~Fiftyfive~
Seit der Auflösung des Vertrags waren drei Tage vergangen, in denen ich mich hauptsächlich damit ablenkte, nach einem Job zu suchen. Dies war wie nicht anders zu erwarten allerdings gar nicht so leicht. Denn dieser Job musste außerhalb der Zeiten der Seminare sein.
Es gab einige Stellen in Restaurants, in denen ich die Schichten hätte variieren können, sodass mir keine Fehlzeiten an der Uni entstanden. Doch das Geld würde mit einem Kellnerjob niemals ausreichen, um die Studiengebühren zu bezahlen.
Daher suchte ich weiter.
Ich hätte zwar auch Yonathans Angebot annehmen können, ein bezahltes Praktikum bei ihm zu machen, doch ich wollte noch nicht aufgeben und meinen Stolz beiseiteschieben. Es musste mir möglich sein, auch allein auf die Beine zu kommen.
Mit wenigen Klicks gelangte ich auf eine weitere Seite für Jobs. Dort fand ich nach einigen Suchen mehrere Stellen für ein bezahltes Praktikum in unterschiedlichen Anwaltskanzleien. Mit diesen Angeboten würde ich immerhin meinen Lebenslauf aufbessern, wenn auch nicht unbedingt mein Konto.
Ich nahm mir mein Handy zur Hand und wählte die Nummer der ersten Kanzlei. Dort erhielt ich bereits telefonisch eine Absage, ebenso wie bei den anderen drei freien Stellen. Es war, als würde allein mein Name ausreichen, um mir eine Absage zu erteilen. In dem Moment verstand ich, woran das lag!
Niedergeschlagen klappte ich den Laptop schwungvoll zu, wodurch King aus seinem Schlaf hochschreckte und mich mit einem mahnenden Blick bedachte. Ich schwang entschlossen meine Beine über die Kante des Bettes. Zwar ging ich Yonathan seit 3 Tagen vollständig aus dem Weg, aber jetzt müsste ich doch das Gespräch suchen.
Ich ging die Treppe nach unten und sah Mrs. Bennett in der Küche. Sie kochte ihr thailändisches Curry, weshalb mich die Gerüche von Koriander und Kokos umwehten. Es roch fantastisch!
Jedoch war ich nicht wegen des Essens nach unten gegangen, weshalb ich eilig weiter durch das Foyer schritt, bis zu dem Flur, indem auch Nate's Büro war. An diesem angekommen klopfte ich leise, ehe ich die Tür aufzog. Allerdings stellte ich dabei fest, dass er nicht da war. Seufzend schloss ich die Tür wieder und ging weiter bis zu seiner Werkstatt.
Durch die riesige Glasfront erkannte ich ihn bereits. Er stand vor einem Hologramm und veränderte einzelne Elemente. Seine Gesichtszüge waren konzentriert und zwischen seinen Augen war wieder diese winzige Falte, die er bekam, wenn er angestrengt nachdachte. Yonathan hatte noch nicht einmal registriert, dass ich hinter dem Glas stand und ihn anstarrte.
Die Tür war natürlich verschlossen, weshalb ich an der Glasfront klopfte. Yonathan regte sich nicht einmal, daher ging ich zu dem Zahlenfeld und hab einen falschen Code ein, wodurch die Stimme von Marc erklang, der mir mitteilte, dass mir der Zutritt verweigert wurde.
„Ja, schon klar. Kannst du Yonathan sagen, dass ich vor der Tür stehe?"
Es herrschte Stille und ich sah den Seitenblick von Nate, ehe Marc abermals das Wort ergriff. „Mr. Kingsley wünscht aktuell keine Störung."
„Es ist wichtig!", protestierte ich. Kaum zu glauben, aber ich diskutierte tatsächlich mit einem Computer! Ich klopfte nochmals als Marc mir weiterhin den Zutritt verweigerte und wurde zunehmend wütender.
Ich verstand, dass Nate gekränkt war und mir nur die kalte Schulter zeigte, weil er in seinem Stolz verletzt war, aber er war es, der mir diese Wahl gelassen hatte. Offenbar blendete er mich vollkommen aus. Ich konnte damit umgehen, wenn er wütend war, aber ich hasste es, wenn er mir gegenüber so abweisend war.
„Man Yonathan! 5 Minuten!", schrie ich, weil ich wusste, dass er mich hören konnte. Sein Körper war angespannt und ich erkannte, wie sein Brustkorb sich hob, als er tief Luft holte. Daraufhin öffnete sich endlich die Tür.
„Skylar, ich arbeite", brummte er, als ich die Werkstatt betrat. Er vermied es, mich dabei anzusehen und widmete sich stattdessen noch konzentrierter seinem Hologramm. Meinen vollständigen Namen aus seinem Mund zu hören, irritierte mich, jedoch hielt es mich nicht ab, weiterhin das Gespräch zu suchen.
„Das würde ich auch gerne, allerdings scheinen die Menschen nicht sonderlich gut auf meinen Namen zu sprechen zu sein", entgegnete ich.
„Wundert es dich? Du wirst mit mir in Verbindung gebracht", zuckte er desinteressiert mit den Schultern. Wie bisher lag sein Fokus vollständig auf das Hologramm, weshalb die Wut mich immer mehr einnahm.
„Nein, das wundert mich nicht."
„Hast du eine konkrete Frage oder Anforderung an mich? Wenn nicht, entschuldige mich, aber ich bin beschäftigt", sagte Yonathan ungeduldig. Mein Herz sackte bei seinen strengen Worten in meine Hose und ich musste mit aller Macht meine aufkommenden Tränen unterdrücken.
„Du sagtest, ich könnte auch in deiner Firma ein bezahltes Praktikum absolvieren", wiederholte ich seine Worte.
„Ich spreche morgen mit dem Geschäftsführer der Rechtsabteilung. Danach gebe ich dir Bescheid." Diese Kälte in seiner Stimme war für mich kaum erträglich, weshalb ich stumm nickte. Meine eigene Stimme wäre mir nur brüchig über die Lippen gekommen. Ich wollte es ihm nicht zeigen, wie sehr er mich mit seiner Art verletzte.
Ohne noch was zu erwidern, drehte ich ihm den Rücken zu. An der Tür angekommen, hörte ich jedoch erneut seine Stimme. „Ich hätte dir das Studium auch in voller Höhe bezahlt."
Nur langsam drehte ich mich zu ihm herum. „Ich weiß. Aber ich möchte es mit eigener Stärke schaffen."
Ich verließ die Werkstatt und schloss hinter mir die Tür um anschließend zurück in mein Zimmer zu gehen. Da ich nun nichts weiter tun konnte, als abzuwarten, beschloss ich meinen Laptop wieder aufzuklappen und eine Serie zu starten.
Es begann gerade die zweite Folge, als mein Handy aufleuchtete und mit einem kurzen Piepen eine Nachricht ankündigte.
»Na Malyschka, vermisst du uns schon? ;)«
Auch ohne die Nummer zu kennen, wusste ich, wer es war, weshalb auf meinen Lippen ein Lächeln entstand. Ich entsperrte das Display und antwortete umgehend.
»Hey Stenja :) tatsächlich ja. Ich könnte gerade etwas von deiner Heiterkeit gebrauchen.«
»Wieso? Gibt es Ärger im Paradies? :D«
»Das Paradies wurde aufgelöst.«
»Was? Du bist aber bei Jascha, oder?«
Sofort bereute ich es, Stenja davon erzählt zu haben, weshalb ich unentschlossen auf meiner Lippe kaute und auf das Display starrte.
»Steckst du in Schwierigkeiten?«
Bevor ich die Zeit hatte, eine Antwort zu tippen, vibrierte mein Handy und zeigte mir einen eingehenden Videoanruf an. Die Luft laut ausstoßend, richtete ich mich auf und nahm das Gespräch an.
„Stenja, es ist alles gut", versicherte ich, als ich meinen Blick auf den Blauhaarigen richtete und erschrak. „Was ist mit deinen Augen?"
„Was soll mit denen sein?", lachte er. Skeptisch betrachtete ich ihn. Er hatte keine Kontaktlinsen drin und ich sah zum ersten Mal, dass sein rechtes Auge vollständig milchig war.
„Ich habe beim Boxen einen Schlag aufs Auge bekommen. Seitdem bin ich auf dem rechten blind", erklärte Stenja mir. Wenn er Kontaktlinsen drin hat, würde man es überhaupt nicht vermuten, dass ein Auge völlig anders aussieht, als das andere.
„Das tut mir sehr leid."
„Das ist Jahre her. Alles gut", schmunzelte er. „Aber jetzt erzähle mir, was bei dir los ist."
„Nicht viel. Ich möchte wieder studieren", erzählte ich ihm.
„Das klingt doch gut. Und nun erzählst du mir, was mit Yonathan ist", forderte er mich auf.
„Ist das Sky?", hörte ich inzwischen auch die Stimme von Aljoscha, der sich gleich darauf neben Stenja warf. „Hey Swjjsdoschka."
„Euch gibt es echt nur im Doppelpack, kann das sein?", grinste ich und sah, wie Stenja mit den Schultern zuckte. „Im Grunde ist nichts. Ich habe nur das Arrangement beendet."
Beide sahen mich mit einem fragenden Blick an, weshalb ich nochmals nach Worten suchte. „Ich stehe jetzt auf eigenen Beinen. Allerdings erweist sich das mit dem Studium nicht besonders einfach. Mir fehlen die finanziellen Mittel, weshalb ich einen Job suche. Aber ich werde nur bei Erwähnung meines Namens schon direkt abgewimmelt."
Ich seufzte frustriert und hasste es, dass ich meine Emotionen nie unter Kontrolle hatte, da sich bereits wieder Tränen in meinen Augen sammelten.
„Moment. Und Yonathan akzeptiert das einfach nach allem was war?", hakte Stenja verwirrt nach.
„Muss er ja. Er kann schließlich nichts erzwingen", erwiderte ich mit einem Schulterzucken.
„Du hast eindeutig eine posttraumatische Belastungsstörung."
„Mag sein, aber immerhin bin ich nicht von ihm abhängig", entgegnete ich zunehmend genervter.
„Nein, du hast nur finanzielle Probleme", meinte Aljoscha mit einem Augenrollen. Warum war es für die beiden so überraschend?
„Ich möchte einfach Ziele erreichen und das ohne die Hilfe von Yonathan! Was ist daran so schlimm?" Meine Stimme hob sich wütend, da die beiden Russen sich eindeutig über mich lustig machten. Konnte nicht jeder alles in den Arsch gesteckt bekommen!
„Gut, okay. Und wie löst du dein Problem?", hakte Aljoscha weiter nach. Ich hätte ihnen von dem bezahlten Praktikum erzählen können, aber das hätte meine vorherige Aussage, auf eigenen Beinen zu stehen, zunichtegemacht. Daher schwieg ich vorerst, zumal es noch nicht einmal feststand.
„Du könntest deinen Cousin fragen", sagte Stenja und bekam gleich darauf von Aljoscha einen Schlag auf den Hinterkopf.
„Durak", fluchte dieser. Jedoch ignorierte ich deren Streitereien.
„Meinen, was?" Ich war absolut fassungslos, wie Stenja darauf kam, wenn er nicht eindeutig mehr wusste, als ich.
„Die Rede ist von Kirill", seufzte Aljoscha ergebend, während Stenja noch ein leises »Sorry« murmelte.
Ich konnte nicht anders, als lauthals zu lachen. Egal, was die beiden geraucht hatten, aber die sollten eindeutig weniger davon konsumieren!
„Wie kommt ihr nur auf diesen Blödsinn? Wäre es so, wüsste ich das wohl", lachte ich noch immer. „Und ausgerechnet, Kirill!"
„Sky, das stimmt. Es ist ein Wunder, dass dir nie selbst aufgefallen ist, wie viel Ähnlichkeit ihr habt", erwiderte Aljoscha mit einem ernsten Blick. Mein Lachen verstummte und ich zog argwöhnisch meine Stirn in Falten.
Wenn es stimmte, bedeutete das, dass Kirill der Sohn meiner Tante war. Sie hatte nie erwähnt, dass sie einen Sohn hatte, geschweige überhaupt irgendwann mal ein Kind zur Welt gebracht hat.
„Mit diesem Psychopathen habe ich ganz sicher keine Ähnlichkeiten", zischte ich und spürte bereits, wie die Wut in mir brodelte. „Wenn er es wusste, wusste es auch Nate. Wieso hat mir dann niemand etwas gesagt?"
„Weil es weder Yonathan noch unsere Aufgabe war, dich darüber in Kenntnis zu setzen", erwiderte Aljoscha mit einem strengen Blick zu Stenja. „In Familienangelegenheiten mischt man sich nicht ein. Das hätte Kirill selbst mit dir klären müssen."
Ich schnaubte abfällig und verdrehte meine Augen. Das konnte doch alles nicht wahr sein! Ausgerechnet Kirill!
„Er hat aber nie etwas mit mir geklärt, stattdessen hat er zugesehen, wie man mich eingesperrt und genötigt hat! Er hat sich darüber lustig gemacht!"
„Ja, er ist oft scheiße, aber meistens hat er dir mit seiner abgefuckten Art geholfen", meinte Stenja und versuchte anscheinend mich mit diesen Worten zu beruhigen.
„Ich brauche erstmal Bedenkzeit", grummelte ich und verabschiedete mich gleich darauf von den beiden Russen.
„Wenn etwas ist, melde dich", hatte Stenja mir noch angeboten, ehe ich den Videoanruf beendete und fassungslos die Wand anstarrte.
Das alles konnte schon gar kein Zufall mehr sein! Jedoch würde ich nur Informationen bekommen, wenn ich das Gespräch mit meiner Tante suchte. Sie konnte mir vielleicht auch erklären, was meine Mutter mit Artjom verbunden hatte und wieso dieser sie bei einer Versteigerung vor 15 Jahren gekauft hatte.
Es tut mir schrecklich leid, dass von mir so wenig kommt aktuell, aber ich stecke all meine Zeit 24/7 in meine geplante Veröffentlichung, um The lies between us so schnell wie möglich offiziell verkaufen zu können ❤️
Sobald der Stress mit der Veröffentlichung vorbei ist, kommen auch wieder regelmäßig Kapitel 🥰🫶🏻
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