~Fourteen~

Kirill brachte mich in absoluter Stille wieder nach unten in den Keller. In der kleinen Zelle erkannte ich Demjan, der noch immer regungslos auf dem schmalen Bett lag. Die Gittertür schloss mit einem lauten Klirren, nachdem Kirill die Kette an der Wand befestigt hatte.

„Na dann, schlaf schön", grinste er mich vielsagend mit dem Blick auf Demjan an, der allem Anschein nach noch länger das kleine Bett für sich beanspruchen würde. Er wendete sich bereits zum Gehen, allerdings hielt ich ihn auf.

„Warte!"

Kirill drehte sich erneut zu mir herum und sah mich mit seinem üblichen desinteressierten Blick an.

„Was ist mit Demjan?", fragte ich, wobei die Sorge um ihn deutlich in meiner Stimme mitschwang.

„Was soll mit ihm sein? Er macht erst einmal einen ausgiebigen Schönheitsschlaf", entgegnete Kirill voller Hohn, der mich innerlich zum Rasen brachte.

„Seine Wunden müssen ärztlich behandelt werden! Sie könnten sich entzünden und er könnte eine Blutvergiftung bekommen!"

„Ein Problem weniger", zuckte Kirill mit seinen Schultern, um sich dann herumzudrehen und mir den Rücken zuzudrehen. „Aber wenn es dir so wichtig ist, wieso versorgst du ihn nicht?"

Er ging zu einem kleinen Medizinschrank an der Wand, ehe er einen Verbandskasten und eine durchsichtige Flasche herausnahm und beides zu mir durch die Gitterstäbe reichte.

„Angenehme Nacht", zwinkerte Kirill zum Abschied, mit dem Blick auf den noch immer regungslosen Demjan, der das gesamte Bett mit seinem Körper einnahm. Wütend sah ich ihm nach, als über mir auch noch das Licht erlosch.

Frustriert stieß ich meine angestaute Luft aus und begab mich mit schweren Schritten in die Mitte der winzigen Zelle. An der Wand rutschte ich mit dem Rücken nach unten auf den kalten harten Boden. Meine Knie zog ich an meine Brust und umfasste diese mit einem festen Griff.

Erneut durchzog mich die Einsamkeit und ich konnte mir ein leises Aufseufzen nicht unterdrücken. Ich schaute zu Demjan, der nur meinetwegen mit mir hier eingesperrt und verletzt war. Bedeutete wohl, dass ich von jetzt auf mich gestellt war bis zu der Versteigerung.

Nur wie sollte ich das ohne Hilfe überleben?

Nikolaj und auch Artjom hatten es nun nur noch mehr auf mich abgesehen, denn laut deren Aussage, war ich an allem Schuld. Dabei hatte doch Yonathan den Stein zum Rollen gebracht, als er beschloss mir die Freiheit zu schenken.

Bei dem Gedanken an Yonathan kamen mir immer mehr Tränen. Wie gern wäre ich in meinem Bett, über mir die vielen kleinen Sterne, die nur für mich leuchteten und umschlungen von den starken Armen, die mich immer auffangen würden.

Mein Schluchzen hallte erneut durch den kalten Kellerraum und ein leises Flüstern drang zu mir durch. Ich hielt inne und lauschte. Als nichts zu hören war, glaubte ich, mir das nur eingebildet zu haben.

„Sky?", ertönte das Flüstern erneut, weshalb ich meinen Kopf von meinen Knien hob.

„Emily?"

„Ja, ich bin es. Was ist passiert? Ich habe nur gesehen, wie einer der Russen den ältesten Sohn hinter sich hergezogen hat", sagte sie mir, woraufhin mein Blick erneut auf Demjan fiel.

„Er wollte mir nur helfen. Leider ist er dabei aber aufgeflogen", erzählte ich ihr, ohne jegliche Details.

„Warum wollte er dir helfen? Und wieso scheinst du alle von denen besser zu kennen, als die restlichen Gefangenen?", fragte sie. Natürlich flog es auf, dass ich vermutlich anders war und ich auch anders behandelt wurde. Nur konnte dies sich negativ für mich auswirken?

Ich überlegte, ob ich Emily vertrauen konnte. Wahrscheinlich war es nicht sehr schlau, mich eine vollkommene Fremde anzuvertrauen, aber ich brauchte eine Verbündete, eine »Freundin« in dieser für mich ausweglosen Situation.

„Erzählst du mir erst von dir? Wie du hier hergekommen bist?", fragte ich, während ich in die Dunkelheit starrte.

„Es ist nicht sonderlich interessant", antwortete sie, ehe sie tief Luft holte. „Ich war mit Freundinnen feiern und dort hatte ich bereits dieses seltsame Gefühl beobachtet zu werden. Ich hatte mir nicht viel dabei gedacht und es runtergespielt, dass ich mir dies nur einbildete. Meine Freundinnen tanzten und ich sagte ihnen, ich müsse nur schnell zur Toilette. Sie haben mich seitdem nicht mehr gesehen."

„Das ist schrecklich", antwortete ich nach einiger Zeit der Stille. „Ich frage mich, warum sie das tun. Ich meine, du bist Amerikanerin. Was haben wir mit denen zu tun?"

„Die verkaufen die Frauen an die reichsten Männer der Welt. Natürlich sind da nicht nur osteuropäische Frauen gefragt. Wir werden weitergereicht wie deren Pokale. Als wären wir deren Errungenschaften, mit denen sie ihren Reichtum unterstreichen wollen", erklärte Emily mir, ehe es erneut still wurde.

Meine Gedanken kreisten wie so oft zu Yonathan und abermals fragte ich mich, wie all dies nur zustande kam. Was waren wirklich seine Absichten, als er mich im La Fontana ansprach?

Ich schaute zu Demjan, der all das auf sich nahm, um mich zu schützen. Er kannte mich nicht, also wieso sollte er dies alles für mich tun?

Vielleicht war Yonathan auch gar nicht so untätig, wie ich ständig dachte. Mein Blick wanderte zu den Gitterstäben und direkt darauf zu dem roten Blinken gegenüber meiner Zelle. Die Überwachungskamera zeigte genau auf mich und abermals überkam mich das Gefühl von jemand bestimmtes beobachtet zu werden.

„Ich studiere Jura. Allerdings fehlt mir das Geld, weshalb ich in einem Restaurant arbeite. An einem Abend bat ich meinen Chef um Extraschichten, da ich nicht über die Runden kam. Dieser schrie mich jedoch nur an und ließ mich stehen. Kurz darauf kam ein sehr attraktiver Mann, der eine beängstigende Dominanz ausstrahlte. Er reichte mir eine Visitenkarte und meinte, er hätte eine Lösung für mein Problem ..."

Ich musste unwillkürlich lächeln, als ich an die erste Begegnung mit Yonathan dachte. Wie viel Angst ich vor diesen Mann hatte ...

Mein Mund bewegte sich von ganz allein und die Worte sprudelten nur so aus mir heraus. Ich erzählte Emily von Yonathan und auch wer mein Daddy am Ende wirklich war.

„Nie hätte ich damit gerechnet, dass er mich nur verarscht." Meine Stimme bricht und erneut kamen die Tränen, als ich darüber nachdachte, wie eins zum anderen kam.

„Denkst du denn wirklich, er hat dich verarscht?", fragte Emily und übertönte damit mein Schluchzen. „Er war nicht ehrlich und hat dich definitiv auch belogen, aber seine Gefühle waren es bestimmt nicht."

„Ich weiß ehrlich gesagt überhaupt nicht mehr, was ich noch denken soll. Aber Fakt ist, ich bin hier und er nicht", erwiderte ich niedergeschlagen. Diese Tatsache schmerzte mich mehr, als die, dass er mich belogen hatte.

Abermals umgab mich diese Stille, da Emily nicht antwortete, als ich plötzlich hörte, wie Demjan schmerzverzerrt keuchte. Augenblicklich sprang ich von dem Boden auf und ging mit zittrigen Schritten auf das kleine Bett zu.

„Fuck", entkam es nicht ihm, als er versuchte sich von dem Bauch herumzudrehen.

„Nicht. Bleibe einfach liegen", sagte ich, mit der Situation überfordert.

„Das kann doch nicht deren scheiß Ernst sein", fluchte Demjan, als er feststellte, wo er sich befand und vor allem mit wem.

„Das tut mir sehr leid", flüsterte ich. Ich kannte das Gefühl, wenn man in dieser Zelle aufwachte und ich wollte Demjan in dem Moment zumindest ein kleinen wenig beruhigen. Wobei es für ihn sicherlich noch schlimmer war, da seine eigene Familie ihm diese Grausamkeiten antat.

„Dir muss es nicht leidtun. Immerhin sitzen wir wohl im selben Boot", erwiderte er, wobei ich heraushören konnte, wie seine Lippen sich vermutlich zu einem Schmunzeln verzogen.

„Wohl eher die gleiche Zelle", seufzte ich und ließ mich wieder an der Wand auf den Boden gleiten.

„Ich bereue es dennoch nicht", hauchte Demjan beinahe lautlos. Ich hob meinen Kopf und versuchte ihn zu erkennen, jedoch konnte ich lediglich seine Umrisse sehen.

Ich wusste nicht, was ich darauf hätte antworten sollen. Es schmeichelte mich auf eine Art und auch mein Herz schlug einiges höher von seinen Worten, aber es war dennoch falsch.

Falsch, dass wir Sex hatten und noch falscher, dass mein Körper gegen meinen Verstand arbeitete und während diesem grausamen Akt zum Höhepunkt kam. Beschämt blickte ich zu Boden. In meinem Innern entstand ein Gefühl von Schuld und abermals überkam mich ein Ekelgefühl. Doch nicht wegen Demjan, den ich noch immer auf meiner Haut spürte, sondern wegen meines Körpers, weil es mir gefiel.

Meine Gedanken wurden unterbrochen, als die Tür zum Keller aufgeschlossen wurde. In absoluter Dunkelheit trat jemand herein und direkt vor meine Zelle. Jedoch konnte ich nicht erkennen, wer es war. Einzig ein schwarzer Umriss war für mich ersichtlich.

Ich blinzelte einige Male, in der Hoffnung dadurch etwa erkennen zu können, jedoch blieb meine Sicht weiterhin nur schwarz.

„Hallo, Sky!"

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