~Fiftyseven~
Nach 30 Minuten stand ich noch immer in meinem Ankleidezimmer und entschied mich endlich für ein blaues, schulterfreies Top zu meiner schwarzen Jeans.
Ich ging die Treppe nach unten, als mein Handy in meiner hinteren Hosentasche vibrierte. Mit einer Hand holte ich es hervor und ein Lächeln entstand auf meinen Lippen, als ich die Nachricht von Stenja öffnete. Es war ein Bild von zwei Flugtickets. Sie wollten mich an dem kommenden Wochenende besuchen, weshalb ich mir ein leises, freudiges Quietschen nicht verkneifen konnte.
„Wenn du schon zu spät kommst, könntest du dann wenigstens das Handy weglegen und deine Aufmerksamkeit auf uns lenken?", vernahm ich die Stimme von Yonathan. Er saß mit einem mir unbekannten Mann an dem riesigen Esstisch.
Trotzig seufzte ich und verstaute das Handy in meine Hosentasche, ehe ich den Mann gegenüber von Yonathan genauer betrachtete. Er hatte kurze braune Haare und seine Statur war in der Höhe und Breite mindestens das doppelte von mir. Sein Alter schätzte ich ungefähr auf dasselbe wie Nate. Er trug ein schwarzes T-Shirt, wodurch ich die Tattoos auf seinen Armen erkennen konnte. Flüchtig nahm ich das Holster und die Waffe an seinem Oberschenkel wahr.
„15 Minuten. Beruhig dich", antwortete ich Yonathan und konnte deutlich erkennen, wie er sich anspannte, um seine Kontrolle zu behalten. Es machte mir Spaß, ihn an den Rand des Wahnsinns zu treiben, zumal er dagegen nun nichts mehr tun konnte.
„Das ist Tyson Pearce. Er wird dein Personenschützer, insofern du ihn für diese Position für geeignet empfindest", erklärte er mir und deutete dabei auf den Riesen. Er schaute mich ausdruckslos mit seinen braunen Augen an. Erst da sah ich die Narbe an seiner rechten Wange, die ihn noch furchteinflößender wirken ließ.
„Wie viel zahlt er Ihnen, um Informationen zu bekommen?", fragte ich an Tyson gewandt. Dieser sah mich verwirrt an, ehe Yonathan aufstand.
„Hör auf, dich wie ein Kind zu benehmen! Ich lasse euch allein, immerhin musst du ihn rund um die Uhr um dich haben", sagte er nah an meinem Gesicht.
„Ach plötzlich soll ich mich erwachsen benehmen? Wer wollte mich, wie ein Kind behandeln?", zischte ich wütend. Yonathan kam noch näher und ich sah, wie seine Brust unkontrolliert bebte vor Anspannung. Sein mir vertrauter Duft stieg in meine Nase und ich unterdrückte den Drang, meine Arme um seine Mitte zu schlingen und mich an ihm fallen zu lassen. Ich mochte es selbst nicht in diesem Ton mit ihm zu reden, aber konnte es mir aus meiner Wut heraus auch nicht verkneifen.
„Du hast in all der Zeit überhaupt nichts verstanden", knurrte er, ehe er sich umdrehte und mich mit rasendem Herzen mit dem Unbekannten allein ließ.
Mit einem gekünstelten Lächeln wandte ich mich ihm zu. „Sie wollen also mein Babysitter sein, Mr. Pearce?"
„Tyson ist absolut ausreichend. Und nein, ich möchte für ihre hundertprozentige Sicherheit sorgen", antwortete er mir. Ich setzte mich ihm gegenüber auf den Platz, auf dem Yonathan bis vor einigen Minuten saß.
„Und was glauben Sie, qualifiziert Sie für diesen Job?", fragte ich weiter.
„Ich bin ausgebildeter Personenschützer der US-Army und habe zuletzt als Agency im Geheimdienst der CIA gearbeitet", sagte er umgehend. Ich zog beeindruckt meine Augenbrauen nach oben.
„Dann wundert es mich nicht, dass Yonathan Sie dafür beauftragt."
„Genau genommen können nur Sie mich beauftragen. Mr. Kingsley hat mich bereits aufgeklärt und mir mitgeteilt, dass ich einzig auf Ihre Befehle und Anweisungen zu hören habe", erwiderte Tyson monoton. Seine Gesichtszüge blieben durchgehend gleich und ich fragte mich, ob er jemals eine Reaktion zeigen würde.
„Haben Sie neben Ihrem Job eine Familie?", fragte ich weiter. Immerhin musste er fast ausschließlich seine gesamte Zeit mit mir verbringen, da schadete es nicht einige Details von seinem Leben zu kennen.
„Nein, Miss. Ich habe weder die Zeit, noch das Interesse an einem Privatleben. Mir ist nur wichtig, Menschen in Notsituationen zu helfen", sagte Tyson vollkommen ernst.
„Das klingt irgendwie traurig", stellte ich betrübt fest. Wobei ich seinen Standpunkt auch verstand.
„Nein, es ist meine Leidenschaft. Von daher ist es keineswegs traurig. Ich kann täglich das machen, was mir Spaß macht."
„Haben Sie morgen schon etwas vor?", hakte ich weiter nach.
„Nein."
„Gut, Sie haben den Job. Sie begleiten mich morgen nach Mattapan", entgegnete ich, während ich aufstand. Er tat es mir gleich, um mich gleich darauf mit einem besorgten Ausdruck anzusehen. Im Stehen war er sogar noch größer, weshalb ich meinen Kopf in den Nacken legen musste.
„Das ist der gefährlichste Stadtteil von Boston! Was hat ein Mädchen, wie Sie dort zu suchen?" Ich sehe ihn abwartend an und erkannte auch, wie er mit seiner Frage sofort zurückrudert. „Verstehen Sie mich nicht falsch, aber ohne Verstärkung, rate ich Ihnen dringend davon ab."
„Dann organisieren Sie eine solche Verstärkung", lächle ich herausfordernd. „Das können Sie doch, oder Tyson?"
Ich kann die Empörung in seinen Augen aufblitzen sehen, auch wenn er mir sonst keinerlei Regung zeigt. Mein überhebliches Verhalten fällt selbst mir auf und ein schlechtes Gewissen macht sich in mir breit. Ich sollte meine Laune nicht an der Person auslassen, der ich von nun an mein Leben anvertraute.
„Sicherlich, Miss MacKenzie", entgegnete Tyson ausdruckslos, ehe er mir eine Karte reichte. „Das ist meine Nummer. Ich habe ein Apartment in diesem Gebäude und stehe jederzeit auf Abruf. Verlassen Sie nie das Gebäude ohne mich."
Ich nickte verstehend und nahm die Visitenkarte von ihm entgegen. „Melden Sie sich, sobald Sie das Penthouse morgen verlassen möchten."
Die Karte anstarrend nuschelte ich ein leises »Danke«, ehe ich mich umdrehte und erkannte, wie Tyson zum Büro von Yonathan ging. Dieser warf mir einen fragenden Blick zu. „Habt ihr alles besprochen?"
Wiederholt nickte ich nur als Antwort. „Möchtest du den Vertrag vorab lesen, bevor Mr. Pearce unterschreibt?"
Ich dachte darüber nach und entschied, dass es nicht schaden könnte. Zwar vertraute ich Yonathan, aber ich kannte ihn mittlerweile gut genug, um zu wissen, dass es bei ihm auch gern Kleingedrucktes gab.
„Ja, ich würde den Vertrag gern vorher sehen", antwortete ich daher und ging mit schnellen Schritten zum Büro. Nate schloss hinter mir die Tür und deutete mir, dass ich mich hinter den Schreibtisch setzen sollte. Dies tat ich und fühlte mich auf dem Stuhl absolut fehl am Platz.
„Also, ich habe bereits einen Vertrag für ein Beschäftigungsverhältnis angefertigt. Sky lese einmal drüber und wenn du nichts auszusetzen hast, darfst du Mr. Pearce unterschreiben lassen. Dieser kennt den Vertrag bereits", erklärte Yonathan mir. Ich schlug meine Beine übereinander und zog die Schriftstücke dichter, ehe ich begann zu lesen.
Nate hatte den Vertrag auf meinen Namen gemacht, sodass Tyson über mich angestellt war. Einzig bei der Bezahlung kam sein Name zum Vorschein. Ich blätterte um und stellte zügig fest, dass es ein vollkommen gängiger Arbeitsvertrag war. Es gab weder kleingedrucktes noch hatte Nate sonst irgendwelche Klauseln unter geschmuggelt, die ihm mehr Sagen gaben, als mir.
„Und da gibt es kein abgesprochenes Ding? Ihr habt keine Vereinbarung, von der ich nichts weiß, mit der du an Informationen kommst?", hakte ich skeptisch nach, ehe ich beiden Männern ins Gesicht sah.
„Sky, ich möchte dich mit einem Personenschützer nur in Sicherheit wissen, nicht kontrollieren", seufzte Yonathan. Auch Tyson wirkte vollständig ahnungslos.
„Ganz neue Worte aus deinem Munde", säuselte ich sarkastisch, ehe ich jedoch nach einem Kugelschreiber griff. „Solltest du mich hintergehen, haben wir ein ernsthaftes Problem", drohte ich mit ernstem Blick. Ich erkannte, wie sein Mundwinkel belustigt zuckte.
„Werde ich nicht", beteuerte Yonathan mit Ernsthaftigkeit. Ich atmete tief ein und zwang mich, ihm zu vertrauen. Mit dem Kugelschreiber setzte ich meine Unterschrift auf das Blatt Papier, ehe ich es zu Tyson schob, der ebenfalls unterschrieb.
„Na dann, hoffen wir mal, dass wir eine ruhige gemeinsame Zeit haben werden, Ty", sagte ich abschließend, um mich gleich darauf zu erheben. Ich sah, wie Tyson mit dem Kiefer mahlte, als ich erneut seinen Namen abkürzte.
„Sie können sich voll und ganz auf mich verlassen, Miss", erwiderte er dennoch freundlich. Was hätte er auch tun sollen? Immerhin war ich von nun an sein Boss.
Er reichte mir zum Abschied die Hand, ehe er aus dem Büro ging und mich mit Yonathan allein ließ.
„Du magst Spitznamen eindeutig zu sehr", meinte er mit einem amüsierten Grinsen im Gesicht. „Ich hoffe nur, er mag es nicht auf die Art, wie ich es tue."
Fragend sah ich ihn an, da ich mit dieser Anspielung überhaupt nichts anfangen konnte. „Was meinst du?"
„Ich denke, du hast es schon verstanden", zwinkerte Yonathan mir zu, woraufhin ich ihn nur perplex anstarrte. Flirtete er mit mir, oder bildete ich mir das nur ein?
„Es gab eine Zeit, da wolltest du mich für den Spitznamen mit einem Kochlöffel verhauen", merkte ich skeptisch an. Auf meine Aussage hin kam er die wenigen Schritte, die er von mir entfernt war, auf mich zu, weshalb ich instinktiv einen Schritt zurück machte. Ich stieß mit meinen Hintern an die Tischkante und legte meinen Kopf in den Nacken, um Nate fassungslos entgegenzusehen.
„Ich sagte ja, nicht auf dieselbe Art, wie ich es mag", raunte er mit tiefer Stimme, während er meinem Gesicht immer näher kam. Wie so oft überkam mich bei dem Klang seiner Stimme eine Gänsehaut. Seine Hand führte er zu meinem Kinn und umschloss mit seinen langen Fingern meinen Kiefer. Sich zu mir herunterbeugend verharrte Yonathan unmittelbar vor meinen Lippen, weshalb ich seinen warmen Atem spürte und innerlich zu zittern begann.
„Nate", hauchte ich fast tonlos, während meine Finger sich fest an die Tischkante krallten. Meine Beine fühlten sich an, als würden sie jeden Moment einfach nachgeben. Wieso machte dieser Mann mich jedes Mal aufs Neue so schwach?
„Ich hoffe, er hat dabei nicht das Bedürfnis, sich tief in dich versenken zu wollen, so wie ich", flüsterte er leise. Mit seinem Körper drängte er mich fester an den Tisch. Seine Worte entlockten mir ein überraschtes Keuchen. Ich hielt seinen Blick stand, während mein Herz vor Anspannung drohte zu explodieren.
Ein Klirren ließ uns beide zusammenschrecken. Ich schaute zu der Seite von wo das Geräusch kam. King schlängelte über den Schreibtisch und hatte mit seinem Schwanz ein Glas vom Tisch gefegt. Da Yonathan ebenso seine Aufmerksamkeit auf den Kater wendete, nutzte ich die Gelegenheit und huschte seitlich an ihm vorbei, um nicht mehr zwischen seinen Körper und der Tischkante gefangen zu sein.
Schnell schnappte ich mir King und rannte beinahe panisch aus dem Büro. Heilige Scheiße!
Wer Zeit und Lust hat, kann heute gegen 20:30 Uhr auf TikTok in mein Live kommen 🫶🏻🥰
freue mich über jeden Einzelnen ❤️❤️
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