~Fourty~
Ich ließ die Tür schwungvoll ins Schloss fallen und riss augenblicklich den Reißverschluss meiner eingesauten Sweatshirtjacke auf, um diese auszuziehen. Das Mädchen, für das ich nun den Babysitter spielen sollte, stand nur vollkommen regungslos neben der Tür.
„Willst du jetzt Statur spielen?", fragte ich, woraufhin ihre leeren Augen für den Bruchteil der Sekunde zu mir huschten. Doch ebenso schnell schaute sie wieder weg. Sie trug ein zerschlissenes kurzes Kleid und ihre verdreckte Haut war blass, als wäre sie ein Geist. Innerlich war vermutlich auch nicht viel mehr von ihr übrig.
„Okay. Reden kannst du anscheinend auch nicht", merkte ich an, als kein einziges Wort über ihre Lippen kam. Ein genervtes Seufzen entkam mir und ich zog mir auf dem Weg ins Bad mein T-Shirt über den Kopf.
Sollte sie von mir aus dort in der Ecke versauern. Was ging es mich an?
Ich wollte gerade die Badezimmertür schließen, als mir jedoch die Worte von Yonathan in den Kopf kamen, weshalb ich mich eilig zu dem Geist herumdrehte. Dass sie versuchen würde abzuhauen, konnte ich an diesem Abend absolut nicht gebrauchen.
„Du wirst mich wohl oder übel begleiten müssen", sagte ich wenig begeistert. Auch sie sah mich völlig geschockt an. Und da sie sich keinen Millimeter rührte, schnaubte ich genervt und ging die wenigen Schritte zu ihr. Mit festem Griff umfasste ich ihren Arm, ehe ich sie rücksichtslos hinter mich her zerrte.
Im Bad angekommen, schloss ich die Tür und ließ umgehend von dem Mädchen ab. Sie verharrte abermals an der Tür, doch solange sie nicht abhaute, sollte sie sich meinetwegen die blassen Beine in den Bauch stehen.
Ich drehte den Schlüssel im Schloss um und nahm diesen an mich, um mich daraufhin von dem Rest meiner Klamotten zu erlösen. Dass dieses Mädchen nicht sprach, gefiel mir bisher am besten an dem kleinen Geist. Mit Frauen Gespräche zu führen war mental so anstrengend, wie zwei Wochen durchgehend die Russen am Hals zu haben.
Als ich vollkommen nackt war, schaute ich nochmal über meine Schulter. Doch alles, was ich sah, war, dass sie noch immer mit dem Blick auf den Boden dort verharrte. Da sollte nochmal jemand behaupten, ich wäre seltsam!
Ich stellte das Wasser an und trat in die ebenerdige Dusche, wobei sich das Wasser von meinen Händen umgehend rötlich verfärbte. Meinen Kopf unter das Wasser haltend, entspannte ich mich zunehmend. Ich wusch mich ausgiebig und trat daraufhin aus der Dusche, wobei ich feststellte, dass sich in den letzten zehn Minuten absolut nichts geändert hatte.
„Willst du auch duschen?", fragte ich und nahm eines der Handtücher, um es mir um die Hüfte zu wickeln. Wieder bekam ich keine Antwort, weshalb ich genervt seufzte und beschloss sie dann eben zu zwingen.
„Du stinkst nach Keller. So werde ich sicher nicht mit dir in einem Bett schlafen", meinte ich streng. Unsicher blickte sie durch ihre dichten Wimpern zu mir hinauf, als ich unmittelbar vor ihr zum Stehen kam. „Also entweder gehst du jetzt freiwillig, oder ich stopfe dich mit Gewalt in die Dusche!"
Völlig abgestumpft zog sie sich ihr Kleid über den Kopf, woraufhin ich überrascht meine Augenbrauen hob. Ein einfaches »Ja« hätte in dem Fall auch ausgereicht.
Mit einem Augenrollen entfernte ich mich von ihr, um ihr den Weg zur Dusche freizumachen. Den dreckigen Fetzen ließ sie zu meinen Sachen auf den Boden fallen, ehe sie sich ebenso in die Dusche begab. Mein Blick wanderte dabei über ihre blasse Haut.
Ihr Körper war übersät mit Blutergüssen und ihr Rücken wies bereits verheilte Narben auf. Sie war dünn, sodass jeder einzelne Knochen hervorstand und so blass, dass ich meinte sogar jede einzelne Vene erkennen zu können.
Der Anblick war wirklich abartig, dennoch empfand ich kein Mitleid ihr gegenüber. Ihre Tage waren vermutlich ohnehin gezählt, auch wenn Yonathan sie für viel zu viel Geld gekauft hatte. Ich bezweifelte, dass sie dieses Leben weiterleben wollte.
Während das Mädchen sich in einem Schneckentempo wusch, zog ich mir bereits etwas Frisches an und nahm mein Handy, um mich mit diesem abzulenken. Die Tür zum Bad hatte ich offen gelassen, für den Fall sie würde auf blöde Ideen kommen.
Allerdings glaubte ich nicht daran, dass sie irgendwas anstellen würde. Dafür war sie viel zu kaputt, um die Kraft noch aufzubringen.
Ein leises Zischen ertönte aus dem Badezimmer, weshalb ich meinen Blick vom Handy hob und zu dem Geist schaute. Sie hatte ihre schwarzen Haare unter dem Wasser und versuchte anscheinend ihre Arme zu diesen zu führen. Da fiel mir ein faustgroßer in allen Farben strahlender Fleck über ihre hervorstehenden Rippen auf.
Ich trat dichter an sie heran und schaute mir dies genauer an. „Seit wann hast du die Verletzung?"
Sie zuckte heftig zusammen, als ich meine Finger behutsam zu dem Hämatom führte. Umgehend zog ich meine Hand wieder weg. Ich war mir sicher, dass da etwas gebrochen war.
„2?", antwortete sie mit leiser Stimme.
„Was? Wochen? Tage?" Wollte sie mich irgendwie auf den Arm nehmen?
„Welcher Tag ist heute?", stellte sie mir eine Gegenfrage. Ich legte meinen Kopf in den Nacken und unterdrückte mir ein leises Fluchen.
„Egal. Halten wir fest, dass du das bereits länger hast", meinte ich abwehrend. „Das sollte sich dringend ein Arzt anschauen."
Sie nickte nur, ehe sie weiter ihre völlig verfilzten Haare wusch, ehe sie aus der Dusche heraustrat. Zu meinem Glück klopfte es an der Tür, so musste ich mir diesen Anblick nicht noch weiter reinziehen.
Zügig ging ich auf die Tür zu, um diese gleich darauf zu öffnen und Sky vor mir stehen zu haben. Ich konnte nicht behaupten, dass ihre Anwesenheit für mich angenehmer war. Ihre blonden Haare hatten exakt denselben Farbton wie meine und ich fragte mich wirklich, wie sie nie auf die Idee kommen konnte, dass es einen Grund dafür gab.
Bei ihr ergaben die Witze mit den Blondinen anscheinend Sinn, denn die hellste Kerze war Sky wohl auch nicht.
„Ich habe die Sachen für Emily", teilte sie mir mit. Mit einem Nicken nahm ich die Sachen ab und sah die abwartend an, als sie keine Anstalten machte zu gehen.
„Geht es ihr gut? Benötigt sie sonst noch etwas?"
„Einen Arzt und einen Seelenklempner", antworte ich und deutete mit dem Finger, dass der Geist eindeutig zu viele Schrauben locker hatte. Sky warf mir nur einen warnenden Blick zu, ehe sie anscheinenden verstand, was ich mitgeteilt hatte.
Ich sagte ja ... nicht die hellste Kerze ...
„Wieso einen Arzt? Hast du ihr was angetan?", rief sie empört und versuchte allen Ernstes mich von der Tür zu drängen.
„Den Geist fasse ich nicht. Vermutlich zerfällt sie bei der kleinsten Berührung in tausend Einzelteilen", erwiderte ich emotionslos. Abermals trat Sky dichter und zerrte an meinem Arm, um an mir vorbeizukommen.
„Sie hat eventuell gebrochene Rippen", sagte ich und schob das Fliegengewicht von mir. Und sowas sollte die gleiche Blutlinie haben, wie ich.
Da war ich beinahe froh nicht bei meiner Mutter aufgewachsen zu sein, wenn man bedachte, wozu sie Sky geformt hatte.
„Ich sage Yonathan Bescheid. Er wird sich darum kümmern", sagte sie und zupfte sich dabei den viel zu großen Pullover zurecht, ehe sie endlich verschwand und ich die Tür wieder schließen konnte.
Ich drehte mich herum und sah, dass der kleine Geist in Handtüchern gewickelt auf dem Bett saß, weshalb ich ihr die Sachen von Sky entgegenwarf.
„Zieh das an und versuche dann zu schlafen", sagte ich, ehe ich mich ebenso auf das Bett legte und mich lang machte. Ich schloss meine Augen und hörte nur das Rascheln der Kleider, das mir verriet, dass sie meiner Aufforderung nachkam.
Kurze Zeit später bewegte die Matratze sich kaum merklich und Unbehagen durchzog meinen Körper. Ich konnte mir wirklich besseres vorstellen, als mit dieser Gestörten eine Nacht in einem Bett zu verbringen. Daher drehte ich mich herum und versuchte es einfach zu ignorieren.
***
Ein seltsames Gefühl riss mich aus einem viel zu kurzem Schlaf. Kühler Atem streifte mein Gesicht und abermals überkam mich ein unheimliches Gefühl, weshalb ich langsam die Augen öffnete und mich tatsächlich erschrak.
„Fuck!" Der Geist lag unmittelbar vor mir und starrte mich mit ihren hellen, braunen Augen an.
„Was stimmt mit dir nicht?", fragte ich wütend und entfernte mich noch weiter von ihr.
„Ich kann nicht schlafen", flüsterte sie und starrte mich weiterhin an, als wollte sie Löcher in mein Gesicht brennen.
„Ich dank dir auch nicht mehr", brummte ich unzufrieden. Ich bereute es bereits Yonathan auf die Palme gebracht zu haben. Allerdings konnte das Karma mich nicht ficken, denn ich war diesem ohnehin weit voraus.
„Pass mal auf. Ich habe keine Ahnung, was in deinem kaputten Kopf abgeht, aber ich bin keineswegs einer von den Guten. Also gebe ich dir jetzt einen gut gemeinten Rat. Drehe dich von mir weg, sprich mich nicht an und schau mich nicht an, denn dein Leben könnte mir nicht gleichgültiger sein."
Sie blinzelte nur ein Mal, ehe sich ihre Mundwinkel nach oben verzogen. „Dann haben wir etwas gemeinsam."
Wollte die mich komplett verarschen?
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