~Foutyfour~
Vollkommen erstarrt schaffte ich es nur meine Hände zu heben, während ich absolut nicht verstand, warum Emily plötzlich eine Waffe auf mich richtete. Ich hatte ihr lediglich erklären wollen, dass es ihr bei uns gut ergehen würde und sie keine Angst haben müsste.
Dabei hatte sie anscheinend keine Angst, sondern war vollkommen gestört!
„Woher hat sie die Waffe?", hörte ich Nate voller Zorn fragen. Aus dem Augenwinkel erkannte ich Kirill, der sich bereits zu uns herumgedreht hat und auf uns zukam.
„Es ist meine", seufzte er und kam die letzten Schritte auf uns zu. Ich verstand überhaupt nichts mehr. Emily war immer so ruhig und zurückhaltend. Ich hatte solch ein Mitleid mit ihr, weshalb ich Yonathan auch darum bat sie freizukaufen und nun hielt sie mir eine Waffe an den Kopf.
„Emily, was soll das? Warum tust du das?", fragte ich daher mit zittriger Stimme. Sie sah mich nicht einmal für eine Millisekunde an, stattdessen starrte sie zu Kirill. Ich sah ihn ebenso an, da er anscheinend die Antwort auf meine Frage hatte.
„Sie will unbedingt bei mir bleiben", erklärte er dann auch, als unsere Blicke doch begegneten.
„Warum?", platzte es aus mir heraus. Meine Stimme überschlug sich bei nur diesem einem Wort. Das konnte er doch nicht ernst meinen! Wieso sollte Emily das wollen?
„Hast du sie dazu angestiftet?", fragte ich und konnte es nicht anders erklären. Wie kam sie an seine Waffe, wenn er sie nicht vielleicht sogar dazu zwang?
„Ja natürlich, weil ich auch wirklich nichts Besseres zu tun habe, als mich um diese Irre zu kümmern!", schrie Kirill zurück. Während wir beide uns erneut in die Wolle bekamen, vergaß ich sogar die Waffe an meinem Kopf. Erst als Nate sich einmischte, erkannte ich abermals den Ernst der Lage.
„Kirill, was auch immer sie in dir sieht, ich kann sie nicht mit nach Boston nehmen, wenn ich Angst haben muss, dass sie auf Sky losgehen könnte", sagte er und versuchte vorsichtig an uns heranzutreten. Doch Emily reagierte schneller und zog mich am Arm näher zu sich heran, um die Waffe noch fester an meinen Kopf zu pressen.
„Und ich bin kein verfickter Babysitter. Du hast sie gekauft", erwiderte Kirill aufgebracht, ehe er weitere Schritte auf mich und Emily zukam. „Du gibst mir sofort meine Waffe zurück und entschuldigst dich bei Sky! Und dann fliegst du mit nach Boston, ansonsten lernen wir beide uns sehr intensiv kennen, kleiner Geist."
„Mit dem allergrößten Vergnügen", grinste Emily, als sie zu meinem Erstaunen die Waffe herunternahm. Erleichtert stieß ich meinen angehaltenen Atem aus, um diesen gleich darauf erschrocken wieder einzuziehen.
Ein lauter Knall ertönte. Danach folgte ein Piepen in meinem Ohr. Wie erstarrt blieb ich stehen, als jedoch Nate nach meinem Arm griff und mich fest an sich zog. Kirill packte Emily und drückte sie mit Gewalt an die Wand, wobei er ihren Arm so weit verdrehte, dass die Waffe mit einem Poltern zu Boden fiel.
Erst im Nachhinein verstand ich, was nur wenige Sekunden zuvor geschehen war, als ich das Loch in der Wand sah. Nur wenige Millimeter daneben befand sich mein Kopf.
„Ich sollte sie wieder zu Mikhail bringen und mein Geld zurückverlangen", knurrte Yonathan aufgebracht.
„Sie kann nichts dafür. Sie benötigt professionelle Hilfe", widersprach ich ihm und löste mich dabei aus seinem Griff. „Und wir könnten ihr diese Hilfe bieten."
„Skylar, sie hat auf dich geschossen."
Ich wollte es nicht wahrhaben, dass Emily ein solch hoffnungsloser Fall war. Sie brauchte psychologische Hilfe und ein stabiles Umfeld und nicht noch mehr traumatisierende Situationen.
„Sie ist krank, Nate", beharrte ich weiterhin auf meinem Standpunkt.
„Sie bleibt nicht bei uns."
„Aber bei Kirill?", fragte ich entrüstet. Mein Blick fiel zu dem blonden Irren, der Emily noch immer an die Wand gedrückt festhielt und mich nur überheblich mit erhobenen Augenbrauen ansah.
„Passt doch. Die können einander therapieren", meinte Yonathan kühl. „Kirill mach, was immer du willst, aber sorge dafür, dass sie nicht mehr in die Nähe von Sky kommt."
„Danke dafür", brummte Kirill, ehe er den Griff um Emilys Arm löste, die Waffe an sich nahm und sie weiter von mir und Yonathan wegzerrte.
Als beide um eine Ecke bogen und aus unserem Sichtfeld verschwanden, löste ich mich aus meiner Starre, um mit wütenden Schritten zurück ins Zimmer zu gehen.
„Sky", hörte ich Nate sagen, doch ignorierte ihn. Wie konnte er das arme Mädchen nur Kirill überlassen?
„Sie wollte es, also wieso sollten wir es ihr verwehren?", sprach er weiter auf mich ein. Ich setzte mich nur frustriert auf das Bett und kreuzte meine Beine.
„Sie ist labil! Sie weiß nicht einmal, was sie möchte", entgegnete ich feindselig.
„Warum hältst du so daran fest, ihr helfen zu wollen? Man kann nur anderen helfen, wenn diese es auch zulassen", meinte Yonathan, während er sich neben mich setzte und seine Finger mit meinen verschränkte.
„Wäre ich so traumatisiert, hättest du mich dann auch einfach so fallen lassen?"
„Natürlich nicht. Aber das ist etwas vollkommen anderes", versuchte er sich zu erklären, weshalb ich ihn fordernd und mit erhobenen Augenbrauen ansah. „Sky, du bist nicht unberechenbar, wie Emily und du auch nicht so skrupellos."
„Wir können sie dennoch nicht bei Kirill lassen", hauchte ich bittend.
„Doch, erst einmal bleibt uns nichts anderes übrig. Sie hat eben alles aufs Spiel gesetzt, bei ihm bleiben zu können, mit dem Risiko selbst getötet zu werden. Das sollten wir respektieren."
Erst da verstand ich, dass er es nicht wollte, weil er mit Emily ein Problem hatte. Yonathan versuchte ihr gegebener das nötige Verständnis aufzubringen, zudem ich nicht in der Lage war und wollte ihr den Raum geben, den die allem Anschein nach benötigte, während ich nur meinen eigenen Willen durchsetzen wollte.
„Ich bin so grausam", schluchzte ich, als mir bewusst wurde, wie unfair ich mich Emily gegenüber verhalten hatte. Sie hatte mir ihren Wunsch geäußert, doch anstatt darauf einzugehen, stritt ich alles ab und redete auf sie ein.
„Nein, bist du nicht", seufzte Yonathan und zog mich dicht an seine Brust, um seine Hand in meine Haare zu vergraben und mir den nötigen Halt zu geben. „Du bist mitfühlend und sorgst dich um Emily. Sie ist nur aktuell nicht in der Lage diese Fürsorge von dir zu ertragen und das müssen wir beide akzeptieren. Vielleicht ändert es sich mit der Zeit und Emily wird auf dich zukommen, aber vielleicht ist es auch schon zu spät und für sie kann niemand mehr etwas tun."
„Warum sagst du so etwas?", schniefte ich und hob meinen Kopf. Warum gab er so schnell auf?
„Sie war im Gegensatz zu dir nicht nur zwei Wochen gefangen, Sky. Sie ist ihr ganzes Leben bereits eingesperrt und hatte nie die Möglichkeit überhaupt einen eigenen Charakter zu entwickeln. Überlege einmal, was diese zwei Wochen mit dir gemacht haben und dann versuche darüber nachzudenken, was dann dreizehn Jahre mit einem machen."
„Woher weißt du das alles", hinterfragte ich, ehe ich mich aufrichtete und meine Tränen von der Wange strich.
„Kirill hat etwas nachgeforscht, nachdem ich den Kauf mit Mikhail abgeschlossen hatte. Und dabei kamen wirklich schockierende Dinge heraus", erklärte er mir mit einem fürsorglichen Blick. Anscheinend war Emily doch hoffnungslos verloren, auch wenn ich glauben wollte, dass es nicht so war.
„Sie ist zu gebrochen, um den Schaden noch richten zu können, auch, wenn du es dir so sehr wünscht."
"Sie war für mich da, hatte ein offenes Ohr und hat mir, so seltsam es klingt, Hoffnung gegeben", versuchte ich den aussichtslosen Versuch Emily doch noch zu helfen.
„Das verstehe ich, Princess. Jedoch ist es ein Unterschied, ob man in Gefangenschaft ist und sich an das Einzige klammerte, das greifbar ist, oder ob man eine Wahl hat.
"Ich nickte nur schwach an seiner Brust und musste es akzeptieren, dass ich für Emily nur Mittel zum Zweck war.
„Lass etwas Zeit verstreichen. Und wer weiß, vielleicht tut ihr die Zeit bei Kirill gut", zuckte Nate mit den Schultern. „Immerhin scheinen die zwei gar nicht so verschieden zu sein."
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