~Four~

Mit schockiertem Blick und vollkommen erstarrt schaute ich nach unten zu Artjom, welcher mich erwartungsvoll anblickte. Mein Körper weigerte sich seinem Befehl folge zu leisten und einzig meine Tränen liefen noch immer über meine Wangen.

„Pisdez!", fluchte Artjom auf Russisch, als ich keine Anstalten machte, mich zu bewegen. „Du sollst tanzen!"

Von seiner lauten Stimme schreckte ich zusammen und wich einen Schritt zurück. Ein Schluchzen entkam meiner Kehle und ich schüttelte vehement meinen Kopf.

„I-ich kann nicht."

Mein Körper wollte sich einfach nicht bewegen und stattdessen weinte ich nur noch bitterlicher. Plötzlich durchzog ein kräftiges und schmerzhaftes Pulsieren meinen Hals, wodurch meiner Kehle ein schmerzverzerrter Schrei entkam. Der Stromschlag zwang mich umgehend in die Knie.

Ich hörte, wie ein Stuhl laut über den Boden geschoben wurde und erkannte Demjan, welcher mittlerweile aufgesprungen war. Er sah mich mit einer ausdruckslosen Miene, als er sich über den Tisch zu mir lehnte.

„Tanz einfach!", knurrte er zwischen zusammengebissenen Zähnen. In seinen Augen sah ich die Wut lodern und mich überkam Angst, dass er gleich zu mir auf den Tisch springen würde.

Mit zittrigen Beinen richtete ich mich auf, als mein Blick abermals über die Russen schweifte. Sie sahen mich nur alle erwartungsvoll an und nicht einmal Stenja, Aljoscha oder Kirill machten den Anschein, dass sie mir helfen würden.

Zögerlich fing ich an meinen bebenden Körper zu bewegen, jedoch waren diese viel zu zaghaft, als dass man sie als tanzen hätte bezeichnen können. Wieder ruhten alle Augenpaare auf mir.

Der Bass der Musik durchzog mich und nur widerwillig versuchte ich meine Muskeln in dem Rhythmus zu dem Beat zu bewegen. Mir gelang es nicht den kritischen Zuschauern von meinen Tanzkünsten zu überzeugen, weshalb Artjom kurze Zeit später die Musik ausschaltete.

„Iwan!"

Artjom wendete sich nochmal zu mir und fixierte mich mit einem strengen Blick.

„Nichts für ungut, moya boginya. Aber Tanzen konnte man das nicht nennen. Somit bleibt nur eine Option, womit du für mich mein Geld verdienst."

„Nein, bitte! I-ich kann ...", versuchte ich ihn stammelnd umzustimmen, jedoch wendete Artjom sich bereits von mir ab.

Der Gorilla, der mich auch hierhergeführt hatte, erschien in dem Esszimmer und schaute abwartend, woraufhin Nikolaj aufstand.

„Bring sie nach unten. Ljudmila soll sie für den Abend herrichten", befahl Nikolaj, woraufhin Iwan nickte und zu mir an den Tisch trat. Ich schreckte zurück und wendete mich abermals an Artjom. Er durfte nicht bei seiner Entscheidung bleiben.

„Bitte! Artjom lasse mich irgendwas anderes machen. Ich verspreche, dass ich dich kein zweites Mal enttäusche!", bettelte ich schluchzend, als Iwan mich einfach packte und von dem Tisch runter hob.

Ich zappelte heftig in seinen Armen und versuchte seinen festen Griff um meinen Körper zu lösen.

„Nein! Bitte!", schrie ich immer wieder verzweifelt. Allerdings nahm Artjom nicht mal eine Notiz von mir und redete fröhlich mit Nikolaj. Iwan stellte mich auf meine Füße, da ich noch immer kräftig zappelte.

„Bitte, irgendwer muss mir helfen!", flehte ich nun die restlichen Russen an. Nur flüchtig sahen Stenja und Aljoscha zu mir, wohingegen alle anderen den Blick überall, nur nicht auf mich hatten.

„Demjan!" Er sah mich ohne jeglichen Ausdruck an, dennoch war meine letzte Hoffnung der Bruder von Yonathan. Irgendwas sagte mir, dass er sich am meisten von allen für mich interessieren würde. „Bitte."

Für einen Bruchteil der Sekunde sah er weg und stand dann plötzlich auf. Hoffnungsvoll schaute ich zu ihm auf und wollte mich bereits flüsternd bedanken, als er jedoch an mir ging.

Auch Nikolaj schien sein Verhalten zu bemerken und fand es offensichtlich seltsam.

„Wo willst du hin?"

„Ich habe noch einen Termin", meinte Demjan kühl, ehe Nikolaj nickte und Demjan das Esszimmer verließ. Innerlich sackte ich ein weiteres Stück zusammen und fühlte mich so unfassbar allein.

Ich wurde plötzlich am Arm gepackt und der Gorilla zog kräftig an diesen. Mit all meiner Kraft entzog ich ihm jedoch meinen Arm und ging abermals die Schritte auf Artjom und Nikolaj zu.

„Bitte! Gebt mir nur eine Chance mich anderweitig zu beweisen. Bitte Artjom!"

„Stelle sie ruhig, Iwan", ignorierte er mich und deutete Iwan mit der Hand auf mich, wodurch ich erschrocken zu diesem sah. Abermals überkamen mich laute Schluchzer, ehe Iwan jedoch mit seiner Hand ausholte und und sofort alles schwarz wurde.

***

Als ich daraufhin aufwachte, tat meine gesamte Rechte Gesichtshälfte höllisch weh, ebenso wie mein Kopf. Nur zaghaft setzte ich mich auf und stöhnte leise, als sich lies zu drehen begann.

Wieder mal befand ich mich in der absoluten Dunkelheit. Ich zog meine Knie an und schlang meine Arme um diese, da mir mal wieder fürchterlich kalt war.

Die Kälte breitete sich in meinem Innern aus und nicht mal als Kind habe ich mich so allein und verlassen gefühlt. Ob Yonathan mich hier rausholen würde?

Wollte ich überhaupt, dass Yonathan dies tat?

Er hatte mich belogen und mir alles nur vorgespielt! Denn er wusste von Anfang an, wer ich war. Vermutlich geilte ihn das nur noch mehr an, zu wissen, dass er meinen Vater getötet und mich als Kind so sehr hat leiden sehen in dem Kinderheim.

Die Wut über ihn stieg abermals und zerfetzte mein gebrochenes Herz nur umso mehr. Kraftlos ließ ich meinen Kopf an die kalte, kahle Wand sinken. Nicht einmal mehr Tränen wollten meine Augen verlassen.

Allmählich machte sich jedoch meine Blase bemerkbar, weshalb ich meine Beine ausstreckte und langsam aufstand. Nur langsam gewöhnten sich meine Augen an die Dunkelheit. Ich erkannte die Gitterstäbe, auf denen ich zuging und welche ich mit den Händen umschloss. Wieder merkte ich den Widerstand an meinem Fuß, der erneut an einer Kette gefesselt war.

Ich sah das rote Blinken der Kamera, weshalb ich direkt in diese blickte. Wahrscheinlich hätte ich keine Antwort bekommen, hätte ich etwas gesagt.

Seufzend nahm ich meine Hände von den kalten Metallstäben, als plötzlich das Licht über mir flackerte. Das Flackern wurde schneller, ehe das Licht vollständig an war und in meinen Augen blendete.

"Schichtbeginn!", ertönte eine männliche Stimme, die durch die Zellen hallte. Kurz darauf erschien Iwan in mein Sichtfeld und ein lautes metallisches Klacken war zu hören, ehe sich die Gitterstäbe alle gleichzeitig zur Seite schoben.

Es kamen weitere Männer in den Raum, die nach und nach die kleinen Zellen von all den gefangenen Mädchen betraten und von diesen die Fußfesseln lösten. Auch zu mir kam einer der Männer und kam unmittelbar auf mich zu.

Ängstlich trat ich einige Schritte zurück. Mit überschlagendem Herzen sah ich den Dunkelhaarigen vor mir an, während er mich weiter an die hintere Wand drängte.

Er beugte sich vor mir herunter und mit Tränen verschleierten Blick blickte ich zu ihm herunter, während er langsam die Fessel an meinem Knöcheln löste. Daraufhin stand er auf und verließ meine Zelle wortlos wieder.

„Vortreten!"

Eingeschüchtert sah ich mich um und erkannte die anderen Mädchen, die alle vor ihre Zelle traten. Nur ich blieb angewurzelt stehen und konnte keinen einzigen Fuß vor den anderen setzen. Ich sah, wie Iwan direkt auf mich zukam und mich mit einer wütenden Miene fixierte. Sofort überkam mich die Angst, er könnte mich erneut mit einem einzigen Schlag niederschlagen.

„Das gilt für alle", knurrte er mir hasserfüllt entgegen, ehe er abermals schmerzhaft nach meinem Arm griff und mich vor die Zelle zog.

Flüchtig sah ich die anderen Mädchen an, während die Männer mit ihren Schusswaffen bereits diese umzingelten. Auch ich spürte kaltes Metall an meinem Kopf.

„Umdrehen und dann immer den anderen folgen", befahl mir Iwan, als sich die Mädchen aus den beiden Reihen bereits in Bewegung setzten. Ich folgte meiner Vorgängerin auf Schritt und Tritt, während ich Iwan's Präsenz deutlich in meinem Rücken spürte.

Wir verließen das Kellergewölbe und traten nach oben in den großen Eingangsbereich. Wie Sträflinge wurden wir durch die Halle geführt, ehe die beiden Wachen die große Doppeltür öffneten und wir vor diese gedrängt wurden.

Sofort umhüllte mich die eisige Kälte und mein Körper begann augenblicklich zu zittern. Ich wünschte mich auf dem schnellsten Weg wieder zurück in meine kalte nasse Zelle, da selbst diese angenehmer war. Meine nackten Füße trafen auf den gefrorenen Treppenstufen und ein schmerzhaftes Stechen entstand auf der Unterseite meiner Füße.

Wie eingefroren blieb ich stehen und schaute zu den zwei schwarzen Kleinbussen direkt vor mir.

„Geh weiter!", herrschte mich Iwan umgehend an und mit klappernden Zähnen trat ich widerwillig einen meiner stechenden Füße vor den anderen, bis wir an den Bussen ankamen und nacheinander einstiegen.

Dass dieser Bus mich auf direktem Weg in die Hölle fuhr, erahnte ich zu dem Zeitpunkt noch nicht.

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