~Fourtyfive~
Am Nachmittag hatten Nate und ich endlich das schäbige Hotel verlassen und wurden von Max zum Flughafen gefahren. Während wir noch am Gate warteten, führte Nate einige Telefonate, wobei es nur um geschäftliche Dinge seiner Firma ging, weshalb ich grübelnd vor mich hin starrte.
Auch während des Fluges war nichts Aufregendes passiert, denn auch da hatte Nate sich um Papierkram über sein Tablet gekümmert. Wenn ich nicht den Nachthimmel und die dunklen Wolken beobachtete, musterte ich Yonathan.
Ich fand es auf eine Art niedlich, wie er die Stirn runzelte oder seine Augenbrauen zusammenzog, während er angestrengt über etwas nachdachte. Ich zog die Decke, die er für mich bereits nach dem Abheben für mich organisierte, höher und kuschelte mich so gut es ging auf dem Sitz ein. Yonathan schien dies aus dem Augenwinkel gesehen zu haben, da er seinen Kopf zur Seite drehte und mit einer Hand auf mein Knie mich ansah.
„Warum schläfst du nicht ein wenig? Wir sind noch einige Zeit in der Luft", sagte er fürsorglich und streichelte zärtlich mein Bein entlang.
„Ich beobachte dich gern, wenn du so konzentriert bist", flüsterte ich und gab dem Drang nach, seine Hand in meine zu nehmen. Yonathan kreuzte seine Beine und legte das Tablet auf den Unterschenkel ab, sodass er mit einer Hand weiterarbeiten konnte.
„So geht es mir, wenn du schläfst", schmunzelte er mit dem Blick auf das Tablet. Ich sah ihm weiter zu, während ich mit meinen Fingerspitzen über seine Finger strich, die Adern auf seinem Handrücken erfühlte und seine Tattoos nachmalte.
Allerdings wurden meine Lider nach einiger Zeit doch schwer und ich gab der Müdigkeit nach, indem ich meine Augen schloss.
Als ich wieder wach wurde, ging langsam die Sonne auf und verfärbte die Wolken in wunderschöne Pastellfarben.
„Hast du die ganze Nacht gearbeitet?", fragte ich gähnend, mit dem Blick zu Nate, der noch immer mit seinem Tablet dasaß.
„Ich habe einiges nachzuholen", antwortete er mir und strich sich dabei über sein ausgelaugtes Gesicht. „Wir landen in wenigen Minuten. Dann sind wir endlich wieder zu Hause."
Erst bei seinen Worten spürte ich die aufkeimende Nervosität. Wie würde es mir ergehen, sobald ich wieder in dem Penthouse wäre und die Erinnerung von meinem Geburtstag mich unmittelbar einnehmen würden?
***
Nur eine Stunde später stand ich mit rasendem Herzen und Schweißausbrüchen in dem großen Foyer von Yonathan's Penthouse. Mein Hals schnürte sich umgehend zu und ich fühlte, wie Panik in mir aufstieg und Besitz von mir ergriff.
„Sky", sprach Nate mich an, als er ebenso bemerkte, wie meine Atmung immer schneller wurde. Mit scheuem Blick sah ich ihn an und versuchte mich selbst dazu zu zwingen, tief durchzuatmen, allerdings ohne Erfolg.
„Alle Sicherheitsmaßnahmen wurden verstärkt. Keiner kommt ohne mein Wissen weder rein noch raus. Dir wird hier also absolut nichts mehr passieren", versuchte er mich zu beruhigen. Allerdings beunruhigte es mich eher, da er mir vor Augen hielt, dass ich das Penthouse ohne sein Einverständnis nicht verlassen konnte.
Ich kam also von dem Keller in ein Hochsicherheitsgefängnis ...
„Skylar!", ertönte die Stimme von Mrs. Bennett, die freudestrahlend auf Yonathan und mich zukam. „Ich bin heilfroh, dass Sie wieder zu Hause sind."
„Die Freude ist ganz meinerseits", murmelte ich mit einem gekünstelten Lächeln. Ich spürte Yonathan's Hand an meinem Rücken und erkannte auch die Warnung hinter dieser Geste.
„Kann ich für Sie etwas tun? Möchten Sie etwas essen oder etwas trinken?", fragte Mrs. Bennett freundlich.
„Ich würde gern erst einmal ankommen und mich frisch machen", lehnte ich das Angebot freundlich ab. Mit einem Nicken bestätigte Mrs. Bennett meine Bitte, ehe sie sich an Yonathan wandte.
„Ich muss ins Büro", erwiderte er auf ihren fragenden Blick hin. „Rose wird sonst wahnsinnig, wenn ich sie nicht endlich erlöse."
„Wo ist King?", schoss es mir unmittelbar in den Kopf und auch aus dem Mund.
„Ich dachte schon, du fragst nie." Nate grinste nur und schüttelte seinen Kopf, als ich mit den Augen meinen kleinen Streuner suchte, den ich plötzlich unsagbar vermisste.
„Wenn er nicht gerade am Essen ist, ist er sicher auf seinem königlichen Thron und hält sein Nickerchen", lachte er, während ich ihm nur mit einem Augenrollen bedachte.
„Geh nach ihm schauen und komme erst einmal an. Und falls etwas ist, kannst du zu mir kommen", bot Yonathan mir an, ehe er mir noch einen Kuss auf die Schläfe hauchte und kurz darauf zu seinem Büro verschwand.
„Sie benötigen wirklich nichts, Liebes?", erkundigte Mrs. Bennett erneut. Den Kopf schüttelnd, schenkte ich ihr ein letztes Lächeln, um dann die Treppe nach oben zu nehmen und mein Zimmer aufzusuchen.
Wie auch schon im Foyer entstand in meinem Bauch ein ungutes Gefühl und rasendem Herzen und zittrigen Fingern öffnete ich langsam die Tür. Ich wurde umgehend mit einem Miauen begrüßt, ehe der Kater von seinem Thron sprang und um meine Beine schlich.
„Hallo mein König", sagte ich mit sanfter Stimme, um mich gleich darauf in die Hocke zu begeben und dem Streuner zwischen den Ohren zu streicheln. Das Schnurren des Katers erzeugte sofort ein Schmunzeln auf meinen Lippen.
„Ich habe dich auch vermisst", antwortete ich auf seine Laute. Einige Minuten verharrte ich so und streichelte King, während ich sein Schnurren genoss.
Als ich mich aufrichtete, erkannte ich auf dem Bett mein Handy und mein MacBook. Irritiert ging ich die wenigen Schritte darauf zu und nahm mein Handy in meine Hand. Es war aus und dabei beließ ich es auch. Was sollte mich beim Einschalten schon erwarten? Es war ohnehin niemanden aufgefallen, dass ich zwei Wochen wie vom Erdboden verschluckt war.
Seufzend legte ich es zurück und mein Blick glitt weiter durch das Zimmer, bis meine Augen bei dem Ankleidezimmer hingen, blieben. Zwar lagen die Papiere nicht mehr verstreut herum, so wie ich es hinterlassen hatten, aber dennoch erkannte ich den Karton, den ich an meinem Geburtstag erhalten hatte.
Schlimme Erinnerungen schwirrten in meinem Kopf und als wäre die Schachtel verflucht, starrte ich sie an. Wieso hatte Yonathan die im Ankleidezimmer stehen lassen?
Wie in Trance ging ich langsam darauf zu, um mich nur wenige Zentimeter davor auf den Boden zu setzen. Ich starrte diesen Karton an, als befänden sich dort all meine Antworten auf meine Fragen. Dabei kannte ich bereits einige der Dokumente und wusste, dass diese nur noch mehr Fragen aufwerfen würden.
Ich saß mit überkreuzten Beinen stumm auf dem hellen Teppich und wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war. Erst als es leise an meiner Tür klopfte, schaute ich auf und realisierte, dass um mich herum bereits dämmerndes Licht das Zimmer durchflutete.
„Sky, kommst du bitte runter? Mrs. Bennett hat Essen für uns zubereitet." Ich reagierte nicht auf die Worte von Nate und schaute erneut den verfluchten Karton.
„Sky?", klopfte Yonathan erneut. Das Letzte, was ich wollte, war mich mit ihm an einen Tisch setzen und so tun, als wäre alles bestens.
„Sky, wenn du nicht herauskommst, komme ich rein." Seine Stimme war bereits mahnender, weshalb ich leichtfüßig aufsprang und zum Bett flitzte. Leise ließ ich mich auf dieses fallen und ignorierte dabei sogar das Handy und das MacBook, auf das ich mich beinahe gelegt hatte.
In dem Moment ging die Tür auf und das Licht des Flurs durchflutete mein Zimmer. Eilig schloss ich meine Augen und lauschte den Schritten von Nate. Er kam leise näher heran und ich konnte ein leises Seufzen von ihm hören, ehe ich ein leises Rascheln vernahm. Mich umdrehen konnte ich nicht, wenn ich den Schein das ich schlief aufrechterhalten wollte.
Daher konnte ich nur weiterhin seinen Bewegungen lauschen, ehe ich spürte, wie er eine Decke über meinen Körper legte. Davon zuckte ich jedoch zusammen und hätte mich am liebsten selbst gehauen, da ich mich damit verriet.
„Alles gut, schlafe ruhig weiter und erhole dich", raunte Yonathan leise und gab mir einen Kuss auf die Stirn. Er machte noch die schummrigen Lichter von dem Himmelbett an, sodass über mir nun die etlichen Sterne flackerten. Gleich darauf war er schon verschwunden und ich zog schmerzlich meine Augen zusammen.
Ich hatte es nicht verdient, dass er mich so behandelte und ich hatte es nicht verdient in solch einem Bett zu liegen. Nach allem, was war, überwog noch immer der Hass auf ihn, weil er mich all dies durchleben lassen hatte. Und doch ließ ich seine Berührungen zu und lag in dem Bett, das er für mich gekauft hatte.
Ich verabscheute mich selbst!
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