full moon
Hin und wieder sah ich, wie Sirius von seinem Sitzplatz zu mir herüberschaute, manchmal stand er sogar auf und lief, meiner Meinung nach, ziellos durch die Bücherreihen, ehe er irgendein Exemplar herauszog, dass er dann mit an seinen Tisch nahm und ihm dann keine Beachtung mehr schenkte. Ein sehr merkwürdiges Verhalten, wie ich fand, aber wahrscheinlich wollte er so nur die Aufmerksamkeit der anwesenden Mädchen auf sich ziehen, was ihm auch perfekt gelang, denn ich konnte zwei Schülerinnen aus Hufflepuff hören, wie sie über sein Aussehen sprachen, als er sich durch die schwarzen Haare fuhr. Als ich mich genervt von ihnen abwandte stieß ich leider unsanft gegen das Pult meines Sitznachbarn, dessen Buch über Geschöpfe der Nacht mit einem Schlag zu Boden fiel. Sofort ertönte die mahnende Stimme von Madam Pince, die fast schon enttäuscht wirkte, als sie feststellte, dass es nur ein kleines Ausversehen war und niemand ernsthaft die Ruhe der Bibliothek stören wollte.
Allerdings starrte ich wie gebannt auf das aufgeschlagene Buch, das sich bei dem Kapitel über Werwölfe geöffnet hatte. In diesem Moment überkam mich eine Woge der Erkenntnis, wie ich sie schon seit Ewigkeiten nicht mehr gehabt hatte, was mich dazu veranlasste meinen Aufsatz über Dementoren ruhen zu lassen, stattdessen holte ich mir rasch ein Buch, dass Werwölfe besser beschrieb, als das Lehrbuch dieses Drittklässlers und gleichzeitig zückte ich meinen Mondkalender. Bereits nach wenigen Augenblicken war mir klar, dass das das fehlende Puzzleteil war, deswegen hatte Severus damals diese Anspielung bezüglich des Astronomie Unterrichts gemacht und wenn ich die Mondphasen mit Remus verschwinden abglich, dann passten diese erschreckenderweise überein. Dumbledore würde das doch niemals zulassen, dachte ich mir, während ich nun nach Indizien suchte, die möglicherweise gegen meine Hypothese sprachen, aber es gab nur recht wenig, was überhaupt dagegensprach. Eigentlich fehlte nur noch der Augenbeweis, aber diesen einzuholen könnte tödlich enden, das wusste ich. Unwillkürlich fragte ich mich, ob Severus das wirklich herausgefunden hatte, denn falls ja war es wirklich ein Wunder, dass er nichts ausgeplaudert hatte, wo er doch die Rumtreiber so sehr hasste, aber wahrscheinlich hatte Dumbledore ihm klar gemacht, dass er keine Wahl hatte. Gleichzeitig fragte ich mich, ob Lily es auch wusste, immerhin waren beide Vertrauensschüler und sie war ein schlaues Mädchen. Ich dachte zurück an den besorgten Blick, den sie mir im Gemeinschaftsraum geschenkt hatte und wusste, dass auch sie hinter Remus Geheimnis gekommen war. Die Frage war nur, wo wurde Remus hingebracht, wenn er sich verwandelte, schließlich konnte er unmöglich im Schloss bleiben, das wäre unverantwortlich.
Eine Woge der Besorgnis überkam mich, als mir klar wurde, was ich da herausgefunden hatte, gleichzeitig wollte ich es nun nicht mehr wahrhaben und auf einmal erschienen Sams Erklärungen doch logisch. Mit zittrigen Fingern blickte ich auf den Kalender der Mondphasen und musste zu meinem Entsetzen feststellen, dass morgen Abend bereits der nächste Vollmond stattfinden würde. Wenn Remus wirklich verschwinden würde, dann wäre die Beweislast erdrückend. Unglücklicherweise würde auch das Abendessen von Professor Slughorn stattfinden, weswegen ich wohl Sam darauf ansetzen musste, ob Remus in der Großen Halle auftauchte.
„Ist alles in Ordnung bei dir", ich hatte nicht gemerkt, wie Sirius zu mir herübergekommen war und musste einen kleinen Aufschrei unterdrücken, als er vor mir stand und mich besorgt musterte. Hastig verstaute ich die Enzyklopädie in meiner Tasche, ich war mir aber sicher, dass Sirius noch einen kurzen Blick auf den Titel erhascht hatte. „Ehh ja, alles super", stammelte ich verlegen und klappte auch meinen Mondkalender zu. Doch ich konnte ihm ansehen, dass er mir nicht glaubte, denn er warf mir einen zweifelnden Blick zu und musterte mich dann eindringlich. „Du bist ziemlich blass, willst du nicht lieber zu Madam Pomfrey gehen?", hakte er nach und ich war froh darüber, da sich mir eine so gute Gelegenheit bot, um aus dieser Situation herauszukommen. „Ja, ich glaube ich habe mich etwas überanstrengt", murmelte ich und erhob mich von meinem Platz, wobei ich merkte, dass sich meine Beine ziemlich wacklig anfühlten, was auch Sirius zu bemerken schien, denn er legte sanft seine Hand auf meinen Oberarm. „Ich begleite dich" „Nein, es geht schon" „Ich bestehe darauf", und an seinem eindringlichen Blick konnte ich feststellen, dass es keinen Sinn machte, wenn ich ihm weiterwidersprach. Also gab ich mit einem schwachen Kopfnicken nach und gemeinsam machten wir uns auf den Weg in den Krankenflügel.
„An was hast du denn gerade gearbeitet?", kam es von Sirius, nachdem wir die Bibliothek verlassen hatten und endlich in normaler Lautstärke sprechen konnten. „An meinem Aufsatz über Dementoren", erwiderte ich ihm, was aber offensichtlich nicht die Antwort war, die er erwartet hat. „Und wozu benötigst du dann ein Buch über Werwölfe?", er wusste, dass ich es wusste und dennoch war uns beiden klar, dass dies weder der richtige Zeitpunkt, noch der richtige Ort war, um ein solch heikles Thema zu erörtern.
„Ich denke ab hier schaffe ich es allein", erklärte ich ihm, als wir fast an unserem Ziel angelangt waren. Für einen Moment hatte ich das Gefühl, als wolle er mir widersprechen oder etwas anderes loswerden, aber dann entschied er sich wohl doch dagegen und verabschiedete sich stattdessen mit einem einfachen Kopfnicken von mir. Natürlich hatte ich niemals vorgehabt ernsthaft zu Madam Pomfrey zu gehen, weswegen ich mich auf den Weg in den Gemeinschaftsraum machte, um Sam zu sagen, dass sie nachschauen sollte, ob Remus morgen Abend zum Essen erschien.
Selbstverständlich vermutete sie bereits, dass dahinter wieder irgendwelche Recherchen steckten, allerdings versprach ich ihr, sie danach nie wieder mit meinen Nachforschungen belästigen zu werden, was sie wohl schließlich dazu bewegte mir zu helfen.
„Miss Evans ich würde es mir niemals anmaßen Sie zu kritisieren, nicht nach unserer letzten Zaubertrankstunde", scherzte Professor Slughorn und nahm einen weiteren Schluck von seinem Wein. Wir hatten den Nachtisch erreicht und der Lehrer für Zaubertränke war gerade dazu übergangen seine liebsten Unterrichtsstunden zum Besten zugeben, weswegen wir alle an den richtigen Stellen ein falsches Lachen einwarfen, was in meinem Fall ziemlich gequält wirkte. Schon den ganzen Tag kreisten meine Gedanken um Remus und seine mögliche Lykanthropie, weswegen das Abendessen völlig an mir vorbeigezogen war und ich das Essen kaum angerührt hatte. Ich hoffte inständig, dass Sam ihre Aufgabe gut machen würde und mir eindeutig sagen konnte, ob Remus in der Schule war oder nicht.
„Miss Paris?", erschrocken blickte ich von meinem Nachtisch auf und stellte fest, dass jeder am Tisch mich ansah. „Tut mir leid, ich war gerade mit meinen Gedanken woanders", entschuldigte ich mich, was Slughorn auflachen ließ. „Nun das geht den besten so. Ich sprach gerade über Ihre Tante, die diese fantastische Abhandlung über Veritasserum geschrieben hat, was für eine begnadete Hexe. Leben Sie noch bei ihr?", es war nicht gerade mein Lieblingsthema, gleichzeitig wusste ich, dass der Hauslehrer von Slytherin für solch dunklen Geschichten schwärmte und bis jetzt war ich wohl nicht gerade der beste Gast gewesen, zumindest nicht am heutigen Abend. „Ja, wir leben abwechselnd in London und in Somerset. Wie sie sicherlich wissen arbeitet sie fleißig an einem neuen Trank, aber das ist ja noch alles geheim", begeistert riss Professor Slughorn seine Augen auf und klopfte sich auf den rundlichen Bauch, ehe er ein entzücktes Lachen von sich gab. „Ich werde Anarietta gleich morgenfrüh eine Eule zukommen lassen, das sind ja exzellente Neuigkeiten", schwärmte er und ich hoffte, dass sich damit dieses Thema erledigt hatte, aber leider hatte ich mich da zu früh gefreut. „Und wie geht es Ihren Eltern?", erneut waren alle Augenpaare auf mich gerichtet und ich spürte, wie sich mein Magen zusammenzog.
„Meiner Mutter geht es unverändert, sie ist noch immer im Sankt Mungos", meinte ich knapp, woraufhin mir Slughorn ein mitleidvolles Lächeln schenkte, ehe er sich meinem Sitznachbarn zuwandte, dessen Bruder ein berühmter Quidditch Spieler war. Doch in meinem Kopf spielten sich Bilder ab von meiner Mutter, die reglos in ihrem Bett lag und von morgens bis abends die Decke anstarrte und auf nichts und niemanden reagierte, während ich den Großteil meines Lebens bei ihrer Schwester verbracht hatte, die die meiste Zeit des Tages vor dem Zaubertrankkessel verbrachte. Trotzdem war meine Kindheit einigermaßen gut verlaufen, wenn man davon absah, dass ich viel Zeit davon allein verbracht hatte, woher wohl auch meine Begeisterung für Bücher kam.
Früher als sonst war für mich der Abend bei Professor Slughorn beendet, aber das Gespräch über meine Familie hatte mir den letzten Rest gegeben, weswegen ich mich verabschiedete unter dem Vorwand ich hätte höllische Kopfschmerzen, woraufhin ich nicht mehr an dem nachfolgenden Smalltalk teilnehmen musste. Niedergeschlagen wandelte ich durch das verlassene Schloss und begegnete nur ab und zu einem der Geister, die mich zumeist freundlich grüßten oder mich nicht beachteten. Völlig in meine Erinnerungen versunken, achtete ich nicht auf meinen Weg, bis ich Stimmen hörte, die auf mich zukamen. Eilig suchte ich Denkung in einer nahegelegenen Nische und wartete darauf, wer um diese Uhrzeit noch durch Hogwarts streifte, obwohl ich es mir gleich hätte denken können. James Potter, Sirius Black und Peter Pettigrew waren gerade dabei durch das Schlossportal zu laufen und anscheinend rechneten sie nicht damit entdeckt zu werden, denn sie waren in eine lustige Unterhaltung verfallen. In Sirius Hand konnte ich das Stück Pergament erkennen, das letztes Mal James gehalten hatte und noch immer fragte ich mich, was es damit auf sich hatte.
„Wartet!", rief Sirius plötzlich den anderen beiden zu, worauf diese schlagartig verstummten. Angestrengt blickte der junge Black auf die Karte, ehe James zu ihm kam, woraufhin er diese rasch in seinem Mantel verstaute. „Es ist nichts, wir sollten weitergehen", meinte Sirius und die drei setzten kommentarlos ihren Weg fort. Ein ungutes Gefühl beschlich mich, denn allein die Tatsache, dass Remus nicht bei ihnen war, war mehr als verdächtig. Mit wackeligen Beinen folgte ich den drei Gryffindors hinaus auf die Schlossgründe, denn ich vermutete, dass ich bald meine Bestätigung haben würde über das monatliche Verschwinden von Remus Lupin. Ein letztes Mal sah ich mich in der Eingangshalle um, aber ich schwor mir selbst, dass ich nur einen kurzen Blick wagen würde, um mein Gewissen zu beruhigen, ehe ich schleunigst zurück in den Schlafsaal zurückkehren würde.
Die liebe Ivy ist sich wohl nicht ganz bewusst in was für eine Sache sie da hineingeraten ist. Auf jeden Fall dürft ihr gespannt sein auf das nächste Kapitel :)
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