~Fifty~

Eilig lief ich nur mit dem T-Shirt an meine Brust gepresst und bis aufs Äußerste beschämt die Treppe nach oben. Es war mir so unfassbar unangenehm, dass ich mich am liebsten selbst in einem tiefen Loch vergraben wollte.

Wie konnte ich auch so dämlich sein und mich ausgerechnet in seinem Büro so gehen lassen, ohne zu bedenken, dass dort jederzeit jemand hereinkommen konnte?

Vor lauter Scham stiegen bereits die Tränen in meine Augen. Ich ging direkt in das angrenzende Badezimmer und donnerte die Tür hinter mir zu, um mich atemlos gegen das kalte Holz zu lehnen. Ein zittriges Schluchzen entkam meinen Lippen, ehe ich tief Luft holte und versuchte mein rasendes Herz zu beruhigen.

Mein Blick fiel direkt gegenüber von mir in den Spiegel und zögerlich ließ ich das Top sinken. Zwar hatte mein Körper sich bereits von den Blessuren erholt, allerdings konnte ich noch immer die Spuren auf meiner Haut fühlen. Der Anblick meines Spiegelbilds war für mich noch nie sonderlich beglückend, jedoch wurde es aufgrund der letzten Ereignisse nur noch schlimmer.

Zu wissen, dass Rose mich so gesehen hatte, verschaffte mir ein solch unangenehmes Gefühl, dass ich umgehend meine Arme schützend um meinen Oberkörper schlang. Vermutlich lachte sie innerlich über mich und fragte sich, genauso wie ich, was ein Mann wie Yonathan in mir sah.

Und dann waren da plötzlich auch wieder die Hände von Demjan, die über meinen Körper fuhren. Der Ekel in mir, da es mir gefiel.

Erniedrigt löste ich den Blick vom Spiegel und beschloss mir Badewasser einzulassen, in der Hoffnung, so all die Erinnerungen von meiner Haut zu spülen. Zu dem Wasser gab ich noch beruhigendes Entspannungsbad dazu. Schon bald war das Bad gefühlt mit warmen nach Lavendel riechenden Wasserdampf, was bereits nach den ersten Atemzügen meine strapazierten Nerven besänftigte.

Behutsam stieg ich in die Wanne und ließ mich langsam in das warme Wasser gleiten, ehe ich umhüllt von dem wohltuenden Schaum meine Augen schloss.

Ich versuchte an nichts zu denken, jedoch kamen ungewollt immer wieder die Bilder von Roses schockierten Blick in mein Gedächtnis. Abermals überkam mich das Schamgefühl, weshalb ich tiefer in das Wasser sank, bis auch mein Kopf unter dem schützenden Schaum war.

Einzig ein Rauschen war in meinen Ohren zu hören und diese alles in mich einnehmende Stille beruhigte mich endlich, dass auch mein Herz ruhevoll schlug.

Ich hielt meine Luft an, bis meine Lunge brannte. Erst dann tauchte ich wieder auf und zog fest die Luft ein. Es war absolut still, bis auf der Schaum, der leise knisterte.

Gedankenlos starrte ich auf die vielen weißen Bläschen vor mir und lauschte deren zerplatzen. Jedoch durchschnitt ein Klopfen diese Ruhe und brachte mein Herz damit wieder unregelmäßiger zum Schlagen.

"Sky, können wir kurz reden?", drang die Stimme von Nate dumpf durch die Holztür.

"Nein!" Über meinen harschen Ton in der Stimme war selbst ich überrascht.

Auf der anderen Seite der Tür herrschte für einige Zeit völlige Ruhe und ich glaubte sogar, dass Yonathan bereits gegangen war, als jedoch die Tür aufging.

"Hör mal, die Sache mit Rose tut mir leid", sagte er und trat dabei näher an die Wanne heran.

"Was genau hast du an dem »Nein« nicht verstanden?", fragte ich streng. Eindeutig zu streng, wie Nate mir mit seinem autoritären Blick übermittelte.

"Okay", erwiderte er nur nüchtern, ehe er sich von der Badewanne entfernte. In seinem Gesicht konnte ich die Enttäuschung erkennen, die bei mir unmittelbar ein schlechtes Gewissen entstehen ließ. "Ich bin unten, falls etwas sein sollte."

Yonathan verließ das Badezimmer und verschloss die Tür hinter sich. Ich sah ihm hinterher und hätte zu gern etwas gesagt, bevor er ging, allerdings fehlten mir die passenden Worte.

Daher tauchte ich mit dem Kopf abermals unter Wasser und genoss die Stille.

***

Es vergingen weitere Tage, in denen ich in meinem Selbstmitleid badete und noch tiefer in ein nie enden wollendes Loch fiel. Ich ging nur zum Essen nach unten, wobei ich selbst dies nicht tun würde, würde Yonathan mich nicht zwingen.

Auch er veränderte sich, denn ich spürte seine wachsende Zurückhaltung. Natürlich versuchte Nate weiterhin mir alles recht zu machen und umsorgte mich, dennoch konnte ich fühlen, wie er sich distanzierte. Wenn er nicht arbeitete, schlief er, wobei er ersteres definitiv bevorzugte und dies konnte nicht weniger gesund sein, als mein eigenes Verkriechen.

Jedoch hatte er immerhin eine Ablenkung. Ich selbst hatte nur meine vier Wände, die mir zunehmend mehr wie ein Gefängnis vorkamen. Die Decke fiel mir regelrecht auf den Kopf und doch war ich zu stur, um es in irgendeiner Weise ändern zu wollen.

Ich beschloss allerdings, dass eine Ablenkung mir ebenso guttun könnte, weshalb ich mit leisen, tapsigen Schritten zur Bibliothek schlich, um mir einige Bücher zu holen. Dabei kam ich unmittelbar auch an dem Büro von Nate vorbei.

Die Tür stand einen Spalt offen und ich hörte seine Stimme. "Ich weiß nicht, was ich noch tun soll." Meine Neugier war mal wieder größer, als mein Verstand, weshalb ich näher herantrat.

Durch den winzigen Schlitz erkannte ich, wie er an seinem Tisch saß und Rose neben im auf der Tischkante hockte. Er strich sich durch die schwarzen Haare und ich bemerkte in dem Moment, wie erschöpft er eigentlich wirkte.

"Ich komme nicht an sie heran und es macht mich krank zu wissen, dass sie alles in sich hineinfrisst und versucht alles zu verdrängen. Was soll ich tun? Egal auf welche Weise ich es versucht habe, sie blockt mich jedes Mal ab. Und auch jetzt, wo ich ihr noch mehr Freiraum gebe, scheint sie absolut kein Interesse daran zu haben, sich mir zu öffnen."

"Vielleicht öffnet sie sich, wenn du es mit professioneller Hilfe versuchst?", schlug Rose vor und legte ihre Hand auf seine Schulter. In mir kochte umgehend die Eifersucht hoch, obwohl ich vermutlich die letzte Person war, die Ansprüche stellen durfte.

Allerdings waren auch erst wenige Tage vergangen, als ich auf dieser Tischkante hockte.

"Sie würde mich noch mehr hassen, als eh schon, wenn ich sie zu einer Therapie zwinge", seufzte er entmutigt. Seine Worte taten mir auf unerklärlicherweise weh.

Ich hasste ihn nicht und hätte es ihm nur zu gern genau in diesem Moment gesagt.

„Ich kann nicht mehr. Jede Nacht träume ich davon, wie ich meinen Bruder bis zum Tod folter, nur um dann mit einem noch beschissenen Gefühl aufzuwachen und mich zu fragen, warum ich es nicht getan habe, als ich die Möglichkeit dazu hatte."

Mit großen Augen sah ich ihn an und erkannte, wie dieser Hass in ihm ihn verschlang.

„Ich hätte ihm seinen scheiß Schwanz abhacken und ihn daran ersticken lassen sollen! Stattdessen werde ich mit ihm Geschäfte führen müssen, während ich immer wieder diese Bilder im Kopf haben werde, wie er sie angefasst hat."

"Ihn umzubringende, hätte Sky auch nicht geholfen", erwiderte Rose. Sie seufzte und überschlug ihre Beine direkt vor seinen Augen, was mich abermals innerlich aufwühlte. "Schau mal, ich weiß nicht alles, was damals vorgefallen ist, aber vielleicht solltest du endlich ehrlich zu ihr sein, damit sie verstehen kann, worum es wirklich geht."

Ich merkte zuerst überhaupt nicht, wie die Tränen über meinem Gesicht liefen. Erst als ich die salzige Flüssigkeit auf meinen Lippen schmeckte, realisierte ich es. Mit einem unfassbar schlechten Gewissen drehte ich mich von dem Büro weg und ging den Flur entlang.

Ich wollte nichts mehr hören, was nicht für meine Ohren gedacht war. Wer wusste schon, ob ich es überhaupt ertragen hätte, die Wahrheit zu kennen. Jedoch beschäftigte mich ohnehin viel mehr, wie kaputt Yonathan wirkte.

Bei all meiner Selbstzerstörung bemerkte ich nicht, wie ich auch Nate Stück für Stück ruinierte, mit meinem Verhalten. Ein Schluchzen entkam mir und wegen meiner verschwommenen Sicht stieß ich gegen eine Vase, die daraufhin klirrend gegen die Wand stieß.

"Sky", sagte Nate, als er mich im Flur entdeckte. Ich stand mit dem Rücken zu ihm und hörte seine Schritte auf mich zukommen, während ich wie versteinert stehenblieb. „Was ist los?"

Seine Hand berührte sanft meine Schulter und abermals entkam meinen Lippen ein Schluchzen, woraufhin er mich sofort besorgt zu sich herumdrehte. Mein Körper bebte und ich hielt schützend eine Hand vor meinen Mund, um kein weiteres Schluchzen zu verlieren.

"Baby, was ist passiert?", fragte er nochmals. Meine Emotionen nicht mehr kontrollierend, schlang ich meine Arme um seinen Oberkörper und weinte heftiger, als jemals zuvor. Mein Herz raste in meiner Brust und ich fühlte mich unsagbar schlecht, weil ich auch ihn verletzt hatte.

"Es ist alles gut", redete er sanft auf mich ein, ehe auch er seine Arme schützend um mich legte und mich festhielt. Für einige Zeit verharrten wir so, bis mein Herz sich einigermaßen beruhigte und auch meine Tränen weniger wurden.

"Es tut mir so leid", schluchzte ich und fühlte Yonathan's Finger in meinen Haaren. "Ich wollte dir nicht wehtun. Mir war in meinem ganzen Chaos im Kopf überhaupt nicht bewusst, was für eine egoistische und rücksichtslose-".

„Princess, höre auf. Was ist überhaupt passiert?", fragte er wiederholt und hielt mich nun etwas von sich entfernt, um mich anzusehen. Ich schüttelte jedoch nur resigniert mit dem Kopf.

"Du willst nicht reden, schon klar", seufzte Nate, weshalb ich mein Gesicht schmerzlich verzog. Ich biss auf meine Unterlippe und haderte mit mir selbst.

Allerdings konnte es so keineswegs weitergehen ...

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