~Fiftynine~

Da ich die Nacht beinahe ausschließlich wach lag, war ich am Morgen schon sehr früh auf den Beinen. Ich war bereits duschen, hatte mich angezogen und stand aufgeregt in den Startlöchern. Allerdings war es erst 7 Uhr morgens, weshalb ich mich noch gedulden musste. Meine Tante unangekündigt zu besuchen war nicht gerade etwas, was ich so früh am Morgen tun sollte.

Vor allem dann nicht, wenn ich mit ihr über die Vergangenheit von ihr und meiner Mom reden möchte. Noch immer war es für mich absolut unverständlich, was ich auf dem PC von Yonathan entdeckt hatte. Meine Mutter mit seinem Onkel? Mir stieg allein bei dem Gedanken mein Mageninhalt hoch.

Die schlimmsten Befürchtungen machte sich in mir breit, aber ich versuchte dennoch Ruhe zu bewahren und nicht sofort den Teufel an die Wand zu malen. Vielleicht gab es auch eine gute Erklärung für all das.

Wobei alles, was in Zusammenhang mit Artjom war, konnte nichts Gutes sein!

„Wenn du weiter so auf die Arbeitsfläche starrst, bekommt sie ein Loch."

Erschrocken hob ich meinen Kopf, um ihn direkt wieder sinken zu lassen. Yonathan trat in die Wohnküche, allerdings nur bekleidet mit einer tief sitzenden, grauen Jogginghose.

„Warum erschreckst du mich so?", murmelte ich, mit dem Blick weiterhin auf die Arbeitsfläche gerichtet. Ich konnte mir auch ohne hinzusehen vorstellen, wie definiert seine Muskeln aussahen. Vor allem sein V-Muskel ...

„Hallo?!"

„Hä", platzte es völlig unkontrolliert aus mir heraus, woraufhin Nate mich mit gehobenen Augenbrauen ansah. Ich zwang meinen Blick ausschließlich auf seinem Gesicht zu belassen, allerdings machten seine blauen Augen es keineswegs besser. Diese funkelten mich belustigt an.

„In welcher Welt bist du gedanklich?", fragte er und schien mein Verhalten überaus amüsant zu finden. Er kam weitere Schritte auf mich zu und ich wich instinktiv nach hinten, um gleich darauf mit dem Hintern gegen die Küchenschränke zu stoßen.

„Könntest du das bitte unterbinden?", fragte ich säuerlich, als Nate unmittelbar vor mir verharrte und sein nackter Oberkörper meinen streifte. Sein perfekt arrogantes Lächeln verbesserte die Lage nicht.

„Ich will nur-", begann er mit rauer Stimme, weshalb ich ihm umgehend das Wort abschnitt. Seine mir Gänsehaut verursachende Stimmlage konnte ich nicht auch noch ertragen.

„Gar nichts willst du." Kaum hatte ich ausgesprochen, stieß hinter mir die Schublade auf und gegen meinen Hintern. Ein unterdrücktes Kreischen entkam meinen Lippen, während ich einen Schritt nach vorne machte.

„Nate!"

„Ich brauche einen Löffel und wenn du mich nicht ausreden lässt, bist du selber schuld", zuckte er lässig mit den Schultern, ehe er sich einen kleinen Teelöffel aus dem Besteckkasten nahm und anschließend die Schublade mit einem leisen Klicken wieder verschloss.

Ich hasste diese Technik in diesem Penthouse!

„Das hättest du mir auch sagen können, ohne mir so auf die Pelle zu rücken", beschwerte ich mich. Meinen Hintern reibend, beobachtete ich, wie Yonathan eine Tasse nahm und sich seinen Kaffee zubereitete.

„Warum so schlecht gelaunt? Angst mir nicht widerstehen zu können?", grinste er und nahm einen Schluck von dem Kaffee. Sein überhebliches Lächeln hätte ich ihm am liebsten aus dem Gesicht geschlagen!

„Wie gut, dass Einbildung auch eine Bildung ist", erwiderte ich so lässig, wie es mir möglich war.

„Ich bilde mir nichts ein. Ich erkenne, wie deine Wangen sich rosa färben, deine Atmung schneller und flacher wird und wie du deine Schenkel fest aneinander presst", raunte er abermals mit tiefer Stimme, während er mir viel zu nahe kam. „Wie oft hast du es dir selbst besorgt und dabei an mich gedacht?"

Ich wich seinem Blick aus und schnaubte nur ungläubig, ehe seine Finger meinen Kiefer umfassten und mich zwangen zu ihm aufzusehen. „Ich kann dich nachts stöhnen hören."

Mir entwichen all meine Gesichtszüge gleichzeitig, während mein Puls in meinem Hals schmerzhaft pochte. Nicht mal die mir bekannte Röte stieg in mein Gesicht, stattdessen war ich vermutlich aschfahl. Nichtsdestotrotz wollte ich ihm diese Genugtuung nicht geben.

„Fein, dann weißt du halt, dass ich mir dabei deinen Schwanz vorstelle." Selbstbewusst reckte ich mich zu ihm nach oben und erkannte, wie in seinen Augen Anerkennung aufblitzte.

„Fuck, wie es mich anmacht, wenn du solche Dinge mit solch einer Selbstsicherheit sagst", murmelte Yonathan, als ich auch schon seine Hand fest um meinen Hals hatte. Er zog mich mit kraftvollem Griff unmittelbar vor seine Lippen. Mein Atem stockte, während sein Mund sich fest auf meinen drückte. Seinen Körper presste er gegen meinen. Wegen seiner Hand um meiner Kehle war ich gezwungen mich zu ihm hoch zu strecken.

„Aber soll ich dir etwas verraten?", sagte ich nuschelnd an seinen Lippen, ehe ich mich wenige Millimeter von ihm entfernte. „Es wird weiterhin nur eine Vorstellung bleiben und du wirst all das nur noch durch die Wände hindurch hören."

Als hätte ich einen Schutzengel, klingelte in dem Moment mein Handy und verschaffte mir damit mehr Abstand, da Yonathan seine Hand umgehend sinken ließ.

Ohne eines Blickes ließ ich ihn in der Küche stehen. Mein Herz raste zwar so sehr, als wäre ich einen Marathon gelaufen, aber ich war auch unheimlich stolz auf mich, ihn widerstanden zu haben. Und noch mehr, ihm die Stirn geboten zu haben. Ich schaute auf das Handydisplay, um zu sehen, wer mein Retter in der Not war.

„Warum wundert es mich nicht einmal mehr, dass du mich immer zu so unbestimmten Zeitpunkten anrufst?", nahm ich den Anruf entgegen.

„Weil das mein siebter Sinn ist, Malyschka", antwortete Stenja mit rauer, verschlafener Stimme.

„Bist du gerade erst aufgewacht? Bei dir müsste es doch halb vier nachmittags sein", wunderte ich mich mit einem Blick auf die Uhr. Ich ging derweil die Treppe nach oben und ignorierte den stechenden Blick in meinem Rücken.

„Harte Nacht. Was ist bei dir los?", fragte Stenja.

„Nichts, was soll sein?"

„Du atmest so", erwiderte er, weshalb ich fragend meine Stirn in Falten zog.

„Wie?"

„Erregt."

Gott, nicht einmal 5000 Meilen Entfernung reichten aus, um Stenjas Aufmerksamkeit zu entkommen!

„Ich bin höchstens gereizt, mehr aber auch nicht", antwortete ich und unterdrückte mir dabei ein genervtes Seufzen. Ich ließ auch die letzten Stufen hinter mir und öffnete die Tür zu meinem Zimmer, um mich gleich darauf auf mein Bett fallen zu lassen.

„Wegen Jascha?", hakte er weiter besorgt nach. Ein Schnauben konnte ich mir daraufhin nicht mehr verkneifen.

„Ich habe alles unter Kontrolle. Er wird mich nicht wieder um den Finger wickeln", meinte ich unsicher, wobei ich es mehr zu mir selbst gesagt hatte.

„Okay, wenn du das sagst. Aber vergiss dabei nicht, dass Yonathan ein Jakowlew ist. Wir spielen nie fair und auch er wird mit fiesen Mitteln kämpfen."

„Ach wirklich, Sherlock? Wie gut, dass ich dich habe, sonst wäre mir das wohl entgangen", zischte ich zynisch in mein Handy hinein.

„Ich rufe auch nicht an, um mit dir über deine Beziehungsprobleme zu reden", entgegnete Stenja ruhig, ohne auf meine vorherige Aussage zu reagieren. „Deine Nachricht. Was genau hast du vor, wenn du bei deiner Tante bist?"

„Ich muss wissen, wer meine Mutter wirklich war und vor allem muss ich erfahren, was sie mit Artjom zu tun hatte. Und die Sache mit Kirill erschließt sich mir auch nicht", erkläre ich dem Russen. „Das alles können schon keine Zufälle mehr sein!"

„Ich verstehe deine Bedenken, aber wie sicher bist du dir, dass die Frau auf dem Bild deine Mutter war? Es könnte jede x-beliebige Frau gewesen sein."

„Nein, Stenja. Dieses Armband war ein Erbstück und eine Maßanfertigung meiner Großmutter. Keiner sonst kann solch ein Armkettchen gehabt haben", erwiderte ich, ehe ich nachdenklich meine Lippe zwischen meine Zähne zog.

„Gut, aber dir ist bewusst, was für Konsequenzen es haben wird, solltest du mit deinem Verdacht richtig liegen", hakte er weiter nach.

„So schnell lasse ich mich nicht zu einer Jakowlew ernennen", kam es mir erneut zischend über die Lippen.

„Ich fände es gar nicht so übel, dich, als Halbschwester zu haben, Malyschka."

„Oh Gott, bitte!", stöhnte ich verzweifelt. „Verstehe mich nicht falsch, ich liebe dich, aber das würde auch bedeuten, Yonathan wäre mein Cousin und du willst nicht wissen, was besagter Cousin schon alles mit mir angestellt hat."

„Erspare mir die Detail", grummelte er nun ebenso davon verstört.

„Zudem ergäbe es keinen Sinn! Wieso hätte er mich verkaufen und so sehr hassen sollen, wenn ich wirklich die Tochter von Artjom gewesen wäre?"

„Naja, mein Vater tat oft Dinge, die untypisch sind. So abwegig wäre es nicht. Wenn wir das Ganze einmal weiterspinnen. Es könnte doch sein, dass Artjom Yonathan es befohlen hat auf dich aufzupassen. Du weißt, genauso wie ich, wie mein Vater über die Blutlinie und deren Erhalt gedacht hat."

Innerlich sackte ich noch weiter zusammen. All das waren nur Vermutungen, aber dennoch kreisten die Worte von Demjan in meinem Kopf, als er mir erklärte, wie es wirklich bei denen ablief.

„Nein. Yonathan hätte mich nie so belogen", schluchzte ich, wobei ich auch dies mehr zu mir selbst sagte, um den Worten Glauben zu schenken.

„Wäre nicht das erste Mal."

„Ja, ich weiß", murmelte ich unverständlich. Die Gedanken in meinem Kopf rotierten, aber ich glaubte es einfach nicht, dass Nate mir wirklich alles nur vorgemacht und vor allem mich so an der Nase herumgeführt hat. „Nein, niemals Stenja. Yonathan weiß genauso wenig, wie du und ich. Ich weiß, er hat mich belogen, was meinen Dad anging, aber er hat es niemals böswillig gemeint."

„Na gut, Malyschka. Du scheinst dir da ja sehr sicher zu sein", entgegnete er und schien das Thema damit fallen zu lassen. Eine kurze Stille entstand, in der wir beiden unseren eigenen Gedanken nachhingen, ehe ein raues Lachen von Stenja ertönte.

„Was?", fragte ich.

„Du hast gesagt, dass du mich liebst", säuselte er weiterhin belustigt, weshalb ich mit den Augen rollte.

„Darauf kannst du dir gern einen runterholen", rutschte es mir unbedacht über die Lippen. Ein weiteres kehliges Lachen ertönte, ehe ich das Rascheln von einer Decke vernahm.

„Das werde ich." Es klang so, als hätte Stenja sein Gesicht in ein Kissen gedrückt, woraufhin ich nur belustigt den Kopf schüttelte.

„Ich melde mich, sobald ich Neuigkeiten habe. Bye", beendete ich eilig das Gespräch. Ich mochte zwar das Herumalbern mit Stenja, allerdings war ich mir nicht sicher, ob er es ebenso spaßig meinte, wie ich es tat.

Zudem hatte ich weitaus Wichtigeres zu tun, weshalb ich Tyson noch eine Nachricht schickte, dass ich das Penthouse in Kürze verlassen möchte. Nur wenige Sekunden später bekam ich eine Antwort.

Bald sollte ich die Wahrheit kennen. Hätte ich vorher jedoch gewusst, dass diese alles verändern würde, hätte ich vermutlich niemals nach Antworten gesucht.

Habt ihr bereits eine Ahnung auf was es hinauslaufen wird? 🤣

Ich wollte mich auch nochmal entschuldigen, dass so wenige Updates aktuell kommen, aber mit der Veröffentlichung und den Feiertagen ist es für mich kaum möglich auch noch hier regelmäßig zu schreiben 🫣

Ich hoffe ihr hattet dennoch besinnliche Feiertage und ein schönes Fest mit euren Liebsten ❤️❤️❤️

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