~Fiftyfour~
So schnell mich meine Beine trugen, rannte ich in mein Zimmer, um mich in Rekordgeschwindigkeit anzuziehen. Ich fühlte meinen rasenden Puls in meinem Hals, aber auch die Angst, die meinen Körper zum Beben brachte.
Ich konnte mir nicht vorstellen, was Yonathan vorhatte, aber anhand seines Blickes erahnte ich bereits, dass mich in seinem Büro nichts Gutes erwarten würde. Daher lief ich umgehend die Treppe nach unten und rannte im Foyer angekommen, beinahe Mrs. Bennett um.
"Entschuldigen Sie", sagte ich eilig und begab mich mit schnellen Schritten zu Nate's Büro. Ohne mich anzukündigen, trat ich ein und erblickte ihn an der großen Glasfront stehen. Eine Hand hatte Yonathan an dem Glas abgestützt, während er über die dezent beleuchtete Stadt schaute.
"Setz dich", befahl er, ehe er sich zu mir herumdrehte und ich mir einen Blick in sein Gesicht gewährte. Seine Züge verrieten mir nichts und auch seine Augen strahlten keinerlei Emotion aus, die mich hätte erraten lassen können, was mich erwartete.
Daher blieb mir nichts übrig, als mich vor dem Schreibtisch zu setzen und meine zittrigen Hände nervös im Schoß zusammenzufalten.
Yonathan setzte sich ebenso an den Tisch und erst da bemerkte ich die Papiere, die sich auf der Tischplatte befanden. Ich erkannte, dass es sich dabei um den Vertrag handelte und neben diesem lag ein weiteres Schriftstück, jedoch nach unten gedreht.
„Was ist los, Yonathan?", fragte ich besorgt, ehe er noch einmal tief Luft holte und daraufhin seine Unterarme auf den Tisch stützte.
„Mir ist etwas bewusst geworden. Ich habe keine Lust mehr, dich zu etwas zu nötigen, oder es zu erzwingen. Du hast mir nun mehrfach deutlich gemacht, was du von mir hältst. Ich hatte gehofft, du würdest deine Meinung ändern und dich öffnen, aber du hast dich so sehr daran festgebissen, mich zu verabscheuen ..."
„Ich verabscheue dich nicht", unterbrach ich ihn und erhielt unmittelbar einen warnenden Blick, weshalb ich meine Augen senkte und verstummte.
„Ich habe dir meine Gefühle in letzter Zeit sehr häufig gestanden und ich habe es auch lange genug akzeptiert, dass du noch nicht so weit bist. Aber ich habe keine Lust mehr auf dieses Hin und Her."
„Du machst Schluss mit mir?", fragte ich schockiert und spürte, wie mein Herz abermals zu rasen begann.
„Ich lasse dir die Freiheit, selbst darüber zu entscheiden. Das war es doch, was du wolltest, oder nicht? Deine Freiheit", erklärte Yonathan mir absolut ruhig. In meinem Kopf rasten die Gedanken und doch wollte sich kein einziger Festigen lassen.
„Wenn du mir eine Wahl lässt, hast du dich dann nicht schon längst entschieden?", hakte ich irritiert nach. Wie sollte ich über etwas entscheiden, wenn ich doch selbst überhaupt nicht mehr wusste, was ich wollte?
„Es geht nicht darum, was ich möchte. Einzig dein Wille zählt", erwiderte er. „Du hast zwei Möglichkeiten. Entweder du entscheidest dich für den Vertrag und hältst dich an die vereinbarten Regeln, oder wir machen einen Aufhebungsvertrag und du stehst auf eigenen Beinen. Natürlich unter gewissen Auflagen."
„Welchen Auflagen?", fragte ich unverzüglich.
„Du bleibst vorerst hier wohnen, oder wir schauen, ob wir ein kleines Apartment für dich finden, denn deine Sicherheit ist nach wie vor nur unter Aufsicht gewährleistet."
Ich öffnete bereits den Mund, um etwas dagegen zu sagen, jedoch verbot Nate mir mit einem Blick das Sprechen, weshalb ich den Mund eilig wieder schloss.
„Solange die Lage in Russland angespannt ist und ich dafür zur Rechenschaft gezogen werden könnte, bist auch du auf die Sicherheitsmaßnahmen angewiesen. Das ist etwas, was du bitte ernst nehmen musst!", erklärte er mir, als wäre ich schwer vom Begriff.
Ich unterdrückte mir ein Augenrollen, aber nickte dennoch, da ich verstand, dass ich jederzeit in Gefahr war.
„Du bekommst deine vollständige Freiheit, aber auch einen Personenschützer, der dich überallhin begleitet."
„Das ist keine Freiheit, wenn ich mich nicht frei bewegen kann", protestierte ich umgehend.
„Du kannst alles tun, was du willst, weder dein Bodyguard noch ich werden dich an irgendwas hindern. Er ist mir gegenüber auch nicht verpflichtet, von deinen Handlungen zu erzählen. Wenn du es so willst, können wir auch eine Verschwiegenheitserklärung unterzeichnen lassen."
„Als ob du diese nicht umgehen könntest", murmelte ich genervt. Wen wollte Nate denn verarschen? Ob er nun Verträge und Erklärungen anfertigte, er würde dennoch immer über mir wachen, wie ein scheiß Helikopter!
„Ich will es aber nicht! Ich möchte, dass du so leben kannst, wie es für dich unter diesen Umständen am besten ist, also welchen Grund hätte ich, es dann doch zu manipulieren?" Allmählich verließ ihn die Geduld, denn ich hörte seine Verärgerung heraus, auch wenn er sich wirklich Mühe gab diese vor mir zu verstecken.
„Wie du meinst. Was wären noch deine Bedingungen?"
„Du meinst, du möchtest normal studieren. Das finde ich auch gut, dass du diesen Willen hast. Jedoch wirst du an dem vorherigen College nicht mehr angenommen werden. Ich habe dir daher eine Auswahl von drei anderen Universitäten zusammengestellt", meinte Yonathan und übergab mir einen Zettel.
Ich schaute flüchtig auf diesen hinab und hob sofort meinen Kopf. „Die kann ich mir nicht leisten, selbst wenn ich drei Jobs hätte."
„Dann gebe ich dir etwas dazu", bot er mir an. Doch dann wäre ich wieder abhängig und dies würde meinen Stolz allein zurechtzukommen zu sehr kränken.
Yonathan schien dies auch anhand meines Blickes zu erkennen, weshalb er tief durchatmete. „Dann mache bei mir in der Rechtsabteilung ein bezahltes Praktikum."
Auch diese Idee gefiel mir keineswegs, aber ich musste mir selbst eingestehen, dass es ohne seine Hilfe niemals etwas werden würde. Da würde ich höchstens unter der nächsten Brücke landen.
„Ich werde nach einem Job suchen und wenn ich nichts finde, womit ich die Kosten gedeckt bekomme, werde ich darauf zurückkommen", sagte ich nachdenklich.
„Okay", stimmte er zu. „Also wählst du definitiv den Aufhebungsvertrag?"
Ich dachte darüber nach, obwohl ich mir ziemlich sicher war, dass ich den Vertrag auflösen wollte. Nicht, weil ich Nate nicht mehr wollte. Ich brauchte für mich einen Neuanfang, um mich selbst weiterzuentwickeln.
„Ich denke schon", nickte ich.
„Gut, aber denke daran, dass du dann vollkommen auf dich gestellt bist. Ich helfe dir maximal noch mit einem Job aus, aber für alles andere bist du verantwortlich."
„Könntest du dir denn nicht vorstellen, eine Beziehung ohne Verträge, Regeln und Vereinbarungen zu haben?", fragte ich und konnte meine Enttäuschung nur schwer vor ihm verstecken.
„Doch, da wäre ich sofort dabei. Aber Sky, seien wir mal ehrlich. Was würde es bringen? Du würdest dich genauso verkriechen, wie die letzten Wochen, als ich dich einfach in Ruhe gelassen habe. Ich kann nichts erzwingen, wozu du selbst nicht bereit bist", erklärte Yonathan mir. Ich konnte ihm ansehen, dass ihn dieser Schritt schwerfiel, aber ich verstand auch, dass er absolut recht hatte.
Ich hätte es ändern können, indem ich ihm gegenüber ehrlich gewesen wäre, allerdings wusste ich, dass ich nichts geändert hätte. Erst recht nicht, wenn ich sogar die freie Wahl gehabt hätte.
Frustriert über diese völlig festgefahrene Situation zwischen uns spürte ich, wie allmählich die Tränen in meine Augen stiegen.
„Tut mir leid", sagte ich schluchzend, da es mir falsch vorkam in der Situation zu weinen. Sollte ich nicht erleichtert sein?
„Ich hoffe, es sind keine Freudentränen", witzelte Nate und schaffte es, mich trotz der Tränen zum Lächeln zu bringen.
„Bitte glaube nicht, dass ich die Zeit mit dir bereue. Es ist einfach so viel passiert und-."
„Du musst dich nicht erklären, Sky. Ich wünschte, es wäre anders gelaufen und vermutlich hätte ich früher handeln sollen, aber im Nachhinein ist man bekanntlich immer schlauer", sagte er und gab mir den Aufhebungsvertrag, sowie einen Stift zum Unterzeichnen.
Ich nickte nur schniefend und wischte mir die Tränen von den Wangen, ehe ich den Stift nahm und eilig die Zeilen überflog.
„Lese in Ruhe und unterschreibe, wenn du dir sicher bist", sagte Yonathan rücksichtsvoll und stand auf. Er verließ das Büro und ich las noch einmal sorgfältig alles durch. Jedoch wollte ich nicht länger als nötig darüber nachdenken, da ich Sorge hatte, meine Meinung sonst zu ändern.
Mit zittrigen Fingern setzte ich meine Unterschrift unter das Dokument. Es fühlte sich einerseits erlösend an, aber ebenso breitete sich auch eine Leere in mir aus, die mir die Luft zum Atmen nahm.
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