größer wurde.
„Woran denkst du?", hauchte er, als er mit einer Hand sanft meine Wange umfasste.
„An dich", kam es flüsternd über meine Lippen. Vollkommen unerwartet zog Demjan mich fest an seinen Körper und seine Lippen suchten stürmisch meine. Mir blieb die Luft weg, als er seinen Mund hart auf meinen presste und seine Zunge in meine Mundhöhle drang.
Ich versuchte ihn mit meinen Armen von mir wegzudrücken, doch er umfasste meinen Hintern mit beiden Händen und zog mich so noch enger an sich. Seine Zunge glitt über meine, während er mich weiter küssend zu dem Bett drückte.
„Demjan." Schnappend holte ich Luft und wollte, dass er innehielt. Doch er griff in meine Haare und ließ mich mit einem viel zu festen Griff verstummen. Mit meinem Hintern plumpste ich auf die Matratze und Demjan fasste unter meine Knie, um mich an diesen bis an die Kante zu ziehen.
„Vertrau mir", raunte er mir mit rauer Stimme zu, ehe er meinen Hals entlang küsste. Es war auch nicht mein fehlendes Vertrauen in ihm, dass mich dagegen ankämpfen ließ, denn ich vertraute ihm mittlerweile mehr, als jeden anderen. Es war die vollkommen absurde Situation und die Tatsache, dass meine Mitte trotz allem zuckte, die mich allmählich an meinen Verstand zweifeln ließ.
Seine langen Finger strichen zärtlich über meinen Körper und zogen das winzige Kleid über meinen Bauch. Abermals legte er seine Lippen auf meine und saugte kräftig an diese, sodass sie innerhalb von Sekunden geschwollen waren.
„Halt mich und lass mich nicht los", hauchte ich in sein Gesicht. Für einen Bruchteil der Sekunde sah er mich mit einem mitleidigen Blick an, ehe er kaum merklich nickte.
„Ich beschütze dich", entgegnete Demjan, als hinter uns plötzlich ein lautes Lachen ertönte.
„Das ist ja herzallerliebst!", sagte Kirill noch immer lachend. In seiner Hand hatte er eine kleine Tüte Chips, während er sich einen davon in den Mund schob und diesen mit leisen Knacken zerkaute. Dass er dabei über die leblose Blondine stieg, schien ihn überhaupt nicht zu interessieren, ebenso die Tatsache, wieso überhaupt zwei Leichen im Keller lagen.
„Lasst euch von mir nicht stören, aber das Spektakel kann ich mir nicht entgehen lassen."
„Was willst du?", presste Demjan zwischen seinen Lippen hervor.
„Ich wollte eigentlich nur verkünden, dass soeben hoher Besuch eingetroffen ist. Und dieser wirkte ziemlich wütend", entgegnete Kirill noch immer amüsiert, während er sich noch mehr Chips zwischen die Lippen steckte.
Völlig unerwartet packte Demjan die Kette an meinem Hals und zog mich von dem Bett. Er wickelte diese ein weiteres Mal um meinen Hals und zog sie so fest, dass ich keine Luft mehr bekam und panisch aufschrie.
„Dann genieße die Show!"
Na endlich kommen wir zu dem spaßigen Teil 🤣
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